Ende der Geduld
- Regie:
- Florent-Emilio Siri
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Drama
- Land:
- Frankreich/Belgien/Deutschland
- Originaltitel:
- Une minute de silence
1 Review(s)
21.09.2008 | 18:16"Ende der Geduld"
Man ließ ihnen keine andere Wahl als die Gewalt
So steht es auf dem Cover und nach dem Film macht man sich noch lange Gedanken, ob dies wirklich stimmt.
Story:
Mimo, ein junger Mann arabischer Herkunft und Marek, polnischer Abstammung leben an der deutschen - französischen Grenze im lothringischen Kohlebaugebiet. Beide sind Kumpels und arbeiten im letzten Kohlebergwerk der Region. Abgesehen von Spannungen mit den Chefs unter der Erde und immer wieder hervorbrechendem Rassismus, müssen sich alle mit dem Beschluss der Kohlebergwerkleitung herumschlagen, dass das Weihnachtsgeld gestrichen werden soll. Die Gewerkschaft ruft deswegen auch zum Streik auf und viele sind bereit blind zu folgen. Nur ehemalige Bergwerksleute raten den Männern davon ab zu gehen, da sie die Konsequenzen eines Streikes, bzw. einer Demonstration kennen. Der ganze Ort gehört den Minenbesitzern.
Der Ort selber ist trist, Haupttreffpunkt ist eine Kneipe, welche von einem ehemaligen Kumpel geführt wird und das Cabaret, beziehungsweise Bordell. Und so verbringen die Männer die Abende nach der Arbeit mit Familienbesuchen - ein jeder hat kranke, von der Arbeit im Bergwerk geschädigte Verwandte, oder mit Mutproben und Bordellbesuchen.
Nachdem die Presse plötzlich vor Ort ist, klaut Mimo dem Journalisten die Kamera und will sie im Bordell verkaufen. Dabei lernt er den Mädchenhändler Jäger kennen. Dieser zeigt schnell Interesse an Mimo, versucht ihn mit der Zeit immer wieder davon zu überzeugen, mit ihm nach Polen zu reisen um dort reich zu werden.
Doch Mimo und Marek sind wirklich dicke Freunde und trotz teilweise offen ausgetragenen Differenzen helfen sie einander in den schlimmsten Situationen.
Am Tag des Streikes entscheiden sich die Schicksale vieler Männer, vor allem aber auch dasjenige von Marek und Mimo.
Persönliche Meinung:
Dieser Film kann niemanden kalt lassen, vermittelt er doch allzu deutlich wie schwierig und teilweise trostlos das Leben dieser Familien, dieser jungen Männer ist. Sie wollen nicht einmal heiraten, da sie wissen, dass sie in einigen Jahren arbeitslos sein werden.
Die Männer rackern sich generationenweise ab und am Ende haben sie Staublungen, ersticken langsam aber sicher. Dazu kommen die schwierigen Bedingungen durch die Arbeitgeber. Die Leitungen der Minen wollen rentable Geschäfte machen und der unterirdische Kohleabbau ist durch die Konkurrenz aus billigeren Ländern enorm gestiegen.
Man fragt sich, woher diese Menschen die Energie nehmen um so weiter zu leben. Für sie gibt es diese überlebenswichtige Arbeit, die Gebundenheit an den Ort durch die dort lebenden Verwandten und die kleinen Ablenkungen nach einem harten Arbeitstag. Gerade durch diese Arbeit haben sie noch ein Selbstwertgefühl und deswegen sind sie auch bereit ihre Gesundheit mit einer Demonstration zu riskieren.
Am Ende kommt es soweit, doch gegen die staatliche Polizei und ihr ganzes Arsenal scheint der Kampf von Anfang an verloren, wenn da nicht dieser Wille, Überlebenskampf und Gemeinschaftssinn wäre, welcher die Männer miteinander verbindet.
Immer wieder taucht die Frage auf: Auswandern? Wo kann man das große Geld machen? Was ist mir wichtig? Und dann gilt es plötzlich sich entscheiden zu müssen, wenn die Lebensgrundlage sich verändert.
Mir persönlich hat wie gesagt der Film gut gefallen, bzw. er hat mich berührt und interessiert. Die zwei Männer Mimo und Marek sind feine Kerle, nicht anspruchsvoll, aber mehr oder weniger anständig und vor allem treu. Mimo ist der eher emotionale, naive und gutgläubige Typ, was auch ausgenutzt wird. Doch über allem steht seine Freundschaft zu Marek. Er will nur auswandern, wenn Marek mitkommt.
Marek ist der ruhige, besinnliche Typ. Er bezeichnet sich selber als Realisten und versucht immer die Balance zwischen allen zu finden. So kümmert er sich liebevoll um seinen kranken, dem Alkohol verfallenen Großvater, aber auch um andere polnische Verwandte und Bekannte. Er hat ein gutes Herz und versucht immer anständig zu handeln. Dies ist auch ein Grund, wieso er den polnischen Mädchenhändler Jäger zutiefst verabscheut und es diesem auch offen ins Gesicht sagt.
Jäger verkörpert den skrupellosen Geschäftsmann, welcher schnell und einfach zu Geld kommen will, ohne auf die Menschen Rücksicht zu nehmen.
Interessante Fakts/ Darsteller:
Die Geschichte basiert anscheinend auf wahren Tatsachen und ist deswegen umso brisanter. Bei den Dreharbeiten der Demonstration wurden sogar Männer eingesetzt, welche bei derselben Demonstration im Jahre 1996 wirklich dabei waren.
Der Regisseur, bekannt aus "Hostage" kommt selber aus Lothringen und aus einer Bergarbeiterfamilie, weswegen vielleicht seine Darstellung so echt wirkt. Es ist beinahe eine Reportage, über 3 bis 4 Tage, in denen sich die Welt für manche Menschen verändert hat.
Benoît Magimel kennen inzwischen auch Filmliebhaber aus nicht-französischen Ländern, denn er spielte mit Erfolg in Filmen wie "La Haine, "Die purpurnen Flüsse 2", "Die Blume des Bösen" oder in "Die Klavierspielerin".
Überhaupt sind alle Darsteller gut besetzt und überzeugen durch Authentizität.
Rollen / Darsteller:
Marek: Benoît Magimel (SKY FIGHTERS, DIE PURPURNEN FLÜSSE 2, DIE KLAVIERSPIELERIN)
Mimmo: Bruno Putzulu (AUF DIE LIEBE, Les gens honnêtes vivent en France)
Jäger: Rüdiger Vogler (ANATOMIE; LISBON STORY)
Stanis: Jean-Yves Chatelais
Regie & Drehbuch: Florent-Emilio Siri (HOSTAGE; DAS TÖDLICHE WESPENNEST)
Kamera: Giovanni Fiore Coltellacci (DAS TÖDLICHE WESPENNEST)
Schnitt: Joëlle Dufour
Musik: Alexandre Desplat (DIE QUEEN (Oscar-Nominierung); SYRIANA
OT: Une minute de silence
Produktionsland & -jahr: Frankreich/Belgien/Deutschland, 1998
Laufzeit: ca. 79 Min.
Genre: Bergarbeiter-Drama
FSK: 16
Ende der Geduld ist einer dieser Filme, welche man auf DVD praktisch nie im Regal im Geschäft antrifft, was äußerst schade ist. Wer sich für das Thema des Bergbaus, der Gewerkschaften, aber vor allem für Porträts von Menschen im Alltag interessiert, der wird gute Unterhaltung finden, aber ganz sicher nicht dem Nachdenken über so schwierige Lebensumstände entgehen können.
Fazit: ein anspruchsvoller Film mit einer großen Prise Realität und viel Menschlichkeit.
- Redakteur:
- Doris Flückiger