Frozen - Etwas hat überlebt
- Regie:
- Lewis, Mark A.
- Jahr:
- 2009
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA/Kanada
- Originaltitel:
- The Thaw
1 Review(s)
19.11.2009 | 06:48Das geschieht:
Sein ganzes Forscherleben hat sich Dr. David Kruipen nicht nur als brillanter Wissenschaftler, sondern auch als unbequemer Mahner einen Namen gemacht. Die Gleichgültigkeit einer umweltschädigenden Menschheit versuchte er notfalls als Öko-Terrorist zu erschüttern. Darüber ist seine Familie zerbrochen; Kruipen kam nicht einmal zur Beerdigung seiner Ehefrau, was ihm Tochter Evelyn bitter nachträgt.
Kruipen hält sich derzeit in der Arktis auf, wo er den Spuren der globalen Erwärmung nachspürt. Der seit Jahrzehntausenden gefrorene Boden taut allmählich auf und gibt seine Geheimnisse preis - und seine Schrecken, denn im Kadaver eines gut erhaltenen Mammuts entdecken Kruipen und seine Crew vorzeitliche Parasiten, die winterstarr überlebten und nun hungrig auf frisches Fleisch warten: Eisbären - und Menschen! Bald müssen die ersten Forscher entdecken, dass sie infiziert wurden. Der Parasit bohrt sich unter die Haut, vermehrt sich dann fleißig und frisst seinen Wirt von innen auf. Kruipen erkennt die Gefahr und verhängt per Funk eine Quarantäne über sein Lager.
Fatalerweise kommt die Warnung zu spät für drei Studenten, die mit Kruipen forschen wollen. An Bord des Helikopters, mit dem Pilot Bart das Trio zum Lager fliegt, ist auch Evelyn. Sie will dem Vater einige Papiere abringen, die sie in den Besitz des reichen mütterlichen Erbes bringen sollen. Ahnungslos landen die fünf Besucher im scheinbar verlassenen Lager. Während Kruipen und seine Crew auf der Außenstation um ihr Leben kämpfen, machen es sich Evelyn und ihre Begleiter allzu gemütlich. Zu spät erfassen sie, was es mit den seltsamen ‚Käfern‘ auf sich hat, die ihnen zunächst nur lästig sind. Panik greift um sich, doch das eigentliche Grauen wartet noch auf die rasch (und buchstäblich) schmelzende Schar der attackierten Arktis-Reisenden …
Coole Story, aber es taut
"Frozen" ist ein Film, der Eisbären - ein Vertreter dieser Spezies spielt eine gewichtige Rolle - und Zuschauer im Chor brummen lässt; den einen vor Wut, weil ihm ein Betäubungspfeil in den Hintern geschossen wird, die anderen vor Frust, weil man ihnen schon wieder eine Story vorspielt, von der sie jede Note mitsingen können.
Wortspiele mit dem Filmtitel bieten sich viel zu verführerisch an, um unberücksichtigt zu bleiben. Obendrein gilt es, die wie üblich dumme ‚Übersetzung‘ des Originaltitels zu korrigieren: "Frozen" ist nicht nur eine denglische Perversion, sondern verkehrt den Plot zudem in sein Gegenteil. Die Krux ist, dass es in der Arktis eben nicht mehr friert, wie es sich gehört. Stattdessen schmilzt das nur scheinbar ewige Eis, weil der Mensch einen Prozess der globalen Erwärmung in Gang gesetzt hat, der an den Polen ein immer mächtiger durchschlagendes Tauwetter - "thaw" - ausgelöst hat.
Eine ernste Sache ist das, die sich die Brüder Mark und Michael Lewis als Drehbuchautoren und Regisseur zueigen machen. Sie nutzen bzw. missbrauchen die Botschaft dessen ungeachtet ausschließlich als Mittel zum Zweck, der darin besteht, ihrem Film ein möglichst großes Publikum zu sichern. Die Warnung vor dem Öko-Gau ist gutmenschlich plump aufgesetzt, für das Geschehen unnötig und letztlich nur peinlich.
Noch hält das Eis ranzige Filmstorys frisch
Denn "Frozen" ist nicht mehr (aber oft weniger) als die x-te Version der Invasion aus dem Mikrokosmos, der tödliche Feind nicht groß und böse, sondern winzig und schwer zu entdecken, hinterlistig und tritt in Massen auftretend, sodass die Gefährdung und Dezimierung der Darstellerschar garantiert bleibt. Schon das Wort "Parasit" sorgt kostengünstig für Zuschauerschauder. Die moderne Tricktechnik ermöglicht darüber hinaus fiese Krankheitsbilder von unglücklichen Opfern, die nach und nach zu blutig-schleimigen Gruselgestalten degenerieren.
Diese Nische des Horrorfilms ist alt, was kaum verwundert, da die genannten Elemente ihre Publikumswirksamkeit nie eingebüßt haben. Der Faul-und-Kotz-Grusel ist derzeit wieder aktuell, seit Eli Roth ihm 2002 mit "Cabin Fever" neues Leben einhauchte. Hübsche Teenies werden nicht mehr ausschließlich durch irrsinnige Massenschlächter ausgelöscht. Sie zerfallen nun in Großaufnahme.
Mit der Verlagerung der Story in die Arktis hat sich der Variationswille der Lewis-Brüder ohnehin erschöpft. Wenn die Akteure in der einsamen und isolierten Eisstation eingetroffen sind, besteht die eigentliche Spannung darin zu erraten, in welcher Reihenfolge es sie erwischen wird. Zugegebenermaßen verraten die Todesarten einen gewissen Einfallsreichtum. Leicht gestorben wird in "Frozen" nicht, und die Kamera ist stets dabei!
Logik ist ein unbarmherziges Enteisungsmittel
Bekanntlich sollte der Horrorfilmfan nicht allzu intensiv über die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse nachdenken, die ihm primär zum Zweck der Unterhaltung präsentiert werden. Manchmal treiben es vor allem die Drehbuchautoren gleichwohl so wild, dass dieser gute Vorsatz einfach in Stücke gerissen wird. Auch "Frozen" liefert uns einige Klassiker angewandter Hollywood-Dummheit:
- Die Urzeit-Parasiten haben 20000 Jahre im Ei-Stadium überdauert. (Das ist B-Film-Logik, die der Zuschauer bereitwillig akzeptiert.) Erst jetzt schlüpfen sie in der Wärme aus. Als das im Lager geschieht, erleben wir es hautnah mit, was mit spektakulären Ekel-Szenen dargestellt wird. Woher kommen aber die bereits ausgewachsenen Einzel-Schmarotzer, die viel früher durch die Luftschächte geistern? Das ist Quatsch und soll Autorenfaulheit bemänteln, denn die einzige Antwort lautet: Sie sind dort, um dumme Teenies und den armen Bart zu infizieren, damit später Dramatisches geschieht.
- Wieso glaubt jeder Autoren-Depp, dass Geräusche das Bedrohungspotenzial eines Untiers steigern? Lewis & Lewis lassen die insektoiden Parasiten QUIETSCHEN, was sich so lächerlich anhört, wie es in der Beschreibung wirkt.
- Wer hat den riesigen Eisbären von der Außenstation ins Hauptlager geschleppt? Und warum? (Antwort: Weil ein toter Eisbär im Labor gruseliger wirkt als eine Gewebeprobe unter dem Mikroskop.)
- Als Bart dem übergeschnappten und inzwischen bewaffneten Federico einen Kinnhaken versetzt, wäre dies die ideale Möglichkeit, ihm das Gewehr abzunehmen. Das geschieht selbstverständlich nicht, damit Federico weiter drohend damit herumfuchteln kann.
Wiederum B-Film-Logik ist dagegen, dass der Helikopter mit dem Bösewicht zu guter Letzt nicht irgendwo in den Tundra-Boden, sondern zielgenau in das Kruipen-Lager gerammt wird, das daraufhin mit allen Eiszeit-Parasiten in Flammen aufgeht. Doch gemach: Waren es wirklich ALLE Parasiten …? Eine Fortsetzung wird nicht nur angedeutet; über ihre Realisierung entscheidet keine Klima-Katastrophe, sondern das Einspielergebnis.
Anmerkung 1: Wie man eine vorzeitliche Macht wesentlich intensiver und auch spannender in Szene setzen kann, demonstrierte Regisseur und Drehbuchautor Larry Fessenden in dem 2006 entstandenen und "Frozen" thematisch und inhaltlich sehr ähnlichen "The Last Winter".
Anmerkung 2: Eben diesem Larry Fessenden verdanken wir "Cabin Fever 2 - Spring Fever" (2009), womit die Quadratur des Kreises "Cabin Fever" - "Last Winter" - "The Frozen" - "Cabin Fever 2" zumindest in Hollywood ermöglicht wurde …
Das Eis wird dünner, der Val immer dicker
Da "Frozen" nicht nur in Kanada gedreht wurde, sondern als kanadisch-amerikanische Koproduktion entstand, rekrutierte man die meisten Darsteller vor Ort. Seit das US-Fernsehen den dank günstiger Drehkosten jenseits der Nordgrenze lockenden Nachbarn entdeckt hat, ist dort eine stabile Infrastruktur entstanden, deren Mitglieder auf Abruf bereitstehen. Beispielsweise wurde Martha MacIsaac zwar am Ende der Welt auf Prince Edward Island geboren, ist aber dem Gruselfreund möglicherweise schon als übel traktiertes Opfer in der Neuverfilmung von "The Last House on the Left" (2009) aufgefallen.
Prominent ist sie allerdings nicht, was auf die übrigen "Frozen"-Darsteller ebenfalls zutrifft. Es stört nicht. Die Schablonen des Genres haben nichtsdestotrotz auch die Kanadier verinnerlicht, sodass Rollen wie der Held, die Heldin, der Feigling, die Schlampe und der taffe Alibi-Schwarze niemals durch Klischee-Brüche irritieren. Auch zwischenzeitliche Nickerchen werfen den Zuschauer deshalb nicht aus der Bahn.
Zwischen den Nobodys irritiert der Schauspieler Val Kilmer. Wieso engagiert man ihn, um ihn dann in eine Nebenrolle abzuschieben, die nur zu Beginn und in den Finalminuten auftaucht? Kilmer war einmal ein sogenannter "Superstar", aber zuletzt sah man ihn verstärkt in "direct-do-DVD"-Produktionen agieren. Ist er aus Frust über den Karriereknick so feist geworden? Seine Rolle spielt er als Profi jedenfalls wie im Schlaf - und das darf man wörtlich nehmen.
Schauwerte sorgen für wohlige Schauder
Nichts auszusetzen gibt es am reinen Filmhandwerk. "Frozen" wurde schnell und kostengünstig aber nicht billig realisiert. Die Außenaufnahmen entstanden tatsächlich in freier Natur. Zwar zog die Filmcrew nicht wirklich in die Arktis, aber man richtete sich nahe Dog Creek in der Provinz British Columbia weit außerhalb der Zivilisation ein. Dass die Aufnahmen im Inneren des Lagers im Studio gedreht wurden, wird nie als limitierender Faktor deutlich - die Weite der grandiosen Landschaft ist stets gegenwärtig.
Nicht geknausert wurde auch an den Spezialeffekten, die sich dem blutigen Wirken der Parasiten widmen. Manchmal wird der CGI-Faktor ein wenig zu offensichtlich, aber trotzdem bleiben genug Szenen, in denen sogar der ekelresistente Zuschauer trocken schluckt; selten wirkte beispielsweise die Amputation eines Arms per Schlachterbeil so überzeugend wie hier. Auch das Wuseln der Käfer in offenen Wunden verfehlt seine Wirkung nicht. (Wenn sie dabei nur nicht wieder quietschen würden!) Auch fühlt man instinktiv mit Federico und Ling, die beim Beischlaf jeweils an fataler Stelle von Parasiten befallen werden. (Unzucht führt erst zu Spaß und dann zu strenger Strafe - auch das ist ein ehrwürdiges Horrorwood-Horrorfilm-Prinzip.) Das ersetzt zwar keine gute Story, ist aber das Salz für einen ansonsten permanent durchschnittlichen Film, der immerhin nicht durch die Nonsens-Notfallschaltung des Hirns aus dem Gedächtnis gelöscht werden muss.
Daten
Originaltitel: The Thaw (USA/Kanada 2009)
Regie: Mark A. Lewis
Drehbuch: Mark A. Lewis, Michael Lewis
Kamera u. Schnitt: Rob Neilson
Musik: Michael Neilson
Darsteller: Martha MacIsaac (Evelyn Kruipen), Aaron Ashmore (Atom Galen), Kyle Schmid (Federico Fulce), Steph Song (Ling Chen), Viv Leacock (Bart), Val Kilmer (David Kruipen), Anne Marie DeLuise (Jane Sanders), John Callender (Edward), Alejandro Rae (Rob) u. a.
Label/Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment (www.ascot-elite.de)
Erscheinungsdatum: 24.09.2009 (Leih-DVD) bzw. 22.10.2009 (Kauf-DVD u. Blu-ray)
EAN: 7613059800953 (Leih-DVD) bzw. 7613059900950 (Kauf-DVD) bzw. 7613059400955 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1; anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 90 min.
FSK: 16
DVD-Features
Die Extras zum Hauptfilm beschränken sich auf ein 14-minütiges Filmchen, das einerseits interessante, aber viel zu wenige Impressionen von den Dreharbeiten zeigt, während sich andererseits Darsteller, Regisseur und Drehbuchautor gegenseitig schamlos mit Lobeshymen überhäufen, deren Zweck allzu deutlich darin liegt, "Frozen" als DAS Filmereignis des Jahres (oder der Filmgeschichte) zu bewerben. Glücklicherweise stellen sich alle Beteiligten dabei so ungeschickt an, dass der erhoffte Effekt verpufft bzw. die grobschlächtige Machart den Zorn des Zuschauers erregt. Eventuell findet der "Frozen"-Käufer Trost in der Darreichung der DVD, die nach Auskunft des deutschen Vertriebs "im edlen Stülper mit Silberfolie" präsentiert wird, was hoffentlich nicht so komisch aussieht wie es klingt.
- Redakteur:
- Michael Drewniok