Headhunters
- Regie:
- Morten Tyldum
- Jahr:
- 2011
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Norwegen
- Originaltitel:
- Hodejegerne
1 Review(s)
17.09.2012 | 16:49Thriller mit Moral: Der Bilderdieb auf Höllenfahrt
Roger Brown (Aksel Hennie) hat alles: Er ist einer der erfolgreichsten Headhunter, verheiratet mit der schönen und geheimnisvollen Galeristin Diana (Synnøve Macody Lund) und im Besitz einer traumhaften Villa. Doch, was niemand weiß, er führt ein Doppelleben: Den luxuriösen Lebensstil finanziert er, indem er seine Klienten ausraubt. Seine Spezialität: kostbare Kunstwerke.
Als er für ein namhaftes GPS-Unternehmen einen neuen Geschäftsführer finden soll, lernt er den Geschäftsmann Clas Greve (Nikolaj Coster-Waldau) kennen. Er scheint der perfekte Kandidat für den Job zu sein. Während die Männer ins Geschäft kommen, erfährt Brown nebenbei, dass Greve im Besitz eines lange verloren geglaubten Gemäldes von Rubens ist.
Brown sieht die Chance auf einen letzten großen Coup, der all seine Geldprobleme lösen soll. Er stiehlt das Bild. Rasch stellt sich jedoch heraus, dass er in Clas Greve einen ebenbürtigen Gegner gefunden hat. Denn was dann passiert, übersteigt alles Vorstellbare. Und zwingt Brown, um sein Leben zu rennen. Eine gnadenlos brutale Verfolgungsjagd beginnt. (Cinefacts.de)
Filminfos
O-Titel: Hodejegerne (NOR 2011)
Dt. Vertrieb: NFP/Warner
EAN: 5051890104649
VÖ: 21.09.2012 [Kauf-DVD]
FSK: ab 16
Länge: ca. 96 Min.
Regisseur: Morten Tyldum
Drehbuch: Jo Nesbo, Lars Gudmestad, Ulf Ryberg - nach dem Roman von Jo Nesbö
Darsteller: Aksel Hennie (Roger), Nikolaj Coster-Waldau (Clas Gerre), Eivind Sander (Ove Kirkerud), Synnöve Macody Lund (Diana) u.a.
Handlung
Headhunter Roger Brown (Hennie) kompensiert seine unzureichende Körpergröße von 1,65 m auf verschiedene Weise: eine Millionenhütte, die er sich eigentlich nicht leisten kann; eine klasse Frau (Lund), der er kein Kind gönnt; eine Geliebte namens Lotte, die er disst - und v.a. durch ein aufregendes Nachtleben als Kunstdieb. Kaum hat er einen Kandidaten auf seinem Sofa im Büro, fragt er ihn schon aus, ob er oder sie Kunstwerke sammelt. Ein Anruf genügt, und Ove (Eivind Sander) von der Sicherheitsfirma schaltet die betreffende Alarmanlage aus, so dass Roger unbehelligt eindringen und zuschlagen kann.
Diana, die Göttliche, eröffnet ihr eigene Kunstgalerie, und macht ihn mit dem niederländischen Geschäftsmann Clas Greve (Nikolaj Coster-Waldau aus "Game of Thrones") bekannt. Im Handumdrehen horcht Roger auch diesen Kandidaten aus. Mikroelektronik? Soso, wie interessant. Der ideale Kandidat für eine Stelle in einem norwegischen GPS-Unternehmen. Einen kleinen Schrecken versetzt ihm allerdings, dass auch Kommissar Svärre auf der Vernissage anwesend ist - er ist bekanntermaßen hinter dem notorischen Kunstdieb her, der Oslo unsicher macht...
Fette Beute
Noch viel besser findet Roger, dass ihm Diana steckt, Greve sei im Besitz eines seit 1941 verschollen geglaubten Rubens. Klar, dass Roger sofort Ove anruft. Doch Ove hat gerade die russische Nutte Natascha bei sich zu Besuch. Er dreht gerade heimlich einen Überwachungsfilm mit ihr: Ove hat sein gesamtes Heim mit Überwachungskameras bestückt, über die seine Kollegen live und in Farbe Oves sexuelle Eskapaden und Nataschas Reize verfolgen (und aufzeichnen) können. Außerdem liebt Ove alles, was ballern kann: Er hat seine ganze Wohnung mit Waffen bestückt (und liefert sich mit Natascha heiße Gefechte). Beide Umstände sollen später noch eine entscheidende Rolle spielen....
Denn der Diebstahl des Rubens geht keineswegs reibungslos über die Bühne. Als er Kinder sieht, denkt Roger an Diana und ruft sie an. Seltsamerweise klingt es nicht bei ihr daheim, sondern in Greves Wohnung: Es ist ihr Handy, dass neben Greves Bett liegt. Roger gerät ins Grübeln und sieht seine Frau fortan mit anderen Augen.
Abstieg in die Hölle
Nicht genug damit. Als er am anderen Morgen mit seinem Lexus aus der Garage fahren will, um den geklauten Rubens bei einem schwedischen Hehler zu verhökern, findet er Ove in seinem eigenen Auto leblos vor. Roger entdeckt eine versteckte Spritze auf dem Autositz. Gerade will er Ove in einem Bergsee entsorgen, als dieser wieder auftaucht! Jemand ist hinter Roger her, das ist klar. Könnte es sein, dass der Exsoldat Clas Greve ein weitaus gefährlicherer Gegner ist, als Roger erwartet hat?
Ein Alptraum beginnt, der kein Ende zu nehmen scheint...
Mein Eindruck
Roger Brown ist ein richtiges Charakterschwein, doch diesmal begibt er sich auf einen Orbit, von dem er entweder gar nicht oder völlig verändert zurückkehrt. Zunächst sieht es ganz danach aus, als hätte er nicht den Mumm dazu, um es mit dem unsichtbaren Gegner aufzunehmen. Der Kerl spürt ihn immer wieder auf. Aber wie bloß? Roger erinnert sich an das, was Greve bei den Meetings gesagt hat. Er hat als Terroristenjäger ein Haargel erfunden, das aus lauter kleinen Nano-Sendern besteht und dessen Träger sich mit einem entsprechenden Scanner mühelos aufspüren lässt. Nur eine Radikalschur kann Roger "unsichtbar" machen. Fortan ist er nicht mehr der gleiche.
Die Maßnahmen, die Roger ergreifen muss, um seinem Häscher zu entgehen, sind extrem. Einmal versteckt er sich in den Exkrementen unter einem Klohäuschen, mit einer Klopapierrolle als einziger Luftzufuhr. Na, wenn dieses Bild mal keinen Symbolwert hat! Eine weitere Szene ist der Kampf mit Greves russischem Kampfhund (diese Rasse ist in Europa verboten). Zu guter Letzt fliegt er in einem Polizeiauto in einen Abgrund. Und er muss sich tot stellen, um dem kritischen Blick seines Verfolgers standhalten zu können. Dass der Held den Tod überwinden muss, gehört zu den Stationen seines Mythos.
Dass hinter der ganzen Verfolgungsjagd handfeste wirtschaftliche Interessen stecken, kann sich der Zuschauer an den fünf Fingern ausrechnen. Für Roger stellt sich jedoch die Frage, welche von seinen beiden Frauen ihn an Greve verraten hat. Beide sind ihm mit ihren Fingern durchs Haar gefahren, was sie normalerweise nicht tun. Ist die goldene Amazone Diana die Verräterin? Dafür spricht die Präsenz ihres Handys neben Greves Bett. Oder hat Lotte etwa Rachegelüste ausgelebt, weil Roger sie sitzenließ?
Hier darf nichts weiter verraten werden, aber den Zuschauer erwarten garantiert weitere Überraschungen. Nicht alle davon sind besonders gut begründet. Das liegt sicher an den Kürzungen, die das Drehbuch gegenüber dem Roman vornimmt.
Schauspieler
Aksel Hennie ist als Roger Brown vielleicht nicht die Idealbesetzung, aber seinen großen, umherirrenden Augen merkt man an, dass er unsicher ist und diese Unsicherheit kompensiert. Roger kann kaum glauben, dass er eine solche Klassefrau wie Diana neben sich im Bett haben darf, und seine Angst, sie zu verlieren, weil er ihr Kind schenkt, ist ein starkes Motiv, das durchaus glaubwürdig wirkt.
Nikolaj Coster-Waldau spielt in "Game of Thrones" den bösen Ritter Jaime Lannister. Wie dort sieht er auch hier verdammt gut aus. Anfangs scheint er der Gute in diesem Stück zu sein, der von Roger bestohlen wird, doch dieser Eindruck erweist sich nach etwa der Hälfte des Films als (weitere) raffinierte Täuschung des Regisseurs. Clas Greve nimmt man ab, dass er Diana für seine Zwecke einspannt. Allerdings bleibt sein Motiv bis zum Schluss ein Geheimnis.
Synnöve Lund spielt die goldene Amazone des Stücks. Mit stolzen 1,84 Metern überragt sie Aksel Hennie um fast 20 Zentimeter. Klar, dass sein Roger denkt, er habe was gutzumachen. Erstaunlich ist jedoch, dass Lund im wahren Leben eine bekannte Filmkritikerin ist, die kaum über Schauspielerfahrung verfügt. "Lotte" ist im Vergleich dazu ihre unscheinbare Rivalin, die wenig Chancen bei Roger hat. Aber man sollte sie nicht unterschätzen, wenn sie mal ein Küchenmesser in den Händen hält...
Eine unvergessliche Show liefert Eivind Sander als Ove Kirkerud ab. Er ist eigentlich bloß ein Erfüllungsgehilfe des Hauptdarstellers, doch er bleibt uns trotzdem als völlig durchgeknallter Waffennarr und Sexfreak in Erinnerung. Aus dem Making-of erfahren wir, dass sich Sander immer intensiv auf seine Rollen vorbereitet. Er studierte und testete vier Tage lang, wie sich eine Leiche verhält - und man hat selten eine so glaubwürdige "Leiche" gesehen!
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
Tonformate: Dolby Digital 5.1 in Deutsch, Norwegisch in DD 5.1 (mit OmU)
Sprachen: D, Norwegisch
Untertitel: D, NOR
Extras:
- Trailer
- Trailershow
- Interview mit dem Hauptdarsteller
- Behind the scenes (= Making-of)
Mein Eindruck: die DVD
Obwohl dies keine Blu-ray ist, liegen Bild und Ton doch auf einem sehr zufriedenstellenden Qualitätsniveau vor. DD 5.1 als Tonstandard ist zwar nicht das höchste der Gefühle, reicht aber für diese Kombination aus Drama, Thriller und Action völlig aus. An Untertiteln liegen nur Deutsch und Norwegisch (mit dt. Untertiteln) vor.
EXTRAS
1) Originaltrailer (1:35 min)
Der Vorschaufilm vermittelt Impressionen von den optischen Höhepunkten der Handlung, ohne jedoch die Story oder gar die Lösung des Rätsels preiszugeben.
2) Behind the Scenes (21:40 min)
Eigentlich müsste dies dem Titel nach eine B-Roll zu den Dreharbeiten sein. Aber dies trifft nur zum Teil zu. Der Regisseur dieser Doku hat offenbar nachgedacht und sich einen Spannungsbogen einfallen lassen, der die ganze Sache interessanter macht. Nach wenigen Minuten kommt die Sprache auf die Frage, wie es die Crew bloß geschafft hat, einen Polizeiwagen von der Straße 30 Meter durch die Luft in einen Abgrund schießen zu lassen. Die Auflösung dieses Rätsels erfolgt erst kurz vor Schluss. Raffiniert.
Ansonsten weist diese Dokumentation alle Merkmale eines Making-ofs auf. Da werden Szenenausschnitte aneinandergereiht, um die Hauptfiguren zu charakterisieren und die Exposition des sich entwickelnden Actiondramas zu beschreiben. Es folgen Statements vom Autor der Story, dem Bestsellerautor Jo Nesbö ("Der Schneemann"), des weiteren von den beiden Produzenten und natürlich vom Regisseur himself. Dieser Film soll wie eine internationale Hollywoodproduktion aussehen, dekretierten die Producer. Regisseur Morten Tyldum hat seine ganz eigene Methode, diese Vorstellung von Perfektion zu erreichen. Das braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden, denn man sollte es sich ansehen.
Die Hauptdarsteller kommen ebenso zu Wort wie die Fabrikanten der Spezialeffekte. Einer der Hunde musste nämlich im Rechner erschaffen werden, um zu tun, was von ihm verlangt wurde. Weitere Informationen über den Regisseur liefert der Hauptdarsteller in seinem Interview...
3) Interview mit Aksel Hennie (4:42 min)
Aksel Hennie verdankt Morten Tyldum offensichtlich eine ganze Menge, als er seine Karriere startete und mit "Headhunters" zu einem Höhepunkt führte. Ihre Zusammenarbeit reiche schon etliche Jahre zurück, verrät Hennie.
Ebenso interessant ist seine Charakterisierung der Rolle des Roger Brown. Kurz gesagt, gehe es darum, dass Roger endlich erwachsen und ehrlich werde. In seinem anfänglichen System sei er der Alpha-Hund, eine Arschloch erster Güte, das dem Zuschauer erst nach einer tiefen Transformation sympathisch wird. Die Lehre, die der Zuschauer aus Rogers Geschichte ziehen kann: Liebe macht zwar blind, kann aber auch retten.
4) Trailershow
a) Millennium-Trilogie 1-3 (Thriller, s. meinen Bericht)
b) Arschkalt (dt. Komödie)
c) Babycall (Thriller mit Noomi Rapace)
d) Carlos - Der Schakal (Thriller, s. meinen Bericht)
e) Das letzte Schweigen (dt. Psychothriller)
f) Haus der Sünde (Hurenbio)
g) Ruhm (nach d. Roman v. D. Kehlmann)
Unterm Strich
Im Vergleich zu anderen Thrillern von Jo Nesbo, etwa "Der Schneemann", ist "Headhunters" recht geradlinig aufgebaut. Ein Headhunter mit einem Doppelleben gerät an den Falschen und findet sich alsbald auf einer Höllenfahrt wieder, der es nicht an riskanten und demütigenden Szenen und Elementen mangelt. So versinkt unser "Held" bis über die Nasenspitze in der Kacke eines Klohäuschens, muss sich seiner kontaminierten Haarpracht entledigen und zu guter Letzt auch noch Toter Mann spielen.
Kann man noch tiefer sinken? Eigentlich nicht. Und deshalb geht es von da wieder mit ihm aufwärts. Allerdings ist er nun wie verwandelt und erkennt den Wert eines Lebens - und sogar den eines eigenen Kindes. Doch die Liebe macht es ihm, wie jedem Kerl, nicht leicht: Ist seine Angetraute wirklich treu oder kollaboriert sie mit seinem Todfeind? Wäre er Odysseus, heimgekehrt nach Ithaka, würde er sie wie weiland Penelope auf die Treueprobe stellen. Es ist eine Moritat, die uns Jo Nesbö da serviert, und Morten Tyldum hat ihr ein schickes, international aussehendes Thrillergewand verpasst.
Der Thriller unterhält mit unerwarteten Wendungen, von denen die nächste noch überdrehter und bizarrer ist als die vorhergehende. Dennoch ergibt alles, was uns präsentiert wird, einigermaßen einen Sinn. Nur die Motive so manches Akteurs mögen vielleicht unplausibel erscheinen. Aber nur, bis man den Film zum zweiten Mal anschaut. Am Schluss werden alle losen Fäden verknüpft, wie sich das gehört.
Die DVD
Die Qualität von Bild und Ton stimmt, aber DTS wird hier nicht geboten. So lässt sich die eine oder andere krachende Actionszene nicht ganz ausreizen. Das ist aber auch nicht der Schwerpunkt der Handlung. Die Extras sind viel wichtiger als der Sound. In einem Making-of, das sich unter der Bezeichnung "Behind the Scenes" versteckt, erfahren wir, wie die Sache mit dem fliegenden Polizeiauto hin gedreht wurde und warum der russische Polizeihund aus dem Rechner kommen musste. Der Hauptdarsteller gibt schließlich noch seine Ansicht über die Rolle als Oberarschloch Roger Brown zu Protokoll.
Alles in allem also eine rasante Sause für einen spannenden Abend.
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer