Johnny Cash - Ridin' The Rails
- Regie:
- Nicholas Webster
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
1 Review(s)
11.01.2006 | 07:13Johnny Cash ist eine amerikanische Legende. Der 2003 im Alter von 71 Jahren verstorbene "Man in Black" repräsentiert durch seinen persönlichen Lebensweg und seine Songs die Seele der Vereinigten Staaten wie kaum ein Zweiter und ist dabei stets weit mehr gewesen als "nur" ein Country-Sänger. Vorliegende Dokumentation handelt jedoch weniger von Johnny Cash als vielmehr von einem anderen Phänomen, das die amerikanische Seele tief berührt, nämlich von der Eisenbahn. Johnny Cash selbst war von klein auf ein echter Eisenbahn-Fan und so kam es dazu, dass er 1974 für einen amerikanischen Fernsehsender unter der Regie von Nicholas Webster einen nostalgischen Rückblick auf über 150 Jahre Eisenbahngeschichte drehte, der vorwiegend dokumentarisch ausgerichtet ist. So erfahren wir von den ersten Eisenbahn-Pionieren zu Anfang des 19. Jahrhunderts, vom ersten Rennen zwischen der Dampflok "Tom Thumb" und einem Pferdegespann im Jahre 1830, vom ersten Linienverkehr der South Carolina Railroad mit der "Best Friend Of Charleston" (1831), die schließlich eine Kesselexplosion zerstörte. Dazu liefert Cash historische Informationen und persönliche Eindrücke, und im Stile echter Eisenbahnromantik entführt er den Zuschauer mit meist kurzen Volksweisen und Eisenbahner-Songs in die entsprechende Zeit und Szenerie.
Interessant sind dabei besonders die Protestlieder der Kanalschiffer und Kutscher, die ihre wirtschaftliche Existenz durch das Erstarken der Eisenbahn bedroht sahen. Sehr melancholisch aber keineswegs kritisch oder anprangernd wird das Kapitel zur Rolle der Eisenbahn im amerikanischen Sezessionskrieg (1861-1865), das Cash mit 'The Night They Drove Old Dixie Down' unterlegt. Hier, wie bei allen Kapiteln, gehört es zum Programm der Dokumentation, entscheidende Szenen an den Originalschauplätzen in historischen Kostümen nachzustellen; Cash steht dabei und erzählt ein paar Details zu dem, was wir sehen, oder er singt ein kurzes Liedchen. So beobachten wir Butch Cassidy bei einem Zugüberfall ('Train Robbers'), schauen den Bahnarbeitern bei Verlegen der Schienen zu ('The Legend Of John Henry's Hammer') und werden Zeuge der für die Erschließung des nordamerikanischen Kontinents so entscheidenden Setzung des letzten Schwellennagels der ersten Transkontinentalverbindung am 10. Mai 1869 in Promontory Point. Neben der Besiedlung der Wildnis entlang der Schienen werden auch die Schattenseiten der Eisenbahngeschichte thematisiert, etwa das harte und triste Leben der Eisenbahnlandstreicher, der sogenannten Hoboes, die in leeren Güterwagons hausten und von einem besseren Leben träumten, das die wenigsten von ihnen je haben würden ('Crystal Chandeliers And Burgundy').
Nach dem Zweiten Weltkrieg ('Doesn't Anybody Know My Name') begann langsam aber sicher der Niedergang der Eisenbahn. Cash stellt fest, dass die Zugfahrt mit dem Verschwinden der Dampflok und dem Siegeszug von Diesel- und E-Lok ihren Glanz verloren hat und klagt über leere Passagierwagons und verlassene Bahnhöfe, an denen keine Züge mehr halten ('City Of New Orleans', 'The L&N Don't Stop Here Anymore'). Das Ende ist jedoch versöhnlich: Cash genießt in einem modernen Panoramazug die Fahrt durch die Prärie und singt ein letztes Mal das Titellied 'Ridin' The Rails', das schon vorher mehrere Male angestimmt wurde und schön aufzeigt, dass Johnny Cash mit seiner rauchigen Stimme in der Lage war, mit ein und demselben Song völlig verschiedene Stimmungen zu transportieren.
"Ridin' The Rails" ist eine leicht verklärte, romantisch-melancholische Dokumentation, die in erster Linie für Eisenbahn-Fanatiker gedacht ist und jenen sicher auch viel Freude bereiten wird. Wer dazu noch auf Country und amerikanischen Folk steht, hat natürlich doppelt gewonnen. Doch auch historisch Interessierte ohne die genannten Vorlieben finden hier einen interessanten, nett arrangierten Film, der kurzweilige Unterhaltung bietet und den man sich durchaus mehr als nur einmal anschauen kann. Englisch sollte man allerdings schon recht gut verstehen, da Johnny Cash natürlich (zum Glück) nicht synchronisiert wurde und Untertitel ebenfalls nur auf Englisch und Spanisch verfügbar sind. Die Bildqualität entspricht einer Fernsehsendung aus den Siebzigern und der Ton ist einwandfrei. Das Bonusmaterial ist dagegen eher verzichtbar, es besteht nur aus ein paar Minuten mit nichts sagenden Outtakes von den Dreharbeiten. Da wäre es sicher netter gewesen, noch den einen oder anderen Livesong von Johnny Cash beizufügen. Das soll aber nicht den Film als solchen schmälern, der zumindest mir richtig Spaß gemacht hat.
Technische Daten:
Dauer: ca. 64 Minuten
Tonformat: Dolby Digital 5.1 und 2.0
Bildformat: 4:3 NTSC
Regionalcode: 2/3/4/5 NTSC
Sprache: Englisch
Untertitel: Englisch, Spanisch
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle