Kitchen Stories
- Regie:
- Bent Hamer
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Norwegen / Schweden
- Originaltitel:
- Salmer fra kjøkkenet
1 Review(s)
21.03.2005 | 08:37Was soll man von einem Film erwarten, der laut DVD-Verpackung der Film mit der "größten Buckelvolvodichte aller Zeiten ist"? Das verspricht zumindest einmal interessant zu werden, vor allem auch, weil der Film aus dem hohen Norden Europas stammt, von wo aus man uns schon des Öfteren mit herrlich skurrilen Filmen beglückt hat. Worum geht es aber nun in "Kitchen Stories", dem Film mit den vielen Buckelvolvos?
Nachdem man im Schweden der 50er Jahre die Arbeit der Hausfrau rationalisieren konnte, indem nach umfangreicher wissenschaftlicher Forschung die Küchen optimierte, macht sich nun eine schwedische Forschergruppe auf, ein noch unerforschtes Phänomen im Haushalt zu erforschen: den männlichen Junggesellen. So halten die verschiedenen Wissenschaftler Einzug in diverse untersuchungswillige Single-Haushalte in Norwegen und Finnland. Folke Nilsson (Tomas Norstöm) wird auf den kauzigen Isak Bjornsson (Joachim Calmeyer) angesetzt, der erst noch überredet werden muss, seine getätigte Zusage, an dem Experiment teilzunehmen, auch einzuhalten. Und dann geht's auch schon los: Folke parkt seinen Volvo samt Wohnwagen vor Isaks Haus und platziert einen Hochstuhl in eine Ecke von dessen Küche. Von diesem Ort aus beobachtet er nun, wie Isak sich in seiner Küche bewegt. Sehr zum Unwillen Folkes sind diese Bewegungen aber sehr eingeschränkt. Isak ist die stete Beobachtung, unter der er jetzt steht, nämlich nicht ganz genehm und er verlagert die Essenszubereitung kurzerhand in sein Schlafzimmer, von wo aus er auch heimlich seinerseits Folke durch ein Loch beobachtet. Doch so nach und nach entwickelt sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen den beiden, was wohl ganz und gar nicht im Interesse der Wissenschaft und von Folkes Vorgesetztem ist.
Wie an der Inhaltsangabe schon unschwer zu erkennen ist, bietet "Kitchen Stories" eine Unmenge an Möglichkeiten für skurrile und absurde Situationen, die mit einer leichten Lockerheit in Szene gesetzt sind. Allein wenn man sich die Szenerie besieht, in der der ordentlich gekleidete Wissenschaftler in einer Ecke der rustikalen Küche auf einem Hochsitz sitzt und den verschrobenen Isak beobachtet, der an seinem Tisch sitzt – und nichts tut -, ist dies eigentlich schon zum Schießen. Der Film setzt eben mehr auf einen ruhigen Humor als auf Schenkelklopfer, hat damit aber immensen Erfolg.
Bereits die Charaktere, die man wohl am besten als Durchschnittstypen mit dem gewissen Etwas umschreiben kann, können den Zuschauer und dessen Sympathie für sich gewinnen. Und da diese, trotz der stetigen Beobachtung, doch versuchen, ihre Geheimnisse für sich zu behalten, wird doch nach und nach mehr von ihnen offenbart. Allerdings nicht durch die Beobachtung, sondern durch das Sich-für-den-anderen-Öffnen, als sich Folke und Isak langsam anfreunden. Und diese Beziehung zwischen den beiden sorgt für eine gewisse Spannung, die den Zuschauer bei Stange hält.
Aber den Film nur auf seinen skurrilen Humor und die skurrilen Anklänge bei den Charakteren zu beschränken, würde ihm Unrecht tun. Auch den Schwermut der Alltäglichkeit weiß der Film gekonnt einzufangen, ebenso wie die kleinen liebenswerten Spitzen, die diesen Alltag dann dennoch lebenswert machen. Und auch ernste Themen, wie die, die um den Tod kreisen, werden mit einer erstaunlichen Leichtigkeit angepackt, so dass sich durchaus ein Blick hinter das Offensichtliche des Films lohnt.
Wenn man den Film nämlich auf einer Meta-Ebene jenseits der 50er-Jahre-Muffigkeit betracht, erscheint er plötzlich wie ein durch und durch zeitgemäßes Produkt. Denn die Frage des Beobachtetwerdens und des Eindringens in die Privatsphäre ist durchaus eine, die in Zeiten von "Big Brother"-Containern oder gar –Dörfern und neuen technischen Überwachungsmöglichkeiten aktueller ist denn je. Gerade bei den Voyeurismus-Shows im Fernsehen kann man doch oft beobachten, dass die Zuschauer manchmal eine Beziehung zu den Beobachteten aufbauen – wenn auch natürlich nur eine einseitige. Und eben eine solche einseitige Beziehung bricht Isak, als er selbst damit beginnt, Folke zu beobachten, und so eine wahre und gegenseitige Beziehung erst ermöglicht.
Außerdem könnte man – getreu nach dem primitiven Verständnis der Heisenbergschen Unschärferelation – nach dem Einfluss des Beobachters auf den Beobachteten fragen. Ganz offensichtlich wird dieser Einfluss natürlich, wenn Folke einen Salzstreuer stibitzt, der das Verhalten Isaks dahingehend verändert, dass dieser sich auf die Suche nach dem Salzstreuer macht, die ohne Folke nie nötig gewesen wäre. Aber der Einfluss setzt schon viel früher ein, wenn nämlich Isak versucht, sich ein Stück Privatsphäre zu reservieren, indem er seine Mahlzeiten einfach im Schlafzimmer zubereitet, wozu Folke keinen Zugang hat. Und so wird schließlich jegliche Beobachtung zu einem Zerrbild, einem Vorgegaukel von Authentizität, was sich dann natürlich auch wieder auf de Mols "Großen Bruder" anwenden lässt.
Weiterhin sagt der Film auch einiges über die kulturellen Unterschiede zwischen den Schweden und den Norwegern aus, und dass diese im Endeffekt nur künstlich errichtet sind und sich durch Annäherung leicht überwinden lassen. Nicht umsonst geht der Film auch darauf ein, dass in Schweden damals Linksverkehr auf den Straßen Vorschrift war und in Norwegen Rechtsverkehr. Eine Vereinheitlichung schien in den 50ern noch absurd, ist mittlerweile aber längst Normalität.
Wer skurrile Filme mit einem Schuss Melancholie mag, die auch noch über einigen Tiefgang verfügen, der ist bei "Kitchen Stories" richtig aufgehoben. Gelungener, unaufdringlicher Humor und einige liebenswürdig verschrobene Charakter gesellen sich zu der für sich schon genial schrägen Grundidee des Films. Dennoch ist der Film wohl eher was für die bedächtigeren Stunden als für den alkoholgetränkten Videoabend mit Freunden; dafür hat man wohl selten Gelegenheit, so viele Buckelvolvos auf einmal in einem Film zu bewundern.
Die DVD von Sunfilm präsentiert den Film in einem gelungenen 16:9-Transfer mit wahlweise deutscher oder schwedisch-norwegischer Tonpur – jeweils entweder Dolby Surround oder 5.1. Als Extras gibt es neben einem Making-of zwei Werbespots aus den 50er Jahren, in denen es um Kücheneinrichtungen geht – die ideale Ergänzung also zum Hauptfilm.
- Redakteur:
- Andreas Fecher