Hurt Locker - Tödliches Kommando
- Regie:
- Bigelow. Kathryn
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Kriegsfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Hurt Locker
1 Review(s)
05.05.2010 | 21:36Auch wenn sich noch keine Breite Masse traut, das Kind beim Namen zu nennen, so muss man doch ernüchtert feststellen, das sich der Irak für die Amerikaner zu einem zweiten Vietnam entwickelt hat. Tägliche Anschläge von Aufständigen gegen die Zivilbevölkerung und den stationierten Truppen, vollkommen überforderte Soldaten, wütende und verzweifelte Einheimische, Entführungen, zurückgehaltene Informationen und Folter auf beiden Seiten. Wie auch in vorherigen Kriegen, nimmt sich Hollywood den aktuellen Thema in den letzten Jahren vermehrt an, und, wie auch ein direkter Vergleich zum angesprochenen Vietnamkrieg zeigt, hat die Entwicklung der filmischen Auseinandersetzungen mit dem dritten Golfkrieg eine ähnliche Entwicklung hinter sich, wie das (Anti)Kriegs-Kino der 60er und 70er Jahre.
Anfangs noch irgendwo zwischen seicht angestimmten Lobliedern auf die eigenen Truppen und der allgemeinen Unterschätzung der tatsächlichen Lage im Kriegsgebiet liegend, setzen sich die jüngsten Filmentwicklungen über den Irakkrieg wieder vermehrt kritisch mit dem Einsatz auseinander. Der bisher eindrucksvollste und am meisten nachhaltig beeindruckendste Film zum Thema, „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“, gibt sich jedoch wenig wertend und verneint es den Einsatz als solches zu kritisieren, als vielmehr auf erschreckend authentische Weise die Lage der Truppen vor Ort zu schildern.
2004, Irak. Die anfängliche Euphorie über ein baldiges Ende des Einsatzes, ist bei den US amerikanischen Truppen längst verflogen. Der Krieg, tägliche Gefechte und Anschläge, sind mittlerweile bitterer Alltag geworden. Besonders gefährlich ist der Einsatz für die Spezial-Kommandos des Kampfmittelräumdienstes, die hauptsächlich zur Entschärfung von Bomben und anderen Sprengkörpern eingesetzt werden. Für letztere explizit ist Matt Thompson (Guy Pearce) verantwortlich, der jedoch trotz größter Sicherheitsvorkehrungen bei einem Einsatz ums Leben kommt. Der fehlende Platz in der Gruppe von Sergeant JT Sanborn (Anthony Mackie) und Specialist Owen Eldridge (Brian Geraghty) wird mit Staff Sergeant William James (Jeremy Renner) jedoch recht schnell wieder bemannt. Denn viel Zeit zur Trauer um den verlorenen Kameraden und Freund ist in diesen Tagen nun mal nicht drin.
Und so geht die Arbeit für das Trio, welches lediglich noch einen knappen Monat im Irak aushalten muss, schnell weiter. Doch anders als sein sehr vorsichtiger Vorgänger Thompson, ist James schon fast ein Draufgänger. Denn so exzellent er bei seiner Arbeit auch ist, so unvorsichtig geht der junge Soldat bei der Entschärfung der Sprengkörper vor. Somit bringt er nicht nur sich, sondern auch seine Kameraden in Gefahr, was schnell zu Spannungen innerhalb der dreiköpfigen Gruppe führt...
Ausgerechnet die in Hollywood längst abgeschriebene Actionregisseurin Kathryn Bigelow („K-19 – Showdown in der Tiefe“, „Gefährliche Brandung“) drehte mit „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ einen der besten Antikriegsfilme der letzten Jahre, der wie kein anderer Film es schafft die Lage im Irak so authentisch und beängstigend intensiv einzufangen. Bigelow verzichtet dabei komplett irgendwelche Loblieder auf den Einsatz oder die Truppen anzusetzen, verneint es aber gleichzeitig auch, was unverständlicherweise hier und da Kritik hervor geführt hat, den Einsatz als solches in Frage zu stellen. Dabei geht es Bigelow in keinster Weise um die Beantwortung der Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Krieges (eine Frage, die eine jede mit gesunden Menschenverstand ausgestattete Person selbst beantworten können sollte), sondern um eine objektive Schilderung der Lage der Soldaten vor Ort, jener Männer und Frauen die mehrheitlich nicht zu solch grausamen Taten wie in Abu-Ghuraib fähig sind, oder wahllos Zivilisten töten, sondern versuchen den Irrsinn irgendwie hinter sich zu bringen.
Das von Mark Boal („Im Tal von Elah“) geschriebene Drehbuch grenzt somit aber auch die irakische Zivilbevölkerung mehrheitlich aus, womit gemeint ist, das diese und ihr Schicksal im Film kein Gehör finden. Dies ist jedoch weniger eine Schwachstelle bzw. eine amerikanisierte Sicht der Geschehnisse, als vielmehr folgerichtig für den Film als solchen, da „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ so überdeutlich klar macht, wie sich die Soldaten vor Ort fühlen. Denn sie müssen nun mal davon ausgehen, das hinter jedem Zivilisten ein Aufständiger steckt, der in seiner Hand Zünder oder Waffen trägt. Diese psychische Belastung der Soldaten wird immer wieder auf den Höhepunkt getrieben, dank der allgemein famosen Inszenierung gar bis zu dem Zuschauer hin transportiert, sodass es dem Film gelingt eine unglaubliche Wirkungskraft zu entwickeln.
„Der Rausch des Kampfes wird oft zu einer mächtigen und tödlichen Sucht. Denn Krieg ist eine Droge.“
- Chris Hedges, Journalist -
Oben aufgeführtes Zitat, welches zu Beginn des Filmes gezeigt wird, begleitet den „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ die ganzen knapp zwei Stunden Spieliezt über. Vor allem an der Figur des Staff Sergeant William James wird der letzte Satz, Krieg ist eine Droge, zu traurigen Umschreibung seines Wesens. Denn James ist der Droge Krieg komplett verfallen und kann, trotz seiner durchaus vorhandenen Sehnsucht nach Frau (von „Lost“ Star Evangeline Lilly gespielt) und Kind zu Hause, nicht mehr ohne sie. Deutlich wird dies vor allem in einer späten Szene, als James zu Hause vollkommen überfordert an einem riesigen Cornflakes-Regal steht und sich nicht entscheiden kann, während er im Irak ohne zu zögern Richtung der zu entschärfenden Sprengsätze geht und fast schon arrogant sein Leben aufs Spiel setzt, in dem er auf die Sicherheitsvorschriften kaum Wert legt und damit auch das Leben seiner Kameraden in Gefahr bringt.
Der von Jeremy Renner („28 Weeks Later“, „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“) verkörperte Charakter wirkt aufgrund seiner selbstgefälligen Art gerade zu Beginn alles andere als ein sympathischer Zeitgenosse, es ist jedoch dem fantastischen Spiel des Darstellers zu verdanken, das eine Identifikation zwischen Zuschauer und Figur erstaunlich schnell stattfindet, denn Renner gelingt es ungemein gut, das Innenleben seiner Figur greifbar offen zu legen, sodass man versteht, wieso er so handelt, wie er eben handelt. Die restliche Besatzung, ebenfalls mit Namen vornehmlich aus der zweiten Riege Hollywoods besetzt, fügt sich in das Gesamtbild ebenfalls gut ein, egal ob Brian Geraghty („Sie waren Helden“, „Jede Sekunde zählt – The Guardian“) als vollkommen resignierter Soldat Eldridge, Anthony Mackie („Wüstenblume“, „The Notorious B.I.G.“) als aufrichtiger Sergeant Sanborn oder Guy Parce („Memento“, „L.A. Confidential“) in seinem kurzen Gaststpiel als Bombenentschärfer.
Inszenatorisch ist „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ sein geringes Budget so gut wie gar nicht anzumerken. Gefilmt wurde das Geschehen zum großen Teil mit einer Handkamera, deren Vorteile, das „nähere“ Gefühl am Geschehen, vollkommen aufgehen, und deren Nachteile, ein manchmal zu hektisch wirkendes Bild, größtenteils ausbleiben. Dank der Verwendung der „kleinen“ Kamera bekommt der Film gleichzeitig einen sehr dokumentarischen Touch, sodass der Film viel weniger wie ein Spielfilm wirkt, als vielmehr eine tatsächliche Kriegsdokumentation aus dem Krisengebiet. Aus dem dokumentarischen Stil entwickelt sich zwar auch ein etwas distanziert wirkender Blick auf das Geschehen als solches, die Nähe zu den Figuren wird jedoch konstant aufrecht erhalten.
Original Filmtitel:
The Hurt Locker (2008)
Länge des Filmes:
Ca. 131 Minuten
Darsteller:
Jeremy Renner...SSgt. William James
Anthony Mackie...Sgt. JT Sanborn
Brian Geraghty...Spc. Owen Eldridge
Guy Pearce...Sgt. Matt Thompson
Ralph Fiennes...Contractor Team Leader
David Morse...Colonel Reed
Evangeline Lilly...Connie James
Christian Camargo...Col. John Cambridge
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Regisseur:
Kathryn Bigelow
FSK:
Freigegeben ab 12 Jahren
Fazit
Keine in kitschiger Zeitlupe wedelnden US-Fahnen oder mit brachialen Orchesterklängen untermalte Pathos-Sequenzen - „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ pfeift auf eine heroische Beweihräucherung des Irakeinsatzes, ohne ihn gleichzeitig übermäßig in Frage zu stellen. Es geht dem Film, und seiner Regisseurin, lediglich darum, die Lage der amerikanischen Truppen vor Ort exemplarisch zu schildern. Und genau dieses Vorhaben gelingt dem Film dank seiner packenden Inszenierung, den meist klischeebefreiten Charakteren sowie den intensiv spielenden Cast beinahe perfekt.
8,5/10
- Redakteur:
- Adrian Trachte