International, The
- Regie:
- Tykwer, Tom
- Jahr:
- 2009
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Deutschland / USA
- Originaltitel:
- International, The
1 Review(s)
02.03.2010 | 14:51Intelligenter Anti-Banken-Thriller
Kripo-Mann Louis Salinger (Clive Owen) muss mit ansehen, wie ein Kollege aus der Spezialeinheit gegen das organisierte Verbrechen vor seinen Augen tot zusammenbricht – wegen eines Giftpfeils, wie sich herausstellt. Auch Salingers Kollegin, die New Yorker Staatsanwältin Eleanor Whitman (Naomi Watts), ist bestürzt. Steckt die internationale Bank IBBC aus Luxemburger dahinter, gegen die sie ermitteln? Salinger und Whitman schnüffeln weiter und folgen der Spur von Waffengeschäften, Mordaufträgen und diversen Dunkelmännern. Dadurch geraten sie selbst in Visier des Gegners. Sie haben eine Trumpfkarte: einen Kronzeugen. Aber wie lange noch?
Filminfos
O-Titel: The International (D 2009)
Dt. Vertrieb: SONY
FSK: ab 16
Länge: ca. 113 Min.
Regisseur: Tom Tykwer
Drehbuch: Eric Singer
Musik: Tom Tykwer, Reinhold Heil, Johnny Klimek
Darsteller: Clive Owen, Naomi Watts, Armin Müller-Stahl, Brian F. O’Byrne, Ulrich Thomsen, Jack McGee u.a.
Handlung
Der Ermittler Louis Salinger (Clive Owen) war bis vor wenigen Jahren bei Scotland Yard, aber dann gab es ein Problem und er schloss sich Interpol an. Hier arbeitet er in einer Spezialeinheit, die gegen das organisierte Verbrechen ermittelt, zusammen mit der New Yorker Staatsanwältin Eleanor Whitman (Naomi Watts). Louis’ Kollege Thomas Schumer trifft gerade vor dem Berliner Hauptbahnhof einen Manager, der bereit ist auszupacken – mit einem kleinen Anreiz. Thomas, weiß nämlich, dass der Arbeitgeber des Managers, die Luxemburger IBBC, gerade Raketenlenksysteme für 200 Mio. Dollar gekauft hat. Was will eine Bank mit Raketenlenksystemen, lautet die Fünfzigtausend-Dollar-Frage.
Doch der Manager mauert. Nachdem Thomas Ella in New York City verständigt hat, steigt er aus und geht auf Louis zu. An der Straße, die sie trennt, bricht Thomas zusammen. Geschockt eilt Louis zu ihm, nur um von einem Rückspiegel getroffen zu werden und ebenfalls in Bewusstlosigkeit zu fallen. Der Tinnitus beginnt, in seinen Ohren zu pfeifen – und hört nicht mehr auf….
Das BKA
Bei der Autopsie Schumers findet Louis einen Einstick in dessen Hals: Ein Giftpfeil hat den Kollegen niedergestreckt – bislang lautet die Diagnose „Herzinfarkt“. Louis verständigt Ella, sie soll kommen. Zusammen packen sie vor dem BKA aus, das von einem Vertreter der Staatsanwaltschaft begleitet wird. Von der Blausäure, an der Schumer angeblich starb, gibt es keine Rückstände. Wegen der Zweifel sieht sich die Bundespolizeidirektion nicht in der Lage, tätig zu werden, hakt aber nach: Was macht Salinger in Deutschland? Er erklärt zusammen mit Ella, dass die IBBC, geführt von Jonas Skarssen, in New York Geld wäscht – für die Mafia etwa. Dem Staatsanwalt erklärt Louis, dass Schumer sich mit einem IBBC-Vorstand traf, der auspacken wollte. Anonym natürlich. Jetzt schwebe der Mann in großer Gefahr. Der Staatsanwalt (Axel Milberg) nennt dies alles „haltlose Theorien“ und lässt Louis und Ella im Regen stehen.
Die Gegenseite
IBBC hat einen Berater für alle Fälle, einen ehemaligen DDR-Oberst namens Wexler (Armin Müller-Stahl). Der trifft in der Alten Nationalgalerie zu Verlin einen „Problemlöser“, der sich des Industriellen Umberto Calvini annehmen soll, der als reicher Waffenhersteller der nächste italienische Ministerpräsident werden könnte. Falls man ihn nicht rechtzeitig stoppt. Die Söhne Calvinis sind hoffentlich kooperativer gegenüber Skarssens Plänen. Wexler übergibt einen Daten-Stick.
Interpol
In der Online-Zeitung liest Louis vom Tod des IBBC-Vorstandes André Clément, mit dem sich Schumer in Berlin traf. Es sieht aus wie ein Autounfall, aber Louis ahnt, dass dies Mord war auf auf das Konto der IBBC geht. In der Zeitangabe, die im vorläufigen Polizeibericht steht, stimmt was nicht und Louis will Skarssen damit konfrontieren. Trotz des Protests seines Chefs Viktor Haas – Interpol darf nicht selbst tätig werden, sondern muss Erkenntnisse an die natioanlen Polizeistellen weiterleiten - geht Louis los. Allerdings lässt ihn der IBBC-Justitiar eiskalt auflaufen, sekundiert von einem Kommissar der Gendarmerie. Die Zeitangabe, auf die es Salinger ankommt, wurde in der Endfassung des Berichts geändert. So ein Pech aber auch! In dem Moment wird Louis klar, dass nicht nur sein eigenes Telefon verwanzt ist, sondern auch das von Viktor. Er wird fündig.
Die Witwe Clément verweist Ella und Louis an Calvini. Der wisse vielleicht was. Clément, so stellt sich heraus, verhandelte mit Calvini über den Kauf der Raketenlenksysteme, doch in letzter Sekunde platzte der Deal – warum? Um Klarheit zu erhalten, besucht Louis Calvini kurz vor dessen Wahlkampfrede. Zusammen mit Ella aus New York und Commissario Cerruti beobachtet Louis das Geschehen auf dem Mailänder Bahnhofsplatz, einem Prachtstück faschistischer Architektur für die Massen.
Der Industrielle hat gerade exakt 60 Sekunden lang seine Rede gehalten, als er von Kugeln getroffen wird und zusammenbricht. Panik bricht auf dem Platz aus. Doch die Ermittlungen, so findet Louis, verlaufen recht merkwürdig: Eine Schütze wird im Hotel gegenüber von Carabinieri erschossen. Doch wie sich aus den Einschüssen ergibt, gab es zwei Schützen… Etwas ist hier faul, und Louis hat vor, dem auf den Grund zu gehen. Dadurch begibt er sich selbst in die Schusslinie.
Mein Eindruck
Bis zu diesem Attentat traktiert der Film den Zuschauer eine halbe Stunde lang mit jeder Menge rätselhaften Dialogen, auf die er sich erst nach der vollständigen Ansicht des Films einen Reim machen kann. Das ist die volle Absicht des Drehbuchautors und des Regisseurs. Erst nach dieser halben Stunde kommt die Handlung richtig in Fahrt, und es wird eine Hetzjagd durch New York daraus, die in einer spektakulären Schießerei im Guggenheim Museum ihren Höhepunkt findet (siehe dazu die Extras unten).
Aussagen
Warum diese lange Verzögerung, fragt sich der verwirrte Zuschauer. Weil es die Strategie der beiden genannten Macher ist, die Geschichte der Handlung zweigleisig voranzubringen. Die Dialoge fußen auf dem Prinzip, dass eine Art Anklageschrift samt Erklärungen verlesen wird. Natürlich aus verschiedenen Mündern und auf verschiedene Weise, aber darauf läuft es hinaus: Dies ist die explizite Aussage.
Aber es gibt auch implizite Aussagen, die nur zu sehen sind, so etwa die gigantomanische Architektur, die eine eigene Rolle spielt (siehe Extras): Sie macht das Individuum erst zum zwerg, dann zum Opfer. Und hier spielt natürlich auch die Action, die der zweiten Erzählstrategie entspricht. Anklagende Aussage plus Action ist gleich intelligenter Thriller, lautet die kurze Formel.
Menschen, Emotionen
Aber wo bleiben die Menschen und Gefühle, mag sich der Zuschauer fragen. Es gibt zumindest eine sehr emotionale Szene zwischen Salinger und Whitman, die ich äußerst gelungen fand, nämlich nachdem Louis Oberst Wexler (Müller-Stahl) vernommen hat. So traurig es auch ist, so bleibt doch jede Romantik auf der Strecke. Sie existiert allenfalls in der geschnittenen Erweiterten Szene zwischen Salinger und Whitman, sowie zwischen Salinger und seiner Tochter Sam. Damit diese Emotionen den Zuschauer nicht von der Storyline ablenken, wurden sie für die Endfassung radikal zurückgestutzt. Vielleicht wird es dermaleinst eine Special Extended Version geben, die eine halbe Stunde länger ist – dafür aber auch weniger verwirrend.
Die Hauptdarsteller
Clive Owen spielt eine klassische Männerrolle, die des hartgesottenen, aber leidenschaftlichen Ermittlers à la Philip Marlowe. (Einige der New Yorker Interieurs wirken sogar wie aus den Film-noir-Streifen Bogarts.) Er nimmt es mit einer nahezu gesichtslosen Verbrecherorganisation auf, die sich IBBC-Bank nennt. Naomi Watts spielt eine entschlossene und intelligente, aber nauch mit Familie versehene Staatsanwältin und macht ihre Sache ebenfalls sehr gut. Wir merken, dass beide über ein Innenleben verfügen, das bloß nicht zur Geltung kommen darf.
Teufel und Mephisto
Der Teufel in dieser Story wird von Ulrich Thomsen alias Jonas Skarssen gespielt, dem Bankdirektor, der einen extrem heiklen Deal eingefädelt hat. es geht immrhin um 200 Mio. Dollar, die seiner Bank das Genick brechen können. Er und seine Kumpane sehn aus wie smarte Geschäftsleute, er selbst hat eine Familie – und überlässt seinem Sohnemann selbst einmal eine Entscheidung. Sein „Berater“ spielt quasi die Mephisto-Rolle, der den Killer engagiert: Oberst Wilhelm Wexler, fantastisch glaubhaft gespielt von Armin Müller-Stahl (hervorragend als Thomas Mann im TV-Mehrteiler). Als Salinger es mit ihm zu tun bekommt, dreht Wexler den Spieß um und stürzt Salinger seinerseits in einen moralischen Zwiespalt. Was würde es ändern, Skarssen umzubringen? Das System würde unverändert bleiben. Doch durch den Mord an Skarssen würde sich Salinger auf die Seite der Schurken stellen. Darf es also tun? Diese Frage lähmt den Helden im Showdown mit Skarssen – ein anderer erledigt den Job.
Shootout = Finale?
Wie taff Salinger (und genial der Regisseur) wirklich ist, zeigt sich in der Schießerei im Guggenheim Museum. Hier stellen Salinger und ein New-Yorker Kripo-Inspektor den Killer von Mailand, der sich dort mit Wexler getroffen hat. Doch sie bekommen heftige Konkurrenz seitens sechs schwerbewaffneter Killer, die alle umlegen wollen. Obwohl die Schießerei spektakulär inszeniert ist (siehe Extras), so führt sie doch beim Zuschauer zu dem Eindruck, als sei dies der Höhepunkt und das Finale des Films. Das ist ein Irrtum. Denn Salinger hat noch ein weiteres Ziel, jetzt wo ihm der Kronzeuge geraubt wurde: Skarssen selbst. Dafür soannt er Wexler ein. Das hätte man besser zum Ausdruck bringen müssen, was aber den Kürzungen zum Opfer fiel. Salinger sagt es Whitman nur in einer intensiven kurzen Aussprache.
Istanbul
Obwohl die Istanbul-Sequenz als erste gedreht wurde, wirkt sie auf den Zuschauer am schwächsten. Der Grund ist einfach der, dass Salinger die Felle davonschwimmen. Er hat zwar mit Wexler eine geniale Abhöraktion eingefädelt, um Skarssens zweiten Waffenhändler Ahmet Sunay zu belauschen, doch er wird rausgeschmissen, so dass ihm der wichtigste Teil des Gesprächs entgeht. Am Ende stellt er zwar Skarssen, ist aber in dem von Wexler erzeugten moralischen Zwiespalt gefangen. Kein Ami hätte so einen Schluss gedreht (höchstens Oliver Stone). Dieses Ende ist viel zu realistisch – und die Dokumente aus dem Abspann führen die Absurdität des Kampfes gegen das System solcher Banken vor Augen. Dennoch machen Whitman und Salinger weiter. Sisyphus war ein glücklicher Mensch, würde Albert Camus sagen.
Die Aussage
Rüstungsproduzent Calvini sagt es den Ermittlern klipp und klar (bevor er erschossen wird): Die Banken haben ein System im System aufgebaut, das sich nicht kontrollieren lässt. Deshalb kommt es immer wieder zu verblüffenden bis megapeinlichen Enthüllungen, je nachdem wer betroffen ist. So etwa die, dass Goldman Sachs Griechenland mit einem 300-Mio.-Dollar-Deal half, sein gigantisches Haushaltsdefizit vor der EU zu verbergen.
Laut Calvini sieht die Strategie der Banken vor, bei ihren Kreditnehmern (oder Waffenkäufern) Schulden erzeugen, die den Banken wiederum die Kontrolle in die Hand geben. Diese Kontrolle nutzen sie aus, um weitere Schulden zu erzeugen, die ihnen weitere Zinszahlungen verschaffen usw. Siehe dazu auch das System der nicht abgesicherten Hauskredite in den USA, das 2008 zusammenbrach – auf Kosten der Allgemeinheit. Der Drehbuchautor benutzt das Wort „predatory lending“: raubtierhafter Geldverleih. Das trifft den Nagel auf den Kopf.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,40:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D, Englisch, Türkisch
Extras:
- Trailer
- 2 Audiokommentare
- Diverse Making-ofs und Featurettes
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild wurde mit dem ganzen Fachwissen eines gewieften Filmregisseurs erzeugt, also sowohl mit 35 mm Material als auch – in den Panorama-Aufnahmen von Istanbul und der Autostadt-Fassade – mit 65 mm Material. Nur so sind selbst winzige Details (durch eine merhfach höhere Auflösung) an den Rändern des Bildes noch scharf – und und die Linien noch gerade. Das Format von 2,40:1 kommt auf einem Widescreen-fähigen Fernseher natürlich noch viel besser zur Geltung.
Zu bemerken ist auch, wie Tykwer sagt, dass sich das Wetter zunehmend bessert, von Platzregen in Berlin über Nebel und Wolken bis hin zur Sonne über Istanbul. Entsprechend heiterer wirkt der Film, obwohl sich Salingers Schicksal verfinstert.
Der Ton liegt auf dieser Silberscheibe in DD 5.1 vor, so dass man einen gut ausgewogenen Kino-Sound erhält, allerdings ohne tiefste Bässe wie bei DTS. Die Untertitel sind in allen Beiträgen der DVD vorhanden, so dass sich kein Zuschauer alleingelassen zu fühlen braucht. Das nenn’ ich Kundenservice.
EXTRAS
1) Englischer Audiokommentar (mit Tykwer und dem Drehbuchautor Eric Singer)
Tykwer und der Drehbuchautor Eric Singer sprechen englisch, aber wenigstens mit Untertiteln (Deutsch-Track 5). Tykwer liefert wie stets die interessanteren Informationen, worum es ihm bei dem Film ging. Singer schildert, wie er auf die Idee kam, dieses Drehbuch zu schreiben, wie dann aber Tykwer von „Parfüm“-Dreh zurückkehrte und entschied, erstens die Handlung in die Gegenwart zu verlegen und zweitens komplett umzustellen. Mann, war Singer sauer! Aber wenigstens verhalf dieser umwälzende Akt der Story zu einer Struktur, die sich verfilmen ließ, ohne das Budget zu sprengen.
2) Deutscher Audiokommentar (mit Tykwer, dem Kameramann und der Cutterin)
Da hat die Cutterin viel zu erklären: Warum sie so viel herausgeschnitten hat, beispielsweise, und warum sie Szenen umstellte. Alles um der lieben Logik und des lieben Tempos willen. Allerdings gibt ihr der Regisseur durchweg Recht: So hätte eine mögliche Lovestory zwischen Louis und Ella, wie sie in der Erweiterten Szene angedeutet wird, zu sehr von der Haupt-Story abgelenkt. Und die ganze Szene, wie Ella nach ihrem letzten Abschied von Louis zu ihrer Familie zurückkehrt, braucht der Zuschauer gar nicht zu wissen – kann er sich ja denken!
Interessant sind auch die Plaudereien aus dem Nähkästchen: wieviele digitalen Effekte in welcher Szene verwendet wurden – ich sage nur Guggenheim Museum. In praktisch jedem Bild ist mindestens ein Effekt zu sehen, vom Schnee davor und danach ganz zu schweigen. Außerdem wurden zahlreiche Dialoge nachsynchronisiert, um die Sätze klarer und informativer zu gestalten.
Wie im englischen Kommentar erwähnt Tykwer hier seine Hommagen: „Der Schakal“ von Fred Zinneman; „Halloween“ von John Carpenter“, dann natürlich die Paranoia-Movies der 70er-Jahre wie „Der Marathon Mann“ (im Film sieht man sogar die Joggerstrecke am Central Park: Hier stirbt der Kronzeuge), „Die Unbestechlichen“, „Die drei Tage des Condor“, „The Conversation“ sowie Filme von Francesco Rosi und Damiano Damiani. Tykwer ist durch eine umfangreiche Schule gegangen und hält damit nicht hinterm berg.
Eine weitere Erkenntnis ist die, dass ein Großteil der Drehorte in Berlin gefunden oder gebaut wurde, zum Teil unter kurioser Verwendung. So ist etwa Skarssens Wohnzimmer in der Akademie der Künste zu finden. Und das Verhörzimmer der New Yorker Polizeistation in einem alten Telegrafenamt. Hinzukommen die Außenaufnahmen in Mailand, Wolfsburg, Istanbul und New York, manche davon komplett digital eingefügt.
Die Schauspieler mussten ein knappes halbes Jahr hart rackern, und dabei war Naomi Watts gerade von von einem Baby entbunden worden und stillte noch. Gedreht wurde zum Teil Ende Januar. Kein Wunder, dass viele Schauspieler ziemlich fertig aussehen. Nur in Istanbul sehen Owen und Müller-Stahl ganz munter aus – kein Wunder, denn dies war der erste Drehort. Die Sequenz bildet dann aber den Schluss des Films.
3) Making-of (ca. 29 min)
Der Autor Eric Singer erklärt, wie er auf die Idee zum Film kam: der BCCI-Skandal in den achtziger Jahren (IBBC ist nur eine Umstellung von BCCI). Die drittgrößte Privatbank wusch 70% aller Schwarzgelder der Welt, für Diktatoren, Terroristen, die Mafia usw. Sie hatte ihren Hauptsitz in New York City, wo die Staatsanwälte sie bekämpften, aber auch John Kerry, der spätere Präsidentschaftskandidat. BCCI betrog die Steuerbehörden wohl um 20 Milliarden Dollar, schätzt Singer.
Tykwer erklärt ebenso seine Sichtweise der Aussage des Films, und die bekannte Ngila Dickson, Kostümbildnerin an alle drei „Herr-der Ringe“-Teilen erläutert, was sie sich beim Outfit der Schauspieler dachte. Sie und Tykwer charakterisieren die beiden Hauptfiguren Salinger und Whitman. Tykwer erklärt Owen und Watts zu den „zwei herausragendsten Schauspielern ihrer Generation“.
Singer und Tykwer stellen die „bad guys“ als gewöhnliche Geschäftsleute vor, die nur mal gerade einen Mord in Auftrag geben müssen, wie lästig. Dann neben uns die Macher auf einen Trip durch den Film mit. Dabei taucht Material aus den nachfolgenden Featurettes auf. Deshalb spare ich mir diese Erläuterungen für die folgenden Extras auf. Insgesamt erfüllt das Making-of seine Aufgabe voll und ganz, und man bekommt einen guten Eindruck, worum es den Machern bei dem Film ging – aber noch nicht von dessen Story.
4) Dreharbeiten im Guggenheim Museum (6:30 min)
Die zentrale Schießerei im Guggenheim Museum sprengt fast den Rahmen des Films und wäre bei anderen Regisseuren dessen Höhepunkt und Finale. Nicht so bei Tykwer. Die Schießerei ist an sich und in ihren Ergebnissen absurd und sinnlos - Salinger überlebt, verliert aber seinen Kronzeugen, den Killer aus Mailand. Klar, dass dieser Dreh- und Angelpunkt entsprechend in Szene gesetzt werden musste. Aber wo? Denn erstens war das Museum zum Drehzeitpunkt vollständig eingerüstet und zweitens konnte man dort nicht sechs Wochen lang drehen. Also baute man ein Modell, 16 Wochen lang, in einem verfallenen Eisenbahndepot direkt neben Babelsberg.
Alles wurde generalstabsmäßig geplant: In den ersten Wochen wurden die Szenen, die in den unteren vier Geschossen des umlaufenden Gehwegs spielen, gedreht, danach die, die in den darüberliegenden Geschossen ablaufen – aber natürlich in der gleichen, leicht veränderten Kulisse. Die Kunst-Ausstellung lieferte Julian Rosefeldt. Natürlich wurden auch Aufnahmen des echten Museums damit kombiniert. Und am Schluss bleibt von der schönen Innenarchitektur nur durchlöcherter Schutt übrig…
5) Die Bedeutung der Architektur in „The International“ (6 min.)
Die Architektur spielt im gesamten Film die Rolle eines weiteren Charakters neben Salinger und Whitman. Deshalb ist es spannend mitzuverfolgen, wie die Bauten, die gezeigt werden, zunehmend älter werden, bis sie beim Großen Basar von Istanbul geradezu antik sind. Tykwer erklärt, wie die moderne (Autostadt-) Architektur den Einzelnen mit ihren geraden Linien wie Spinnweben umgarnt. So umschlingt auch der Multi den Bürger. Am Schluss sind es jedoch die Bürger, die dem Gebäude seine Bedeutung geben, eben im Basar. Ohne sie ist das Haus nichts. Umso seltsamer daher der Showdown auf den Basar-Dächern und –Gehwegen.
6) Die Autostadt (VW)
In fünf Minuten stellen der Produzent, der Regisseur und die Art-Direktorin die Autostadt von VW in Wolfsburg vor, in der zum ersten Mal gedreht werden durfte (die Verhandlungen dauerten ½ Jahr). Diese Location spielt die Rolle der Glas-und Betonarchitektur der IBBC: transparent, aber quasi virtuell, macht sie selbst einen so dynamischen Helden wie Salinger zu einem Zwerg. Dies sei die Verkörperung des Themas des Films, sagen Produzent und Regisseur.
7) Erweiterte Szene mit Salinger und Whitman (10:56 min)
Diese erweiterte Szene wurde in der Endfassung massiv gekürzt, ebenso wie viele andere Szenen. Diese Szene erscheint auf der DVD nur wegen zwei Details: Nachdem Salinger und Whitman in Berlin der Verrfolger von zwei Finsterlingen entkommen sind, küssen sie sich beinahe, doch ein Anruf kommt dazwischen. So bleibt Salinger einsam… bis er in seiner Wohnung in Lyon auf seine Tochter Sam(antha) stößt, von der wir in der Endfassung nichts erfahren. Sie ist das Gegenteil zu ihm: aufgeräumt, ordentlich, eine Managerin, weshalb er sie sofort in den Arm nimmt. Kaum ist sie weg, versucht er seinen Tinnitus loszuwerden und steckt seinen Kopf in ein Waschbecken voller Eiswürfel. Das ist in der Endfassung.
8) Trailershow
Es gibt drei Trailer:
1) Terminator Salvation (= T4, mit Christian Bale)
2) Angels and Demons (= Illuminati, mit Tom Hanks)
3) The Taking of Pelham 123 (Stoppt die U-Bahn 123, Remake mit John Travolta)
Alle Trailer sind in Englisch und weisen deutsche Untertitel auf.
Unterm Strich
Der Film ist vielleicht kein Teeniefutter und vielleicht nicht mal ein Thriller-Klassiker, aber dennoch ein unterhaltsamer Spannungsfilm mit bemerkenswerten Szenen und Aufnahmen. Die zwei Hauptdarsteller machen ihre Sache klasse, und Armin Müller-Stahl liefert eine seiner bemerkenswertesten Darstellungen. Nur die Kürzungen bringen den Zuschauer ein wenig ins Schleudern, und dafür muss sich vor allem die Cutterin verantworten. Was man nicht alles dem Tempo des Actionfilms opfert.
Die DVD
Die von mir gekaufte Silberscheibe ist vollgepackt mit Bonusmaterial, hat aber nur knapp zehn Euronen gekostet – ein fairer Preis, wie ich finde. Das Bonusmaterial umfasst beinahe eine Stunde, hinzukommen zwei Audiokommentare von Filmlänge. Übrigens sollte man den deutschen Kommentar VOR dem englischsprachigen anhören, um letzteren besser zu verstehen. Fehler konnte ich keine feststellen.
Michael Matzer (c) 2010ff
- Redakteur:
- Michael Matzer