Harry Potter - Der Gefangene Von Askaban
- Regie:
- Alfonso Cuaron
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Fantasy
- Land:
- U.S.A.
- Originaltitel:
- Harry Potter and the Prisoner of Azkaban
1 Review(s)
04.06.2004 | 14:32Harry Potter ist ein Phänomen. Binnen weniger Jahre erklomm Joanne Rowling mit ihrem Romanzyklus den Olymp der erfolgreichsten Bücher der Welt und schuf eine Geschichte, wie sie in der Szene von Fantasylesern umstrittener nicht sein kann. Entweder man hasst Harry Potter heiss und innig, oder man liebt ihn genauso.
Und die Argumente der Kontrahenten sind nicht von der Hand zu weisen. Einerseits ist Harry Potter eine sehr dreist zusammengeklaute Kollage aus der Welt der Fantasyliteratur, eine fantastische Seifenoper, ein "Oliver Twist" im Zauberland. Gleichzeitig brilliert die Serie durch etwas, was die wenigsten Schriftsteller sich getraut haben: Das Magische wird entzaubert, und nicht mehr als Rarität und Extravaganz dargestellt, sondern als etwas völlig Normales, quasi als Haushaltsbestandteil. Rowling kippte die normalen Fantasystories einfach um und erklärte die Magie zum Hintergrund für das Menschliche, und nicht anders herum. Der Hauptdarsteller, ein Kind auf der Schwelle zum Teenager, darf sich weniger mit den Tücken der Magie rumschlagen, als mit den Tücken der menschlichen Vielfalt, in all ihren Facetten und Gefahren. Das ganze in einer Sprache geschrieben, die selbst der anspruchloseste Leser problemlos verstehen kann.
Ein weiteres Argument für dieses Anti-Epos sind die dazu erschienenen Filme. Man hätte sich sehr leicht auf einen billigen Abklatsch der Schrift einstellen können, der Kritiker und Filmkenner auf die Barrikaden gebracht hätte, aber trotzdem enorme Erfolge gefeiert hätte. Die Fans würden doch schließlich eh alles schlucken, was nur mit "Harry Potter" betitelt wäre, wie man es bei vielen Comicverfilmungen sieht, die in regelmäßigen Abständen auf den Markt gerotzt werden.
Die ersten beiden "Harry Potter"-Filme verzauberten durch ihre Detailverliebtheit, die schon die schriftliche Vorlage auszeichnet, und die genaue, wenn auch etwas unspektakuläre, Einhaltung der Vorgaben von anspruchsvollem Mainstreamkino.
Das ändert sich jetzt mit dem Erscheinen der neuesten Verfilmung des Potter-Zyklus, "Harry Potter und der Gefangene von Askaban".
Zur Story (die eh fast jeder kennt):
Harry Potter hat es satt, sich dauernd von seinen gehässigen, nichtmagischen Verwandten Sprüche über sich und seine Eltern anhören zu müssen. Als seine Tante Magda wieder einmal den Vogel abschießt, rastet Harry aus und lässt sie wortwörtlich in die Luft gehen. Fortan geistert Magda als Ballon durch die Luft, und Harry verdrückt sich samt Koffer in Richtung Nirgendwo. Er wird aber bald abgefangen und entgegen seiner Erwartung nicht von seiner heissgeliebten Zauberschule Hogwarts verwiesen, sondern ohne große Umschweife darauf hingewiesen, dass Sirius Black, einer der Gefolgsleute von Voldemort (Du-Weisst-Schon-Wem), aus Askaban, dem Alcatraz für Zauberer, ausgebrochen ist.
Als Harry in der Schule ankommt, stehen gleich ein paar Überraschungen bereit: Es gibt einen neuen Lehrer für die Bekämpfung der dunklen Mächte, Professor Lupin, der Harry noch im Schulzug vor einem mächtigen Dementor beschützt, einem der nichtmenschlichen Gefängniswächter Askabans, die fortan die Schule beschützen sollen. Zudem bekommt er erstmals Unterricht im Fach Wahrsagen, unterrichtet von der etwas paranoiden Professorin Trelawney. Während seines Schuljahres kommt immer wieder heraus, dass er durch seinen früheren Kontakt extrem anfällig für die Macht der düsteren Dementoren ist, welche ihren Opfern die Seele aussaugen. Als sein Lieblingsfeind Draco Malfoy durch eigene Dummheit dafür sorgt, dass "Seidenschnabel", ein Hippogreif und neuester Spielgefährte des hünenhaften Hagrid, hingerichtet werden soll, kommt eine Reihe von Ereignissen in Schwung, in denen Harry sich mit der zweifelhaften Schuld von Sirius Black, der Ratte seines besten Freundes Ron Weasley und dem Tod seiner Eltern befassen muss. Am Ende ist nichts mehr so wie es war, Gut und Böse verschwimmen und Harry wird wieder einmal an die Grenzen seiner Zauberkraft getrieben.
Zum ersten Mal führte Alfonso Cuaron bei einem Potter-Streifen Regie. Die Veränderung zu den beiden Vorgängerfilmen ist fast greifbar. Zum einen sind die früher kindlichen Darsteller gewachsen, äußerlich und innerlich. Harry Potter fährt schon am Anfang des Films sichtbar wegen einer, im Vergleich zu den früheren Bosheiten seiner Verwandten, Lappalie aus der Haut. Hermine kleidet sich deutlich modischer, Ron fürchtet die weibliche Präsenz wie das Feuer und Harry stylt sich die Haare. Deutliche Anzeichen vom Absprung mitten in den freien Fall der Pubertät.
Ein großes Plus stellen die neu dazugekommenen Schauspieler dar. Emma Thompson spielt die hysterische Wahrsagerin Trelawney souverän und ohne dabei abzuheben, David Thewlis spielt mit dem gutmütigen Professor Lupin mit seiner locker-verschmitzten Art, die seine eindeutige Stärke darstellt, und Charaktergrande Gary Oldman brilliert mit seiner düsteren Darstellung des verzweifelten Sirius Black.
Alleine dieses Aufgebot an englischer Schauspielprominenz lässt deutlich werden, dass Mrs. Rowling sich nicht mit halben Sachen zufrieden gibt, sondern darauf beharrte, ihre Schrift adäquat auf Leinwand gebannt zu sehen.
Zu den gravierensten Veränderungen zählt vor allen Dingen, dass Cuaron sich nicht mehr mit der Darstellung des zauberhaften Hogwarts aufhält, sondern sich fast ausschließlich auf seine Charaktere konzentriert: Wo sein Vorgänger Chris Columbus seine Kamera durch die aufwändig inszenierten Säle und Gänge schweben ließ, lässt Cuaron lieber die einschüchternde Macht der Dunkelheit wirken. Dunkelheit und Zwielicht ist die vorherrschende Stimmung im Film, durch den sich die drei Hauptdarsteller nicht mehr so locker durchmogeln wie in den beiden ersten Büchern/Verfilmungen. Dieses Mal sind Harry und Co. mit extremen Schwierigkeiten konfrontiert.
So bleibt dem Zuschauer auch nicht lange verborgen, dass diese Verfilmung weniger Verfilmung als eigene Interpretation des Rowling'schen Fantasyscripts ist. Abschied wird hier nicht nur von der unbekümmerten Leichtigkeit der ersten beiden Teile genommen, sondern auch von der filmisch simplen Umsetzung des Ganzen. Columbus hat bisher dafür gesorgt, dass die Geschichte sich selbst erklärt und mit Hilfe eines kompletten Bataillons an Computerkünstlern dafür gesorgt, dass der Zuschauer sich nicht zu viel Gedanken über die Schauspieler und die Handlung macht.
Jetzt ist Nachdenken angesagt, und nicht nur für Harry Potter, der sich wieder mal mit einer Vergangenheit konfrontiert sieht, an die er sich eigentlich überhaupt nicht erinnern kann. Der Zuschauer sieht sich mit einer Vielfalt an Ereignissen konfrontiert, die das Geschehen in und um Hogwarts mehr als undurchsichtig erscheinen lassen. Die Fronten sind längst nicht so klar wie in den ersten Teilen. Draco Malfoy zum Beispiel war in den beiden ersten Teilen immer derjenige, der dafür gesorgt hat, dass die Story in Schwung bleibt. In "Der Gefangene Von Askaban" wird er jedoch zu einem bloßen Statisten degradiert, der eine gezimmert kriegt und danach stillzuschweigen hat.
Der dritte Teil der Potter-Filme begeistert eigentlich ausnahmslos. Kenner werden sich zwar mal wieder daran stören, dass Rowling zu viel an ihrem Original rumgebastelt hat um das Buch filmtauglich zu machen, und dass Cuaron hier den Frevel begeht und Hogwarts zur Nebensache verdammt, aber "Der Gefangene Von Askaban" ist der erste Film der Reihe, der auch ohne Buchvorlage begeistern könnte. Cuaron wusste genau, dass er ein unglaubliches Aufgebot an fähigen Darstellern zu bewältigen hat, und jeder die Chance braucht, sein Talent auch mit dem jeweiligen Charakter zu präsentieren. Das hat er überzeugend und flüssig organisiert (auch wenn mir persönlich Gary Oldman viel zu kurz darin vorkam). Zwar geht diese Vielfalt an Charakteren deutlich zu Lasten der visuellen Effekte und des Bewegungsraumes des Kameramanns, aber das lässt sich ohne weiteres verkraften, wenn man mit abgekauten Fingernägeln beobachtet, wie Harry Potter sich mit Dementoren und Werwölfen rumschlagen darf.
"Der Gefangene von Askaban" ist der beste Film der Reihe, begeistert durch die klasse Leistung seiner Darsteller, der fähigen Umsetzung von Regisseur Alfono Cuaron und der ohnehin bezaubernden Buchvorlage. Durch seine düstere Atmosphäre und der Tatsache, dass dies durch Darsteller und Handlung tatsächlich ein eigenständiger Film sein könnte, ist dieser Film nicht nur für Fans Pflichtprogramm.
- Redakteur:
- Michael Kulueke