El Lobo – Der Wolf
- Regie:
- Miguel Couridis
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Spanien
- Originaltitel:
- El Lobo
1 Review(s)
25.02.2006 | 16:37Actionreicher Polit-Thriller
Der Baske José Maria Loygorri geriet in das Visier des Secret Service, denn er hielt Kontakt zu gesuchten Terroristen. Anstatt ihn einzusperren, haben sie aber etwas anderes mit ihm vor. Er soll sich als "Maulwurf" in die Terrorgruppe ETA einschleusen und deren Pläne ausspionieren. Nach anfänglichem Zögern nimmt er den riskanten Job an. Sein Deckname ist "El Lobo – der Wolf". Doch je tiefer er in das Herz der ETA vordringt, desto größer wird die Gefahr, dass seine wahre Identität auffliegt … und er weiß, dass auf jeden Verräter eine Kugel wartet. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: El Lobo (Spanien 2004)
Dt. Vertrieb: e-m-s (12.01.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 120 Min.
Regisseur: Miguel Couridis
Drehbuch: Antonio Onetti
Musik: Francisco Genca
Darsteller: Eduardo Noriega, José Coronado, Mélanie Doutey, Silvia Abascal u. a.
Handlung
Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum von zwei Jahren und beruht auf Tatsachen. Am Anfang des Films ruft José (baskisch: Txema) Maria Loygorri (Eduardo Noriega) im September 1975 in der Zentrale des spanischen Geheimdienstes an, um seinen Verbindungsoffizier zu kontaktieren. "Holt mich hier raus!" Txema ist verzweifelt. Alle seine Kumpane sind erschossen worden, und auch er wird von der Polizei als ETA-Terrorist gejagt, dabei ist er immerhin der Maulwurf, der dem Geheimdienst die Namen aller gerade aktiven ETA-Truppen in Spanien genannt hat. Sein Deckname: El Lobo – der Wolf. Und ein Wolf ist immer einsam.
Zwei Jahre zuvor, im Jahr 1973.
Txema (ausgesprochen "tschema") lebt mit seiner Familie im Baskenland, arbeitet als Bauunternehmer. Doch wieder einmal will ein Kunde nicht zahlen, und er und sein Bruder stehen vor der Pleite. Die ihm von seiner Frau angebotene Hilfe seines Schwiergervaters will er aber auch nicht annehmen.
Der spanische Geheimdienst ist ihm auf der Spur, denn er hat führenden Mitgliedern der ETA, dem militärischen Flügeln der baskischen Unabhängigkeitsbewegung, Unterschlupf in seiner Wohnung gewährt. Am Tag danach hatten sie einen Mann getötet, den Txema zuvor warnen wollte – vergeblich. Es gibt eine Razzia, nach der auch er durch die Mangel gedreht wird, ebenso seine Frau.
Aus seiner Finanzmisere scheint ihm das Angebot von Oberst Ricardo herauszuhelfen. Doch Ricardo gehört zum Geheimdienst SECED. Txema soll in die ETA eindringen und ihm die Namen und Adressen der Anführer nennen. Er bekomme "volle Deckung", wie sich Ricardo ausdrückt. Doch schon beim ersten ETA-Auftrag, dem Schmuggeln von Gewehren, zeigt sich, dass dieses Versprechen einen Dreck wert ist. Der Oberst will selbst nicht auffliegen, indem er sich als SECED-Offizier zu erkennen gibt.
Am 18. September 1973 lernt er die schöne Sängerin Amaia kennen und sie verbringen eine Liebesnacht miteinander. In der Nähe halten sich aber auch die drei Anführer der ETA auf: Asier ist der politische Theoretiker, Arieta befiehlt und Nelson führt die Aktionen aus. Wenig später erfährt Txema im Fernsehen, dass der Regierungspräsident einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Txemas Frau will, dass er geht, denn bei ihm fühlt sie sich nicht mehr sicher. Am 23.12.1973 schlägt Oberst Ricardo vor, Txema als Maulwurf "El Lobo" einzusetzen, um die ETA zu infiltrieren. Seine Vorgesetzten gewähren ihm freie Hand. Vorerst. Denn schon wenig später erweist sich die versuchte Entführung von Geiseln als Falle.
30.10.1974. Erstmals lernt Txema auch Nelson kennen, den Kommandeur der Operationen im Feld. Nelson warnt vor Verrätern und sieht Txema an, zeigt ihm eine Kugel. Doch statt Txemas stirbt jemand ganz anderes: Nelson lässt Asier hinrichten, weil ihm dessen Träume von einer baskischen Sozialisten-Partei gegen den Strich gehen. Amaia wendet sich von Txema ab und schläft mit Nelson. An seiner Seite unternimmt sie die nächsten Aktionen, die in Madrid und Barcelona stattfindet: ein heißer Herbst beginnt.
Doch da beschließt Ricardo auf Druck von oben, eine Bombe im Hauptquartier der ETA, wo eine Führungskonferenz stattfindet, zu zünden. El Lobo bekommt gerade noch eine letzte Warnung, doch da nimmt ihn Nelson beiseite …
Mein Eindruck
El Lobos Geschichte ist eine endlose Geschichte von Verrat, Widerstand und dem Verlust von Idealen, Menschenwürde, Leben. Es hätte wenig Sinn, nun aufzuzählen, wer wen wie oft und auf welche Weise verraten hat – denn in diesen Teufelskreis sind fast alle Akteure verstrickt. Diese Handlungsstruktur macht es jedoch für den Zuschauer einerseits nicht einfach, das Geflecht der (wechselnden) Interessen zu durchschauen, zum anderen aber trägt die ständig lauernde Gefahr des Verrats zu einer latenten Hochspannung bei, die nur in den seltensten Momenten ausgesetzt wird. Einer dieser raren Momente ist die Szene, als Tyema und Amaia Liebe machen. Das Licht ist warm und hell wie Honig. Die Kamera fährt zurück und enthüllt ihr helles Zimmer als winzigen Fleck in einem Meer von Finsternis.
Der Film wirft den nichtspanischen Zuschauer ins kalte Wasser. Es gibt keine Erklärungen, woher der Konflikt mit den Spaniern stammt, welche historischen Wurzeln er hat. Wir erfahren nur, dass es eine baskische Sprache und eine Autonomiebewegung gibt. Und dass im Jahre 1975 mehr als hundert "Terroristen" der ETA-Kampfgruppen "liquidiert" wurden. Dieser Mangel an Hintergrund, der sich im entsprechenden Defizit bei den Extras fortsetzt, signalisiert, dass sich der Film vor allem an Spanier wendet.
Es gibt keine langwierigen Diskussionsszenen wie in "Fidel & Che", einem ähnlich gelagerten Freiheitskampf-Epos. Dafür liegt die Betonung auf dem Werdegang Txemas und dem Verhalten der Nebenfiguren, zu denen Amaia, Nelson und besonders Oberst Ricardo zählen. Durchweg mündet dieses Verhalten in kleinere oder größere Terroraktionen, und diese stellen die wenigen Höhepunkte des Thrillers dar. Hier gibt es das, was man landläufig als "Action" bezeichnet: explodierende Bomben, Ermordungen von Polizisten, Geiselnahmen.
Recht merkwürdig wird die Position Txemas, als sich im 1975 seine Gratwanderung ihrem Ziel und Ende nähert. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wieso er gegen seine Landsleute als Undercoveragent intrigiert – wahrscheinlich um die ETA-Gewalt zu beenden und seine Familie zu beschützen. Aber warum liefert er hunderte der ETA-Mitglieder an den SECED aus? Doch nicht etwa, um seine Pflicht zu erfüllen.
Wie auch immer – in seinem letzten Gespräch mit Oberst Ricardo, der nichts mehr mit ihm zu tun haben will, bietet er Verhandlungen im Hinblick auf eine politische Lösung des Konflikts mit der ETA an. Interessanterweise will der Geheimdienstoffizier nichts davon wissen. Er führt selbst ein politisches Argument ins Feld: Der Terror der ETA hilft dem rechten politischen Flügel, ihre Unterdrückung der linken und liberalen Kräfte im Land zu rechtfertigen. Der Terror ist also sowohl willkommen als auch notwendig! Deshalb gibt es bis heute keinen Frieden im Baskenland, legt der Film nahe. (Ob das so ist, steht auf einem anderen Blatt.)
Die romantische Note, die jeder Unabhängigkeitsbewegung wegen ihres Idealismus’ anhaftet, verflüchtigt sich schon bald nach den ersten Bomben und Massakern. Die Liebe zwischen Amaia und Txema wird ebenfalls verraten, als sich Amaia Nelson zuwendet. Am Schluss bleibt nur die Hoffnung, die eigene Haut zu retten – El Lobo lebt heute noch. Leonard Cohens trauriges Lied vom französischen Partisanen passt wie die Faust aufs Auge: "yes, peace will come soon". Es ist der Friede des Grabes und der Anonymität.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS und DD 5.1, Spanisch in DD 5.1
Sprachen: D, Spanisch
Untertitel: D
Extras:
- Originaltrailer
- Trailershow
- Bildergalerie
- Making-of
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild ist ausgezeichnet und erstaunlich farbenfreudig und hell – was man angesichts des düsteren Titelbildes nicht erwarten würde. Der Sound erklingt in DTS druckvoll und glasklar; da gibt’s nichts zu meckern.
Der Originaltrailer (1:41) stellt die zentrale Frage: War El Lobo ein Held oder ein Verräter? Die Bildergalerie (2:17) wiederholt noch einmal in einer Diaschau die kennzeichnenden Szenen des Films. Sie ist unterlegt mit dem Abspannlied "Song of the French Partisan" von Leonard Cohen.
Am wichtigsten im Bonusmaterial ist jedoch das Making-of, das immerhin knapp 13 Minuten lang ist. Produzent Melchior Miralles ist ein selbstbewusster spanischer Geschäftsmann, der ganz klar sagt, was sein Film sein soll: ein historischer und politischer Film mit einem gesellschaftlichen Anliegen, der aber auch Actionszenen hat (Explosionen, Schießereien, Verfolgungsjagden usw.).
Und obendrein gibt es ein Sahnehäubchen: Der Film ist immer noch aktuell! Denn El Lobo lebt. Und er war sogar – natürlich von allen außer Miralles unerkannt – an einem der Drehorte zugegen. Na, wenn das nicht der Hammer ist. Und El Lobo wird von der ETA immer noch als Verräter gesucht – nach 30 Jahren. Und wahrscheinlich auch vom Geheimdienst.
Des weiteren kommen zu Wort: der vorzüglich spielende Noriega (Txema), die schöne Mélanie Doutey (Amaia), der schmierige José Coronado (Oberst Ricardo), der zwielichtige Nelson (Patrick Bruel), der von Ricardo umgedreht wurde, schließlich auch Silvia Abascal (Txemas Frau), Santiago Ramos (Pantxo, ein aufrechter SECED-Mann) und der schon ziemlich bekannte Jorge Sanz (Asier). Der Skriptautor Antonio Onetti ordnet den Film ebenso ein wie der Regisseur Miguel Courtois.
Aber eines muss man dem Produzenten lassen: Er kann für sich die besten Sätze verbuchen. Leider hat er keinen historischen Überblick auf die DVD draufgepackt.
Unterm Strich
"El Lobo" ist ein fesselnder Politthriller mit Actionhöhepunkten. Allerdings setzt er in seinem Informationsgehalt solides Hintergrundwissen voraus und scheint sich somit vor allem an spanische und baskische Zuschauer zu richten. Fehlendes Wissen wird nicht durch das Bonusmaterial nachgeliefert. Andere Zuschauer können durchaus etwas mit der grundlegenden Story des Maulwurfs in einer Terrorgruppe anfangen, der über kurz oder lang sowohl vom Geheimdienst fallen gelassen als auch von den Terroristen, seinen Ex-Kumpanen, verfolgt wird. Manche Szenen sind auch sinnlich und leise, Verschnaufpausen zwischen den Szenen der Haupthandlung, die stets unter Strom zu stehen scheinen.
Weiß man nach diesem Film mehr über das Baskenland und die ETA? Das ist stark zu bezweifeln. Das Making-of ist ein klarer Pluspunkt innerhalb des Bonusmaterials, aber Trailer-Werbung und Diaschau gleichen noch keine Chronologie des ETA-Kampfes aus.
- Redakteur:
- Michael Matzer