Man Who Wasn't There, The
- Regie:
- Ethan und Joel Coen
- Jahr:
- 2001
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
30.08.2006 | 19:47Handlung:
Eine amerikanische Kleinstadt in den frühen 50-er Jahren: Der introvertierte Ed Crane ist Friseur in einem kleinen Laden eines Verwandten. Er spricht nicht viel, ist vielmehr ein Beobachter der Dinge geworden und vegetiert in einem Alltag voller Monotonie und Gleichgültigkeit. Sein Job erfüllt ihn nicht und die Ehe zu seiner Frau ist eine reine Farce. Eine plötzliche Ausbruchsmöglichkeit aus diesem Dasein scheint ein Vertreter für Trockenreinigung zu bieten, dem Crane die Haare schneidet. Der Vertreter erzählt ihm von den Wundern dieser neuartigen Reinigungsmethode und dem Gewinn, den man mit der Vermarktung machen könnte. Er bietet dem Friseur an, mit einem Betrag von 10.000 Dollar sein neuer Geschäftspartner zu werden. Crane wittert die große Chance und erpresst den Kaufhausbesitzer Big Dave, der ein Verhältnis mit Cranes Frau hat. Als Big Dave in Erfahrung bringt, dass Crane für die Erpressung verantwortlich ist, will er ihn umbringen. Es folgt ein Handgemenge, das eine Lawine von Ereignissen lostritt, die nicht mehr zu kontrollieren ist.
Auswertung:
Ganz in Schwarz/Weiß kommt dieser Film der Brüder Coen daher, spiegeln doch die tristen Farben den langsamen Niedergang des Friseurs Ed Crane wieder. Dieser wird gespielt von Billy Bob Thornton, der den Charakter Ed Crane mit minimalistischer Mimik und dementsprechend starren Gesichtszügen wunderbar und überzeugend spielt.
Crane selbst findet sich in einem Lebensabschnitt wieder, dessen Verlauf er in seiner Vergangenheit nicht so geplant hatte. Aus dem Off heraus philosophiert er über seine Situation als Barbier und wie es ihn in den kleinen Laden seines Verwandten verschlagen hat. Immer wieder blitzt Reue in diesen Vorträgen auf, aber Crane scheint die nötige innerliche Energie zu fehlen, um aus dem Kreislauf seines Alltags auszubrechen. Er ist ein wortkarger Mensch, der eigentlich nur seinen Platz in der Welt sucht, aber weiß, dass der Platz, den ihm die Welt gegeben hat, nicht der richtige ist. Crane ist in einer Sackgasse seines Lebens angekommen, wünscht sich aber eine Möglichkeit zum Neuanfang, die er in dem Vertreter für Trockenreinigung sieht. Der Barbier erhofft sich den amerikanischen Traum - den Traum vom Neuanfang, von Optionen im Leben, vom Schmieden des eigenen Glücks, das ihn aus der Trostlosigkeit seiner Existenz befreit und ihn seine eigenen Karten neu mischen lässt. Das Glück liegt zum Greifen nahe und Crane muss nur noch die Initiative ergreifen, indem er sich die 10.000 Dollar durch Erpressung beschafft.
Jedoch wird der private amerikanische Traum des Protagonisten von den Gebrüdern Coen mit einer deftigen Prise „Film Noir“ interpretiert, und Crane verwickelt sich genretypisch in einem Teufelskreis, der zu seinem Untergang führt. Dieser wird durch die einzige bewusste Entscheidung Cranes, nämlich der Investition in die Trockenreinigung, endgültig besiegelt. Nach dem klassischem „Film Noir“-Konzept ist “The Man Who Wasn`t There“ in schwarz/weiß gehalten und lebt von dem grandiosen Spiel von Licht und Schatten, das in dem Film eine unheilsschwangere Atmosphäre schafft und den Zuschauer fesselt und fasziniert.
Generell ist zu sagen, dass der Film durch seine grandiose Kameraarbeit erst richtig wirkt und den Zuschauer intensiv mit dem Hauptcharakter mitleiden lässt. Aufnahmen von Cranes starrem Gesicht, seinem Ziehen an einer Zigarette oder seine monotone Arbeit im Friseursalon strahlen im schwarz/weiß-Look eine gewisse Ästhetik aus, die auch nachhaltig beeindruckt und mit den ruhigen Klaviermelodien harmonisiert, die die Handlung untermalen.
Cranes Untergang beschäftigt auch nach dem Betrachten des Films den Zuschauer noch einige Zeit. Eine Grundfrage bleibt im Gedächtnis des Zuschauers hängen: Warum scheitert der schweigsame Barbier? Die Frage ist schwer zu beantworten. Vielleicht sind es die Irrwege der Gesellschaft, die es Crane auf normalem Wege unmöglich machen aus seinem Alltag auszubrechen, vielleicht ist es seine Frau gewesen, eine umgekehrte Femme fatale, die ihn innerlich verhungern ließ und demnach zu seinem Scheitern führte. Eindeutig kann diese Frage nie beantwortet werden, viel zu unbekannt, verschlossen ist der eigentliche innerliche Antrieb des Protagonisten. Gegen Ende des Films zitiert Cranes gut bezahlter Anwalt Riefenschneider in einem Verteidigungsplädoyer die Unschärferelation eines deutschen Wissenschaftlers. Die Theorie geht davon aus, dass man, je genauer man Dinge betrachtet, diese bei der Betrachtung verfälscht. Sie wirkt wie zugeschnitten auf den wortkargen Protagonisten. Je mehr wir von ihm erfahren, „the less we really know“.
Umsetzung auf DVD:
Der Film erscheint in sehr guter Bildqualität und optischer Schärfe. In keiner Sequenz verliert das Werk der Brüder Coen durch mangelhafte Umsetzung an seiner Klasse als Film. Der Ton ist sehr gut. Mir sind keinerlei merkliche Schwachstellen aufgefallen.
Weitere Extras der DVD:
- Making of
- Interview mit dem Kameramann Roger Deakin
- Audiokommentar von B.Thornton, Gebr. Coen
- Deleted Scenes
- Filmografien
- Fotogalerie
- Kinotrailer
- TV Spots
Fazit:
“The Man Who Wasn’t There“ ist ein besonderes Filmerlebnis, das durch überragende schwarz/weiß-Aufnahmen, dem Spiel von Licht und Schatten und der überragenden schauspielerischen Darstellung der Hauptcharaktere überzeugt. Die Trostlosigkeit und Monotonie im Leben des Protagonisten ist meisterhaft auf Zelluloid festgehalten worden und brilliert in der stillen Ästhetik der Bilder. Dieses Stück Kino ist meiner Meinung nach für jeden Cineasten ein absolutes Muss, da der Film von einer Atmosphäre lebt, die man nur sehr selten im Wust der bewegten Bilder findet.
- Redakteur:
- Thomas Graef