Irezumi - Spider Tattoo
- Regie:
- Yasuzô Masumura
- Jahr:
- 1966
- Genre:
- Drama
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Irezumi
1 Review(s)
17.01.2008 | 20:57Einführung:
Wer in Deutschland außergewöhnliche Filme aus Asien sehen will, kommt am Label Rapid Eye Movies mit Sicherheit nicht vorbei. Eine Sparte im Programm von REM, die Nippon Classics, widmet sich außergewöhnlichen japanischen Klassikern, bis hin zu japanischen Arthouse-Filmen vergangener Jahrzehnte. So kommen nun auch wir Deutschen endlich in den Genuss, diese bei uns völlig unbekannten Meisterwerke zu genießen. Ein solches Meisterwerk stellt in meinen Augen auch "Irezumi – Spider Tattoo" dar, den ich euch hiermit etwas näher bringen möchte.
Daten:
Laufzeit: ca. 86 Min.
Regie: Yasuzo Masumura
Darsteller: Kei Sato, Gaku Yamamoto, Ayako Wakao, Akio Hasegawa, Reiko Fujiwara, Kikue Móri, Asao Uchida, Fujio Suga
Drehbuch: Kaneto Shindo nach einer Kurzgeschichte von Junichiro Tanizaki
Handlung:
Japan - die Zeit der Edo-Periode. Otsuya (Ayako Wakao), die junge, hübsche Tochter eines wohlhabenden Pfandleihers, soll verheiratet werden. Doch sie liebt seit langem heimlich den einfachen Angestellten Shinsuke (Akio Hasegawa), weshalb auch schnell ein Entschluss gefasst werden muss: Die Beiden werden durchbrennen um miteinander leben zu können. Einstweiligen Unterschlupf gewährt der Boostsbesitzer Gonji, ein Freund der Familie, der bei den Eltern vorsprechen soll, damit die beiden Liebenden vielleicht doch noch mit deren Segen heiraten dürfen.
Doch Gonji ist nicht der Freund, der er zu sein scheint – er hat nur seinen eigenen Profit im Kopf. Um aus der misslichen Lage der beiden Flüchtlinge viel Geld zu schlagen, beauftragt er einen Auftragsmörder um Shinsuke zu beseitigen – ist das erst einmal erledigt, kann er die hübsche Otsuya an den Geisha-Haus-Besitzers Tokubei (Asao Uchida) verkaufen. Doch es läuft nicht alles nach Plan – bei dem Überfall auf Shinsuke stirbt der Angreifer, nicht Shinsuke.
Otsuya ist indessen schon im Geisha-Haus angekommen. Um ihren Wert für die Männerwelt zu steigern und um sie als Geisha zu kennzeichnen, lässt ihr Tokubei das Bild einer riesigen Spinne auf den Rücken tätowieren.
Von diesem Zeitpunkt an ist Otsuya als Geisha bei der Männerwelt sehr beliebt. Doch sie und ihre Spinne auf dem Rücken haben nur eines im Sinn – sich an der Männerwelt zu rächen, sie auszusaugen. Da kommt eines Tages der Totgeglaubte Shinsuke in das Geisha-Haus. Er hat inzwischen schwere Gewissensbisse, weil er bei dem Anschlag den Angreifer töten musste...
Kritik:
Durch Gewalt wurde die Tätowierung der Spinne auf den Körper der Frau gebracht - und durch diesen gepeinigten Körper verbreitet sie nun die Gewalt um sich zu rächen. Männermordend und das Leben aussaugend, eben wie es nach Spinnenart üblich ist. Fast lebendig wirkt sie und der Frauenkörper ist dafür nur ein Werkzeug. So lässt sich die Handlung in Kurzform beschreiben. Doch unschuldig war die Frau freilich vorher auch nicht, denn durch ihre Verführungskünste manipuliert die Tochter aus besserem Hause den etwas naiven Freund auch schon vor ihrer "Verwandlung" und bringt ihn dazu mit ihr wegzulaufen. Daher kann eigentlich keine echte Schuldzuweisung erfolgen - Frau oder Spinne, beide sind ein und dieselbe Person.
Regisseur Yasuzo Masumura ("Blind Beast") drehte diesen Film nach der Vorlage einer Kurzgeschichte Junichiro Tanizakis aus dem Jahr 1910. Kein Wunder also, dass die Geschichte inhaltlich eigentlich sehr wenig Stoff bereitstellt und damit äußerst geradlinig verläuft. Grund sich darüber zu ärgern bietet sich für den Zuschauer aber nicht, denn Masumura verpackt diese einfache Geschichte in traumhaft schöne Bilder und der Handlungsverlauf schreitet auch sehr effektiv voran. Jede Szene dient der Story, Leerlauf gibt es einfach nicht. Die optisch reizvollsten Regenszenen der Filmgeschichte und auch wunderschöne Schneefallsequenzen hat der Meister in Bilder einfangen können.
Und Yasuzo Masumura wusste offensichtlich ganz genau, was er macht - schließlich hatte er an der Filmhochschule in Rom studiert (übrigens der erste Japaner) und zu seinen Lehrmeistern gehörten Fellini, Visconti und Antonioni - allesamt für die neue frische "Nouvelle Vague"-Bewegung bekannt. Trotzdem konnte ich keine Ansätze dafür erkennen, dass "Irezumi" in diese Richtung geht - nein, ich würde sogar sagen, dass der Film eher eine frühe Version des Exploitation-Kinos darstellt - noch etwas in abgeschwächter Form, aber alle Elemente sind vorhanden. Die Bildersprache gibt sich bei "Irezumi" dann eher konventionell - steif und hart. Fast ausschließlich harte Schnitte lassen die Handlung sperrig erscheinen. Schwenks sind äußerst selten vorhanden. Das verleiht dem Film eher einen theaterartigen Look und das passt nun überhaupt nicht zum neuen frischen Kino, das sich die "Nouvelle Vague" auf die Fahnen geschrieben hatte. Das ist jedoch nicht negativ zu sehen, ganz im Gegenteil. Bei den Farben hat der Meister hauptsächlich auf Grundfarben zurückgegriffen, kalte Farben dominieren. Die mit Bedacht eingesetzten roten Highlights sollen die Aufmerksamkeit des Zuschauers erregen.
Dass es trotz der schon erwähnten, einfachen Geschichte niemals zu einem Stillstand kommt, das hat der Film seiner kurzen Laufzeit (86 Min.) und den bis ins kleinste Detail durchgestylten Bildern zu verdanken. Der Zuschauer kann kaum den Blick von der optischen Pracht lösen. Auch die Ausstattung und die Kostüme deuten eher auf eine teure Großproduktion hin. Allein bei der Musik hätte ich mir eingängigere Lieder gewünscht, als bloßes Hintergrundgedudel - bei "Lady Snowblood" beispielsweise hat der Score dem Film noch einmal einen Schub in Richtung Dramatik geben können.
Als Ganzes betrachtet ist "Irezumi" also ein Kunstwerk - eine einfache Geschichte einer Frau, die sich an ihren Peinigern rächt und immer mehr will, ganz so wie in "Der Fischer und seine Frau". Technisch wusste Yasuzo Masumura ganz genau, was er wollte - und das war eben eine eher effektive, unspektakuläre, kalte und harte Erzählstruktur, die ein wenig an ein Theaterstück erinnert. Mir gefällt Masumuras sauberer, geordneter Stil. Auf jeden Fall ist dieser Film für das Publikum leichter verdaulich, als der eher als Arthouse-Produkt angelegte "Blind Beast", welcher ja ebenfalls auf Masumuras Konto geht. "Irezumi - Spider Tattoo", ein Exploitationsfilm mit Sex, Gewalt und jeder Menge Blut und dazu noch sehr japanisch ruhig, wie eine Teezeremonie. Ich freue mich jedenfalls, dass sich Rapid Eye Movies solcher japanischen Genreperlen annimmt.
Die DVD:
Man mag seinen Augen gar nicht trauen, so gut ist das Bild dieses japanischen Films aus dem Jahr 1966 auf die DVD gebracht worden. Sogar Bildfehler wie Dropouts oder Kratzer sind nur ganz selten zu finden. Woher hat Rapid Eye Movies nur immer solche perfekten Master. Klar, dass sich die Qualität nicht ganz mit aktuellen Filmen messen kann, aber mit ähnlich alten Filmen verglichen erstaunt die Frische des Bildes doch schon sehr.
Der Ton liegt in Japanisch Dolby Digital 2.0 Mono vor – kein Problem, denn dieser Film wird hauptsächlich von Spezialisten gesehen werden, die auf den Originalton sowieso nicht verzichten wollen. Dazu gibt es gut getimte Untertitel. Etwas dumpf klingt der Ton, aber sehr gut verständlich, sofern man die Sprache nur verstehen würde.
Die DVD kommt, wie bei den meisten DVDs des Labels üblich, in einem hochwertigem Digipack und auch ein paar Postkarten und das obligatorische Poster dürften dem DVD-Sammler ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Die Extras:
- Kinotrailer
- Postkarten
- Poster
Fazit:
Ein weiterer Meilenstein des japanischen Kinos hat dank Rapid Eye Movies seinen Weg nach Deutschland gefunden. Die effektiv und theaterartig dargestellte Geschichte kann über die gesamte Laufzeit überzeugen und bietet ein optisches "Schmankerl" nach dem anderen.
Ich empfehle diesen Film all jenen Zeitgenossen, die sich für das japanische Kino aus dieser Zeit interessieren, aber auch als Einstiegsfilm für filmhistorisch Interessierte eignet sich "Irezumi" sehr gut. Menschen, die nur dem Mainstreamkino frönen, sollten den Film aber lieber links liegen lassen. Ein Exploitationsfilm mit ein wenig Sex, viel Gewalt und jeder Menge Blut in kunstvollen Bildern gebannt – das ist "Irezumi – Spider Tattoo".
- Redakteur:
- Detlev Ross