Full Contact
- Regie:
- Ringo Lam
- Jahr:
- 1993
- Genre:
- Action
- Land:
- Hong Kong
- Originaltitel:
- Xia dao Gao Fei
1 Review(s)
01.10.2006 | 20:33Hintergrund
Der Name Chow Yun-Fat ist unweigerlich mit zwei Dingen verknüpft: 1. Hongkong-Kultregisseur John Woo und 2. dem Genre des Heroic Bloodshed (auch Hong Kong Blood Opera - HKBO- genannt). Yun-Fat hatte am Erfolg beider Punkte einen großen Anteil. Im Jahr 1986 war er es, der in John Woos "A Better Tomorrow" den Archetyp des coolen (Anti-)Helden verkörperte, der im Hongkongkino dieser Zeit noch häufig Gebrauch finden sollte. "Hard Boiled" markierte 1992 den Höhepunkt des „Heroic Bloodshed“, Yun-Fat stieg zum absoluten Kultdarsteller auf. In der Rolle des „Inpector Tequilla“ ließ Yun-Fat es ordentlich krachen, schoss mit zwei Waffen gleichzeitig in Zeitlupe ganze Gangsterhorden über den Haufen, nutzte die Umgebung der Schusswechsel als Spielwiese für spektakuläre Manöver und wirkte dabei zehn Mal cooler als Neo in der gesamten Matrix Trilogie! Neben den zentralen Themen der brüderlichen Freundschaft und Ehre stand vor allen Dingen die Gewalt im Mittelpunkt. Die stilisierten Schusswechsel strotzten nur so vor Blutrünstigkeit, waren aber so ansehnlich, dass man über den hohen Grad an visueller Gewalt hinwegsah und sich gar daran erfreute. Die deutschen Jugendschützer sahen das natürlich anders, weshalb viele der genannten Filme auf dem Index landeten. Auch Ringo Lams ("Maximum Risk") 1993-er Output "Full Contact" dürfte dieses Schicksal ereilen, verweigerte die FSK ihm doch die Freigabe (der Film kommt mit dem JK/SPIO Siegel in den Handel). Lam inszenierte mit "Full Contact" einen weiteren Teil der überaus beliebten Hong Kong Blood Opera - selbstverständlich mit Chow Yun-Fat in der Hauptrolle!
Handlung
Jeff (Chow Yun-Fat) arbeitet hauptberuflich als Rausschmeißer in einem Bangkoker Nachtclub. Nebenbei verdient er sich mit üblichen dunklen Machenschaften seinen Unterhalt. Als sein Freund Sam (Anthony Wong, "Infernal Affairs") wegen Spielschulden Probleme mit dem örtlichen Mobboss bekommt, schließt er sich widerwillig einer verrückten und gefährlichen Gang an. Deren Anführer Judge (Simon Yam) führt jedoch nichts Gutes im Schilde. Wie nicht anders zu erwarten war, wird Jeff von Judge und seiner Gang hintergangen, sein Bruder wird getötet und zu allem Überfluss wechselt auch noch Sam die Seiten, der Jeff sogar den Gnadenstoß versetzt. Von den Medien für tot erklärt und von seinen Feinden für tot gehalten, sinnt Jeff auf Rache. Judge hat ihm seinen Bruder, zwei Finger und seinen besten Freund genommen - doch das Wichtigste konnte er behalten: sein Leben. Er nimmt ein hartes Training auf, trainiert seine Fähigkeiten an der Waffe und stärkt seine Physis, um einen blutigen Rachefeldzug durch Bangkok und Hongkong anzutreten.
Kritik
"Full Contact" ist ein asiatisches Remake von John Boormans "Point Blank" (1967). Tiefgründige Geschichten standen noch nie im Vordergrund der Heroic-Bloodshed-Filme. Die klassische Rächerstory des Originals, die man auch in unzähligen Genrefilmen gesehen hat, wird hier nicht im Geringsten modifiziert oder erweitert. Wie für HKBO üblich, zählen in erster Linie die Action und das Gewaltspektakel. Der Hauptdarsteller ist die Story und die Schießereien sind die Dialoge. Wer andere Ansprüche an Filme hat, kann bereits hier aufhören zu lesen.
Große Überraschungsmomente bleiben während der Handlung aus, die Geschichte ist stark auf die vielen Actionsequenzen ausgelegt. Anders als John Woo inszeniert Ringo Lam seine Schießereien aber ohne eine aufwendige Choreographie - die Protagonisten hängen weder an Kronleuchtern, noch springen sie von einem Servierwagen zum anderen, während sie die Feinde unter Beschuss nehmen. Lam geht einen geradlinigeren Kurs, ohne aber das Spektakel außen vor zu lassen. Im Vergleich fühlt man sich fast dazu hingerissen, "Full Contact" realistische Schusswechsel zuzusprechen (sieht man vom Oberbösewicht und seinem Waffenumgang mal ab). Wirklich realistisch geht es aber dennoch nicht zu. Der hirnlose, muskelbepackte Hüne und sein M16-Sturmgewehr haben ebenso ihren Auftritt, wie zahllose explodierende Autos und einstürzende Häuser. Es wird dick aufgetragen, zivile Opfer mit inbegriffen.
Ein weiterer Unterschied zu den John Woo Filmen ist, dass es in "Full Contact" keine aufrichtig gute Person gibt. Anti-Held Jeff wirkt nur im Vergleich zu den Psychopathen wirklich sympathisch, bleibt aber eine düstere und verkommene Person. Aus Mangel an Alternativen weckt er dennoch Sympathien und zieht den Zuschauer als Identifikationsfigur mitten ins Geschehen. Neben dem homosexuellen Oberbösewicht, dem hirnlosen Hünen und der nymphomanischen Killerbraut ist Jeff der strahlende Held, der für seine Ideale und eine bessere Welt kämpft.
Das Setting des Films ist für eine 92-er Produktion mehr als ungewöhnlich. Sowohl Bangkok, als auch Hongkong schreien nach den 80-ern - knalliges Neonlicht und die eindeutige Mode sprechen eine eindeutige Sprache und geben dem Film eine besondere Note.
Der hohe Level an Gewalt und die schiere Coolness Chow Yun-Fats kompensieren glücklicherweise die dünne und stellenweise hanebüchene Story, Ringo Lams tolle Visualisierung setzt dem bleihaltigen Treiben jedoch die Krone auf. Gegen Ende kommt die legendäre „BulletCam“ zum Einsatz, eine Kameraperspektive, die dem Zuschauer die Sicht einer Kanonenkugel offenbart. Der finale Einschlag wird so deutlich intensiver, zelebriert das Drücken des Abzugs förmlich. Neben der generell recht schönen Kameraführung ist es diese „BulletCam“, die "Full Contact" so besonders macht.
Wie oben bereits beschrieben, ist der Hauptdarsteller die Story, die Schießereien die Dialoge. Die eigentliche Handlung ist ein Rahmenkonstrukt, auf das nicht weiter Wert gelegt wird. Somit wäre ein schwacher Protagonist das Todesurteil für diesen Film. Glücklicherweise stand Regisseur Ringo Lam mit Chow Yun-Fat einer der Kultstars des Hongkongkinos zur Verfügung. Allein Yun-Fats Präsenz in einem HKBO-Film macht den Unterschied. So verwundert es auch nicht, dass er das Schlüsselelement des Films ist, um den Zuschauer zu begeistern. Yun-Fats Spiel ist gekonnt, lässig und in gewisser Weise (anti-)heroisch, prägt den Film aber von der ersten Minute an. Doch auch die Nebenrollen sind stark besetzt. Anthony Wong setzt als Jeffs bester Freund einen tollen Gegenpunkt und Simon Yam ist mindestens so schräg wie sein Filmcharakter.
Die DVD
„High Definition Remastered“ prangt es auf einem silbernen Infostreifen am oberen Rand des Covers. Was auf den ersten Blick wie eine protzige Werbung wirkt, hat massive (positive) Effekte auf das Bild der DVD.
Der anamorphe 1.85:1 Transfer glänzt für einen asiatischen Film dieser Zeit mit einer guten Schärfe, einem guten Kontrast und kräftigen Farben, bei nur leichtem Rauschen. Einige Dropouts waren nicht zu verhindern und der Schwarzwert schwank auch ein wenig. Insgesamt ist das Ergebnis von e-m-s aber mehr als gelungen und verdient ein dickes Lob!
Beim Ton sieht es ähnlich aus. Drei Tonspuren befinden sich auf der Disc, je eine DD5.1 Spur in kantonesischer und deutscher Sprache und eine DTS Spur in letztgenannter Sprache. Diese kommt auch mit dem sattesten Bass daher und bringt das Wohnzimmer stellenweise zum Beben. Nicht ganz so kräftig präsentieren sich die Dolby Digital Tonspuren, die jedoch mit einer größeren Fülle an Umgebungsgeräuschen aufwarten können. Das Klangbild wirkt breiter und aufwändiger. Von der Originaltonspur ist abzuraten, da die Dialoge fürchterlich übersteuern und arg rauschen. Außerdem ist der Originalton bei den Umgebungsgeräuschen merklich leiser. Die Schießereien sind klasse vertont und liefern einige direktionale Effekte, vornehmlich werden die Rears aber vom rockigen Score gefordert.
Die Extras sind leider recht mau ausgefallen. Einzig der Originaltrailer befindet sich auf der DVD, die hauseigene Trailershow und optionale deutsche Untertitel dürfen als Standard nicht fehlen.
Fazit
"Full Contact" (Uncut Edition) ist ein geradliniger Hongkong-Actioner, der exemplarisch für das chinesische Heroic-Bloodshed-Genre steht. Moral, Recht und Unrecht werden hier nicht hinterfragt, Story und Dialoge auch nicht. Wilde Schusswechsel, Explosionen und Blut stehen im Vordergrund, ein wenig Sex nicht zu vergessen. Freunde der (indizierten) John Woo Klassiker "A Better Tomorrow" und "Hard Boiled" können hier bedenkenlos zugreifen. Chow Yun-Fat garantiert dem Hongkong-Actionfreund mal wieder einen bleihaltigen Filmgenuss, der jenseits von Gut und Böse anzusiedeln ist und wenig auf Substanz achtet. Geradlinig in der Inszenierung, optisch gelungen und dank des Hauptdarstellers verdammt cool. Hirn aus, Bier auf und Film ab!
- Redakteur:
- Martin Przegendza