Helden des Polarkreises
- Regie:
- Karukoski, Dome
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Finnland/Island/Schweden
- Originaltitel:
- Napapiirin sankarit
1 Review(s)
13.06.2012 | 16:41Roadtrip oder Männerkomödie: schräge Helden
Janne ist ein notorischer Slacker. Weil in seinem Dorf am Polarkreis das Analog-TV abgestellt wird, gibt ihm seine Freundin Inari Geld für einen Digitalempfänger. Als Janne dieses Geld versehentlich für Bier ausgibt, wird Inari stocksauer und stellt ihm ein Ultimatum: Entweder er besorgt das Elektrogerät bis zum nächsten Morgen oder es ist Schluss.
Zusammen mit seinen Kumpels Ralle und Kanne begibt er sich auf eine nächtliche Odyssee durch Lappland. Während Inari zu Hause von einem früheren Verehrer, dem reichen Mikke, belagert wird, müssen die drei Jungs mit feindlichen Naturgewalten, übereifrigen Polizisten, Rentieren, verführerischen Killerlesben und schwerbewaffneten Russen fertig werden und beweisen, dass sie mehr als nur Lappen sind. (erweiterte Cinefacts-Info)
Filminfos
O-Titel: Napapiirin sankarit | Lapland Odyssey (Finnland / Island / Schweden 2010)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
EAN-Nummer: 4048317375103
VÖ: 22.05.2012 [Kauf-DVD]
FSK: ab 12
Länge: ca. 96 Min.
Regisseur: Dome Karukoski
Drehbuch: Pekko Pesonen
Musik: Lance Hogan und diverse andere (s. Extras)
Darsteller: Pamela Tola, Jussi Vatanen, Jasper Pääkkönen, Timo Lavikainen, Konsta Mäkelä, Sinikka Mokkila, Erkki Hetta, Asko Sahlman, Kari Ketonen, Miia Nuutila, Rinna Paatso, Moa Gammel, Anna-Leena Härkönen u.a.
Handlung
|PROLOG|
Hinter Jannes und Inaris Haus steht in der schneebedeckten Wildnis am Polarkreis der Baum der Selbstmörder. Von seinen kahlen, schwarzen Ästen baumelt einladend die Galgenschlinge herab, bereit für einen weiteren Hals. In der Borke steckt ein einsames Messer für denjenigen, der den Selbstmörder los schneiden muss. In den vergangenen hundert Jahren ist der Baum der willkommene Endpunkt in der Lebensreisen von gescheiterten Lappländern aller Art gewesen. Lauernd wartet er auf die nächste seltsame Frucht, die seine Zweige hervorbringen mögen....
|Haupthandlung|
Inari verdonnert Janne dazu, eine "Digibox" zu kaufen, einen Empfänger für das neue digitale Kabelfernsehen. Der Grund ist einfach: In der kommenden Nacht wird das Analogfernsehen abgeschaltet. Und wenn Janne es nicht schafft, die Digibox rechtzeitig zu kaufen, gucken beide buchstäblich in die Röhre. Sie gibt ihm 50 Euro und geht zur Arbeit. Er hat zeit bis morgen früh um 9:00 Uhr. Oder er fliegt raus. Was kann bei diesem guten Plan schon schief gehen?
So ziemlich alles. Janne ist ein Slacker, wie er im Buch steht. Aus den Federn kommt er erst zu Mittag, verbringt den kurzen Polarkreistag mit seinen Freunden Ralle und Kanne, versäuft das Geld um ein Haar. Als ihm einfällt, dass er eine Mission hat, macht der Elektroladen gerade zu. Und einen Rabatt kriegt er erst recht nicht. Die Digibox seiner Eltern kann er nicht leihen, denn der Aufkleber wäre zu verräterisch. Es sieht ganz so aus, als müsste er nach Rovaniemi zu Inaris Vater, der ebenfalls einen Elektrohandel hat. Aber Rovaniemi ist 200 Kilometer entfernt.
Sie dürfen den Sportwagen von Ralles Mutter leihen, doch die Tankanzeige ist defekt, und so bleiben sie mitten in der nächtlichen Pampa liegen. Zum Glück fällt Janne ein, dass das Haus von Inaris Ex Mikke nicht weit entfernt liegt. Dort könnten sie doch Benzin aus dem Tank klauen. Natürlich erwischt sie Mikke auf frischer Tat. Er kann sich als erfolgreicher Reiseveranstalter aufspielen und seine Judokünste an Janne demonstrieren. Kaum sind Janne und Co. wieder mit etwas Benzin zurück zu ihrem Auto gegangen, macht sich Mikke auf die Socken, um diese einmalige Chance zu nutzen: Inari allein zu Haus anzutreffen…
Doch die Odyssee des Trios durch Lapplands kalte Finsternis hat gerade erst begonnen und verlangt ihnen alles ab, was sie drauf haben …
Mein Eindruck
Die Zeiten des mythischen "Pfadfinders" und der "Kalevala" sind längst vorbei, denn in Finnlands kühlem Norden tummeln sich allerlei kuriose Gäste, wie Jannes Trio bald feststellt. Da wären zunächst einmal die Russen, die im Wald Paintball spielen, als wären sie in der Army. Sie haben ein Rentier getötet, das Janne, der ständig in Geldnot steckt, nun gegen einen kleinen Obolus zu schlachten bereit ist. Leider ist er kein "Pfadfinder" und blamiert sich. Allerdings ist Janne nie um eine dämliche Ausrede verlegen. Nur gut, dass die Russen kaum Finnisch verstehen.
Eine etwas gefährlichere Hürde ist im Motel an der Straße nach Rovaniemi zu nehmen. In dem Bemühen, ein Becken eisfrei zu sägen, um einen Lohn einzustreichen, fällt er den Mädels auf. Diese tummeln sich im Warmwasserbecken nebenan, und Mina ist von Jannes männlicher Statur derart beeindruckt, dass sie alle ihre Verführungstricks aufwendet, um ihn ins Becken zu locken. Circe hatte nie mehr Erfolg! Hier droht Janne allerdings nicht nur seinen Lohn, sondern auch sein Leben zu verlieren. Killerlesben!
Allmählich wird dem Zuschauer klar, dass Janne und seine Freunde eine Männlichkeitsprobe bestehen müssen, die auch die Emanzipation von der eigenen Mutter beinhaltet. Ob es Janne & Co. schaffen, die lebenswichtige Digibox bis zum nächsten Morgen rechtzeitig abzuliefern, soll hier nicht verraten werden. Inari hat unterdessen eine Bewährungsprobe ganz eigener Art zu bestehen, denn Mikke ist keineswegs auf den Kopf gefallen und ein Meister der Täuschung …
|Parodie|
Auf parodistische Weise zieht der Film eine Tugend der Lappen nach der anderen durch den Kakao. Jannes Rentierschlachtung findet am unerwartet lebenden Objekt statt, woraufhin er in Panik auf das Tier einsticht - nix für schwache Nerven! Auch die Fortbewegung mit dem Schlitten habe ich idyllischer in Erinnerung (ich war nämlich schon zweimal in Lappland). Hier rasen die Schneemobile mit Höchstgeschwindigkeit durch den Winterwald, beschossen mit Paintballs. Auch das Abheben von der Straße wird demonstriert: ein formschöner Flugbogen - direkt vor den Augen der erstaunten Radarpolizisten.
Janne täte wirklich alles, um ein wenig Knete ran zu schaffen. Einer seiner weniger genialen Einfälle ist das Wischen von Autoscheiben bei Minusgraden … Schließlich winkt ihm jedoch das Glück: Da alle Finnen besoffen sind und ihnen hinterher übel wird, findet er eine lukrative Einnahmequelle im Putzen von vollgekotzten Taxis. Man muss eben sehen, wie sich die Gesellschaft wandelt und sich danach richten. Genau wie die Amis.
|Frauen|
Die Killerlesben hatten wir schon, und die gluckige Mama darf ebenso wenig fehlen wie die werdende Mutter, die ihren Männe auf einen scheinbar leichten Auftrag schickt, der ihn aber fast das Leben kostet (durch einen Schneesturm, der ihn unter sich begräbt; siehe Titelfoto). Kanne malt einer potentiellen Tanzpartnerin, die ihn (!) auffordert, die Geschichte ihrer höchstwahrscheinlich scheiternden Ehe aus.
Doch sein Freund Ralle ist da weitaus konstruktiver: Er bandelt an der Hotelbar mit einer einer Frau um die vierzig an, die er zu kennen meint - und zwar von jenem Automatenspiel, auf dem er Pin-up-Girls entblättern kann - und sie war eines der Busenmädels. Das stört Marjukka aber nicht, als sie das herausfindet: Sie ist wieder mal solo. Und Ralle steht einfach total auf sie. So sieht es also mit der Jugend aus: Erst der Porno, dann Sex, dann vielleicht Liebe. Irgendwann in grauer Vorzeit muss der Ablauf mal umgekehrt gewesen sein.
Die DVD
|Technische Infos|
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate: Dolby Digital 5.1 in Deutsch, DTS Digital 5.1 in Deutsch, Dolby Digital 5.1 in Finnisch
Sprachen: D, Finnisch
Untertitel: D, Englisch, Finnisch
Extras:
1. Einführung von Dome Karukoski
2. Deleted Scenes (mit Kommentar von Dome Karukoski)
3. Premiere in Helsinki
4. Behind the Scenes
5. Charaktereinführung
6. Musikvideos
7. Kinotrailer
8. Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität von Bild und Ton sind ausgezeichnet, so dass an keiner Stelle Mängel auftreten. Diese DVD liegt auch als Blu-ray vor. Auch über die Anzahl der angebotenen Untertitel kann man sich nicht beschweren. Das kurioseste Merkmal der DVD ist wohl die Einführung durch Regisseur Dome Karukoski, die dem Navigations-Menü vorangestellt ist. Gleich mehr dazu.
|EXTRAS|
1) Einführung von Dome Karukoski (2 min)
Dome Karukoski erklärt, was die zwei Themen des Films sind: Männerscham bzw. -schande und über das fehlende finnische Selbstvertrauen. Er richtet seine Worte dankend an das Publikum des Filmfests Osnabrück. Und wem der Film nicht gefalle, der solle seine Kritik bitte an Timo Lavikainen, den Darsteller des Janne, richten. Denn ohne Zweifel sei Timo an allem schuld. Also…
2) Deleted Scenes (13 min)
Diese mit einem englischen Off-Kommentar von Dome Karukoski (OmU) versehenen gestrichenen oder gekürzten Szenen bringen nicht viel, vertiefen aber die Charaktere:
a) Frauentänze
b) Janne ruft Inari an
c) Inaris Schwangerschaftstest (!)
d) Jannes Eltern
e) Ralles gluckige Mutter
f) Der Tanz von Ralle und Marjukka, seiner neuen Flamme
g) "Ich mag euch": Der Russe hält Janne für einen Räuber
h) Jannes kuriose Rentierschlachtung
3) Premiere in Helsinki (1:21 min)
Kommentarlos gibt dieser Zusammenschnitt Eindrücke von der zweifellos sehr unterhaltsamen Kinopremiere des Films in Helsinki wieder. Leider gerät ständig eines der Produkte von Sponsor M & M ins Bild, und das sicher nicht ohne Absicht.
4) Behind the Scenes (4:10 min.)
Dreharbeiten bei 20° C unter Null sind sicher nicht lustig. Mit einem Quad, auf das eine Kamera montiert ist, verfolgen wir Jannes Sportwagen durch die finnische Pampa. Eine gewisse Steigerung im Schwierigkeitsgrad stellt die Montage der Flying Fox Kamera (berühmt durch "Herr der Ringe. Die Gefährten") dar, wenn sie Janne auf dem Motorschlitten folgt. Zuguterletzt sehen wir Janne & Co. in einem Heimkeller - ein Dénouement erster Güte.
5) Charaktereinführung (3:08 min)
Die Darsteller der fünf jungen Hauptfiguren Janne, Inari, Ralle, Kanne und Mikke sagen kurz etwas zu ihren Figuren - wenn überhaupt, denn Filmszenen scheinen dazu viel besser geeignet zu sein.
6) Zwei flotte Musikvideos (je 3:30 min, jeweils mit dt. OmU)
a) Jonna Geagea & Vesterinen: "Onnelliset". Der Song ist ein parodistisches Loblied auf die wunderbare Welt der Unterhaltungselektronik, die auf ihre hinterlistige Weise die menschliche Nähe aufgelöst hat. Ein fröhlich trällerndes Pärchen in ein Auto zu zwängen und vor einem Green Screen zu platzieren, der nachher durch eine vorüber huschende Winterlandschaft ersetzt wird, ist nicht die originellste Technik, wohl aber die Billigste.
b) Eine junge Frau, die sich "Kristina Wheeler" nennt, singt etwas von "Kiitos kun Muistit". Dabei zeigt sie uns ihre enge Wohnung. In der sich Hinterlassenschaften ihres verflossenen Liebhabers finden - dem sie natürlich keine Träne nachweint.
7) Kinotrailer (1:48 min)
Der Trailer stellt nicht den Roadtrip in den Vordergrund, sondern die Geschlechterkomödie. Kann man so sehen, muss man aber nicht.
8) Trailershow
a) Die Fee (3 Teaser): eine frz. Komödie von zweifelhafter Aussage
b) Ritterfürst Jaroslaw (Epos)
c) Mulan: Legende einer Kriegerin (Epos)
d) The Three Burials of Melquiades Estrada (genialer Neo-Western von & mit Tommy Lee Jones)
e) Das Zehn Gebote Movie (US-Komödie mit Jessica Alba und Winona Ryder)
f) Chinese zum Mitnehmen (argentinische Komödie, s. meinen Bericht)
Unterm Strich
Ist das nun ein Roadtrip, wie ihn die Amis am Fließband produzieren, oder doch eine ziemliche lustige Männerkomödie? Der Trailer behauptet Letzteres, aber was wäre die Komödie ohne den Roadtrip, der sie so unterhaltsam macht und alle Teile zusammenhält. Erst durch die Expedition ins Ungewisse werden aus Schlaffis erfindungsreiche Kerle, die es mit fast toten Rentieren, sehr lebendigen, um sich ballernden Russen und sogar mit Killerlesben aufnehmen. Janne und Co. führen die üblichen Prüfungen, die das Nordland bereithält, parodistisch ad absurdum. Oder wie schon der Regisseur eingangs sagt: "Timo [Jannes Darsteller] ist an allem schuld."
Hier darf nicht verraten werden, wie die Geschichte ausgeht, aber für Janne sieht es wider Erwarten gut aus, die verdammte Digibox rechtzeitig um 9 Uhr morgens abzuliefern. Wenn da bloß nicht Mikke in Inaris Bett wäre… Ich habe mich jedenfalls sehr gut amüsiert, und wer sich mit den Finnen, die da spinnen, gut auskennt, der wird aus dem Grinsen nicht mehr herauskommen.
Tja, und was wird jetzt aus dem Selbstmörderbaum, den ich eingangs so gruselig beschrieben habe? Keine Bange, auch der bekommt, was ihm zusteht, genau wie jeder im Film. Kanne holt schon mal das Hackebeil… Es besteht also noch Hoffnung für die nördlichsten Finnen, und sobald der Klimawandel so richtig zuschlägt, ist es auch mit den Schneestürmen nur noch halb so schlimm.
|Die DVD|
Ton und Bild sind top, auch die Extras können sich halbwegs sehen lassen, selbst wenn ein eigentliches Making-of fehlt. Diese Männerkomödie kann man sich zwischendurch schon mal anschauen, am besten mit dem jeweiligen Schnuckelchen im Arm.
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer