Exit Through the Gift Shop
- Regie:
- Banksy
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- GB/USA
1 Review(s)
04.03.2011 | 11:21Was ist Realität, was Fiktion? Wo beginnen beide Zustände sich abzugrenzen, wo fließen sie ineinander über? Und wann wird aus der Erdichtung schließlich Wirklichket? Es sind diese Fragen, die stets über „Exit Trough The Gift Shop“, dem Debütfilm von Streetarts-Legende „Banksy“, stehen. Der Brite, dessen wohl gehütete Identität nur eine Handvoll von Kollegen kennt, steht wie kaum ein anderer Künstler für diese aus dem Graffiti entstandene Kunstbewegung, die sich längst vom Vandalismus-Image gelöst hat und mittlerweile selbst in den prominentesten Galerien dieser Welt, mit begeistert gefeierten Ausstellungen bedacht wird. Banksys Werke wurden längst in Paris, London und New York ausgestellt, auch wenn er selber von dem Kunstbetrieb wenig hält. Es geht ihm nicht um Prominenz oder Geld, vielmehr beschäftigt ihn die Frage nach der Macht von Bildern, wie sie auf Menschen wirken und sie manipulieren. Nicht umsonst sind viele seiner Werke modifizierte Grafiken bekannter Gemälde oder Bilder, die er mal in Museen und Galerien einschmuggelt, oder mal an Orten wie den israelischen Sperranlagen im Westjordanland anbringt. Doch nach all seinen Aktionen, ist „Exit Trough The Gift Shop“ sein bisher größter Clou.
Doch Moment, ist „Exit Trough The Gift Shop“ nicht eigentlich eine Dokumentation über Streetart und seine Protagonisten? Als dieser wird der Film nämlich in der Regel beworben. Dass dies natürlich geschicktes Marketing ist, wird spätestens klar, wenn der Abspann über den Bildschirm flimmert und man auf eineinhalb Stunden köstlichster Mockumentary-Unterhaltung zurückblickt. Denn das ist Banksys Debütfilm letzten Endes: Eine Mockumentary, also ein fiktiver Dokumentarfilm. Dieses Genre, das spätestens seit Sacha Baron Cohen Kunstfiguren Borat und Brüno (sowie den jeweiligen Filmen zu diesen Charakteren) lebt natürlich von dem Reiz, dass man nicht wirklich genau sagen kann, was denn nun echt ist und was nicht.
So erzählt uns „Exit Trough The Gift Shop“ die Geschichte des Franko-Amerikaners Thierry Guetta, einem überaus sympathischen Kerl mit Frau und Kindern, einem kleinen Klamotten-Geschäft und dem Tick, dass er alles in seiner Umgebung mit einer stets griffbereiten Handkamera filmen muss. Guetta ist aber auch der Cousin des französischen Streetart-Künstlers Space Invader, welcher aus Mosaiken bekannte Pixelfiguren nachstellt und die entstandenen Werke in urbanen Metropolen platziert. Durch Space Invader wird Guetta mit dem Streetarts-Fieber angesteckt und knüpft fortan Kontakte mit vielen bekannten Namen der Szene, darunter etwa auch Shepard Fairey, welcher spätestens seit seinem Obama-Konterfei so gut wie jedem ein Begriff sein dürfte.
Guetta begleitet seine neuen Freunde bei deren Arbeiten und blickt hinter die Kulissen der Szene. Dabei verspricht der kleine, dickliche Kerl mit struppigem Haar und 60er-Jahre Barttracht den Künstlern das verwendete Material irgendwann einmal für eine Dokumentation über Streetarts zu benutzen. Einzig und allein ein Künstler fehlt Guetta aber noch. Damit kommt Banksy ins Spiel. Als allen Beteiligten irgendwann klar wird, dass aus dem von Guetta angeblich von Anfang an geplanten Dokumentarfilm über die Streetarts-Szene nichts wird, übernimmt Banksy komplett das Ruder, stiftet Guetta an selbst Künstler zu werden und ihn mit der Kamera zu begleiten. Mit dem Ergebnis, dass sich der liebenswerte Trottel Thierry unter dem Synonym Mr. Brainwash in die Arbeit stürzt und binnen weniger Monate eine eigene Ausstellung auf die Beine stellt.
Inwieweit der Plot von „Exit Trough The Gift Shop“ der Wahrheit entspricht lässt sich nur schwer sagen. Und genau da liegt auch die Magie des Filmes. Denn wäre das komplette Projekt ein von Anfang bis Ende durchgezogener Fake, dann wäre er geradezu episch. Bedenkt man, dass alleine die Aufnahmen, die Guetta in jedem Fall gemacht hat, dann über mehrere Jahre entstanden sein müssten. Gleichzeitig mischen sich so viele Faktoren in den Film, die einfach zu schräg sind, um wirklich wahr zu sein. Zum Beispiel Thierry Guetta selbst, bei dem man nie so genau weiß, ob er nun eine real existierende Person oder eine von Banksy und seinen Freunden geschaffene Kunstfigur ist, um die gesamte Welt zum Narren zu halten. Banksy gelingt es jedoch spielend leicht, den Zuschauer nicht eine Minute lang so weit in Überlegungen über Fake oder nicht Fake abdriften zu lassen, dass man mit seinen eigenen Gedankengängen das kurzweilige Vergnügen, welches der Film von der ersten Minute an bietet, verdrängt. Denn „Exit Trough The Gift Shop“ ist voll mit wahnwitzigen Szenen und Statements, die besser unterhalten, als so mancher als Komödie deklarierte Film.
Zum großen Showdown von „Exit Trough The Gift Shop“ spielt Banksy schließlich alle Trümpfe und holt aus zum Rundumschlag. Denn was Guetta als Mr. Brainwash fabriziert, ist nicht minder dreister, als so manche Doktorarbeit von so manchen Ministern, klaut sich der selbsternannte Street-Künstler doch von Andy Warhol, Shepard Fairey, Banksy und anderen Künstlern so ziemlich alles den jeweiligen Künstler ausmachende zusammen und bringt es in zwar schön anzusehenden, aber vollkommen ideenlosen und in Massen fabrizierten Werken unter. Die Ausstellung, in der Mr. Brainwash die entsprechenden Werke ausgestellt hat, gab es wirklich. Und sie war ein Erfolg, auch da Banksy und seine Kumpanen Werbung für Mr. Brainwash mit Aussagen wie „Mr. Brainwash is a force of nature, he’s a phenomenon. And I don't mean that in a good way“ gemacht haben. Wie Banksy hier die gesamte Kunstwelt vorführt, wie er zeigt, wie leicht sich Menschen beeinflussen lassen- und wie wenig es dafür eigentlich benötigt: Das ist schon verdammt brillant. Und irgendwie auch erschreckend.
„Exit Trough The Gift Shop“ ist also ein wunderbar ironischer Blick auf die Kunstwelt, die alles abfeiert, was man ihr nur halbwegs schmackhaft präsentiert, ebenso ist Banksys Erstlingsfilm eine grandios funktionierende Dokumentation über die Mechanismen der Beeinflussung und Propaganda. Aber „Exit Trough The Gift Shop“ ist auch ein tolles Stück Unterhaltungskino, dass zwar die Streetarts-Szene nicht allzu intensiv beleuchtet, dafür jedoch von der ersten Minute an, lang und verdammt gut unterhält.
Daten zum Film:
Originaltitel: Exit Through the Gift Shop (USA/UK, 2010)
Laufzeit: ca. 86 Minuten
FSK: Ab 6 Jahren
Regie: Banksy
Darsteller: Thierry Guetta, Banksy, Space Invader, Shepard Fairey...
9/10
Anmerkung zur DVD:
Die von Alive vertriebene DVD zu „Exit Trough The Gift Shop“ ist geradezu vorbildlich. Bild (im Format 16:9 – 1.77:1) und Ton (Deutsch [Dolby Digital 5.1] und Englisch [Dolby Digital 5.1]) liegen im astreinen Zustand vor. Eine komplett synchronisierte Fassung des Filmes gibt es zwar nicht (da in der „deutschen“ Fassung lediglich der Sprecher deutsch spricht, der Rest, spricht die Interviews, aber weiterhin Englisch ist), dafür helfen aber dem Englischem nicht ganz so mächtigen Zuschauer entsprechende Untertitel. Ein wirkliches Highlight sind aber die Extras. Diese enthalten die kurze Dokumentation „B Movie – ein Film über Banksy“, entfernte Szenen, das Video „A Star Is Born – MBW at Cans Festival“, wo Mr. Brainwash auf eine Open-Air Ausstellung los gelassen wird, sowie „Life Remote Control“, jenen Film, der angeblich Thierry Guettas Doku über die Streetarts-Szene hätte werden sollen.
- Redakteur:
- Adrian Trachte