Mann mit dem goldenen Arm, Der
- Regie:
- Otto Preminger
- Jahr:
- 1955
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The man with the golden arm
1 Review(s)
27.10.2008 | 16:13Spannend: Drogendrama mit hervorragendem Sinatra
Frankie Machine kommt aus der Drogentherapie zurück in sein altes Chicagoer Milieu, um hier endlich eine bürgerliche Existenz anzufangen. Doch seine anhängliche Frau Zosh, sein früherer Arbeitgeber Schwiefka und der Drogenhändler Louis geben ihm keine Chance. Nur sein Freund Sparrow und das Barmädchen Molly halten zu ihm. Kann er es schaffen auszubrechen?
Der Film ist ein "Meisterwerk von Otto Preminger - einer der ersten Filme Hollywoods, die sich mit Drogensucht befassen." (Videomarkt) Drogensucht war 1955 ein absolutes Tabu für Hollywood.
Filminfos
O-Titel: The man with the golden arm (USA 1955)
Dt. Vertrieb: Koch Media
Erscheinungsdatum: 01.12.2006
FSK: ab 16
Länge: ca. 114 min
Regisseur: Otto Preminger
Drehbuch: Lewis Meltzer, Walter Newman nach dem Roman von Nelson Algren
Musik: Elmer Bernstein
Darsteller: Frank Sinatra, Eleanor Parker, Kim Novak u. a.
Handlung
Nach sechs Monaten in der Entziehungsanstalt und -therapie kommt Frankie Machine (Sinatra) wieder zurück in sein altes Chicagoer Milieu, zurück in die schäbige Rotlichtwelt der Kneipe, Striplokale und Spielhöllen. Sein alter Kumpel, der Ladendieb Sparrow (Arnold Stang), freut sich wesentlich mehr als Frankies Frau, die im Rollstuhl sitzende Zosh (Eleanor Parker). Er gibt sich die Schuld an dem Unfall, der sie gelähmt hat. Ihre Invalidität gibt ihr die Möglichkeit, ihn eng an sich zu binden. Sein Plan, das neue Schlagzeug, ein Geschenk der Anstalt, für einen Karrierestart als Trommler zu nutzen, kommt ihr daher gar nicht recht.
Um beim ersten Vorstellungstermin einen guten Eindruck zu machen, braucht Frankie einen guten Anzug. Sparrow klaut einen solchen im nächstbesten Kaufhaus, doch er wird von Schwiefka (Robert Straus), einem Betreiber illegaler Glücksspiele und Frankies früherer Brötchengeber, verpfiffen. Um dem Gefängnis zu entgehen, sieht Frankie nur einen Ausweg: Er muss den Gefallen annehmen, den Schwiefka ihm mit 30 Dollar Kaution erweist, und wieder für ihn arbeiten. Schwiefka und seine Kumpane nennen Frankie, den Kartengeber, "Mann mit dem goldenen Arm". Dabei wollte Frankie seinen Arm eigentlich fürs Trommeln nutzen.
Beim Pokerspielen merkt Frankie, dass seine Hände zittern, deshalb geht er zu seinem früheren Dealer Louis (Darren MacGavin), um sich einen Schuss zu kaufen. Gleich geht es ihm besser. Er besucht das Barmädchen Molly (Kim Novak), seine ehemalige Freundin, die ihn moralisch wieder aufbaut, denn sie glaubt an ihn und seine Pläne. Das unterscheidet sie deutlich von Zosh, die denn auch Frankie des Fremdgehens mit Molly verdächtigt. Nur bei Molly darf er Schlagzeug üben. Sie bewegt ihn auch dazu, sich bei einem Musikagenten zu melden, und so bekommt er einen Vorspieltermin. Zusammen träumen sie von einer bürgerlichen Existenz.
Das könnte auch klappen, wenn da nicht Schwiefka und Louis wären. Die beiden arbeiten Hand in Hand und haben diesmal zwei Kunden an Land gezogen, die sie mit Frankies Hilfe auszunehmen gedenken. Doch der Plan geht schief, denn bei Frankie zeigen sich mittlerweile schon nach wenigen Stunden ohne Schuss Entzugserscheinungen. Nach dem Scheitern des Plans kommt es zu Auseinandersetzungen. Frankie schlägt Louis nieder, weil er keinen Stoff findet, und flüchtet dann zu Molly, um sie anzupumpen. Doch die lässt ihn wütend sitzen - sie will seine Sucht nicht mit ihrem sauer verdienten Geld unterstützen - und zieht aus.
Louis will es ihm heimzahlen und stürzt in Frankies Wohnung. Dort findet er zu seinem Erstaunen eine stehende Zosh vor. Sie gerät völlig in Panik, und wenig später findet die herbeigerufene Polizei Louis' Leiche im Treppenhaus vor. Da es die offenbar gelähmte Zosh nicht gewesen sein kann, fällt der Verdacht für den Mord auf Frankie. Aber wo treibt der sich herum?
Mein Eindruck
"Eine düstere Studie, vortrefflich inszeniert und mit hohem schauspielerischem Können bewältigt, die in Ansätzen klarmacht, dass nicht Zufall oder Veranlagung, sondern Herkunft und Milieu den Weg in die Sucht vorherbestimmen", meint das Lexikon des Internationalen Films.
Dieser soziologische Ansatz stellte seinerzeit bereits eine Provokation dar. Denn wenn so veränderbare Faktoren wie das Milieu und die soziale Herkunft die "Sünde" der Sucht bedingen, dann sind alle Bürgen und besonders ihre Behörden moralisch verpflichtet, dem Drogensüchtigen aus seiner Misere zu helfen. Es ist nicht mehr, wie sonst immer zuvor behauptet, die Schuld des Einzelnen und somit des Drogensüchtigen selbst, wenn er der Droge verfällt.
Wenn aber die Behörden jetzt den Schwarzen Peter haben, wieso haben sie dann nichts gegen den Drogenhandel unternommen? Darin liegt die eigentliche Kritik des Films. Kein Wunder, dass die Kritik die Adressaten laut protestieren ließ. Die Filmwirtschaft Hollywoods versuchte denn auch, das Release des Films zu verhindern, und der Verleih musste aus ihrem Verband austreten, um es Produzent und Regisseur Preminger zu ermöglichen, sein Werk auch in den Kinos aufzuführen.
~ Drama ~
Vieles hätte mit dem Drehbuch und der Inszenierung schiefgehen können. An manchen Stellen merkt man es dem Streifen an, dass noch Konventionen der Tränendrückerdramen galten, so etwa in den Eheszenen zwischen Zosh und Frankie sowie in den Auseinandersetzungen zwischen Frankie und Molly. Zum Glück sind diese Szenen jeweils ziemlich kurz gehalten, und gleich danach begibt sich Frankie wieder in männliche Gesellschaft, zum Guten oder Schlechten.
Recht witzig sind Sinatras Dialoge mit Arnold Stang, einem Komiker und Cartoon-Sprecher, der in der deutschen Synchronisation vom Berliner Schnellsprecher und Kabarettisten Wolfgang Gruner vertreten wurde.
~ Cold Turkey ~
Das eindringlichsten Szenen hat Sinatra in den Momenten des Entzugs darzustellen. Dass Frankie auf Droge ist, stellt die Kamera anhand von Sinatras unnatürlich verengten Pupillen dar. Da merkt auch Molly schnell, was los ist. Sie stellt Frankie eine Wahlmöglichkeit vor Augen, welche die schrecklichste aller Optionen bedeutet. Zur Polizei, die ihn wegen Mordes an Louis sucht, kann er nicht; aber zu Zosh erst recht nicht, weil man ihn dort bereits erwartet. An Stoff kommt er nach Louis' Tod auch nicht heran. Um sich zu retten, bleibt ihm nur eines: der kalte Entzug.
Jeder sollte sich einmal John Lennons Stück "Cold Turkey" anhören, um sich zumindest einen akustischen Eindruck davon zu verschaffen, was der kalte Entzug an grauenvollen Schmerzen mit sich bringt. Lennon erspart dem Hörer absolut nichts, und man braucht starke Nerven, um sein Geschrei und die kreischende E-Gitarre aushalten zu können. Sinatra liefert mit Frankies Cold Turkey das optische Gegenstück dazu, aber im Vergleich mit Lennons Werk ist das ein laues Lüftchen. Dennoch wussten die Verrenkungen und Schmerzensmienen Frankies die Zeitgenossen sicherlich zu beeindrucken, wenn nicht sogar zu schockieren.
~ Der goldene Arm ~
Was mir besonders gut gefiel, ist die Metapher des "goldenen Arms", den Frankie haben soll. Er wird ihm zugeschrieben. Für Schwiefka und Louis bedeutet der goldene Arm so viel wie "ein gutes Händchen haben" - Frankies Pokerkünste sollen ihnen ein Vermögen einbringen. Dieser illegalen Variante des goldenen Arms steht die ehrliche gegenüber: Mit seinem Trommeln beweist Frankie, dass er es auch aus eigener Kraft zu etwas bringen kann, auf legale Weise, die auch noch Spaß macht.
Doch er muss sich zwischen diesen beiden Polen entscheiden, und das Dilemma zerreißt ihn derartig, dass er in der Droge eine Ausflucht ergreift. Plötzlich wird aus dem goldenen Arm eine dritte Variante: die der Selbstzerstörung. Nur der kalte Entzug kann Frankie letztlich vor diesem Schicksal bewahren. Und das ist der schwerste Weg von allen. Dennoch sagt Frankie als ein wahrer Pokermann: "Das Spiel beginnt. Wer wagt, gewinnt." Genau so eröffnet er auch eine Pokerunde. Das Spiel ist immer spannend, und selbst wenn er glaubt, er habe es gewonnen, gibt es immer jemanden, der ihm die Tour vermasseln will.
~ Die Musik ~
Elmer Bernstein hat eine fetzige Jazz-Musik geschrieben, die richtig zupackend und dynamisch ist. Nur selten will sie zu den Eheszenen und den zärtlichen Szenen mit Molly passen, dafür aber umso besser zu der Gewalt und dem Verbrechen, denen Frankie ständig ausgesetzt ist.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,33:1
Tonformate: Deutsch in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Extras:
Originaltrailer
4-seitiges Booklet
Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
Bild und Ton könnten noch besser sein. Das Bild wurde zwar aufgemöbelt, doch so richtig scheint es der Verleih nicht digital überarbeitet zu haben. Die meisten Fehler wurden entfernt, aber am Anfang sieht man einen dünnen schwarzen Vertikalstreifen, und im Verlauf des Films sind vereinzelt kleine Artefakte zu sehen. Der Ton entspricht DD 2.0, doch besonders in der Synchronisation sind die Stimmen zu schrill und klingen nicht natürlich.
Der ORIGINALTRAILER (2:12 min) folgt dem Design der weißen Streifen, die sich unversehens in einen weißen Arm verwandeln. Nach einem Vorwort aus dem Off laufen eine Reihe von unkommentierten Szenen ab, die wohl die Höhepunkte darstellen sollen. Ein Betrachter, der von der Story nichts weiß, kann sich aber aufgrund der Szenen keinen Reim auf den Film machen.
Die BILDERGALERIE umfasst neben dem DVD-Cover und diversen Filmplakaten eine Vielzahl von deutschsprachigen Aushangfotos. Interessant sind zwei Hefte, eines von der "Filmbühne", eines für die Werbung. Sie enthalten nicht nur gezoomte Inhaltszusammenfassungen, sondern auch eine Menge von Fotos. In der Sektion mit dem Werbematerial findet sich eine Seite, auf welcher der amerikanische Verleih den Kinobesitzern strenge Vorschriften macht, auf welche Weise sie den Film bewerben dürfen, nämlich nur mit dem Design, das man auch auf dem DVD-Cover sieht (Farben, Arm, Farbflächen usw.). Zu guter Letzt verblüfft den Betrachter noch der Zensurbescheid: "nicht jugendfrei". Na, prost!
Das vierseitige BOOKLET enthält einen Beitrag von Richard Oehmann, dessen Einlassungen schon in den Western-Sammler-Editionen zu finden waren. Demnach stellt dieser Film den künstlerischen Höhepunkt in Sinatras Filmauftritten dar. Parallel dazu lief es in seiner Sängerkarriere ebenfalls ziemlich gut, trotz der Trennung von Ava Gardner kurz vor dem Filmprojekt. Für Kim Novak war der Film der Start zu einer Rollenreihe, in der sie stets das gefallene Mädchen mimen musste, bis schließlich Hitchcocks "Vertigo" (1958) der Reihe ein Ende setzte. 1957 spielte sie in "Jeanne Eagles" einen Horrortrip unter Drogen, also genau wie Frankie Machine.
Eleanor Parker, die Darstellerin der Zosh, trat noch bei William Wyler, Raoul Walsh und Michael Curtiz in vielschichtigen Rollen auf, wurde aber nie zum Star: drei OSCAR-Nominierungen, aber kein Sieg. Otto Preminger, der Regisseur, liebte den Konflikt. Er drehte "Carmen Jones", eine "Carmen"-Version nur mit farbigen Darstellern, legte sich in "Der Kardinal" mit der katholischen Kirche an und beschäftigte sich in "Exodus" mit der Gründung des Staates Israel. Als seine besten Filme gelten lauten Oehmann "Laura" und "Anatomie eines Mordes" (à la "Kaltblütig") sowie "Fluss ohne Wiederkehr" mit Marilyn Monroe.
Seltsamerweise verliert Oehmann kein Wort über die Querelen, die der Regisseur und Produzent mit seinem Film in Hollywood hatte. Dazu muss man das Filmbühne-Heft am Bildschirm lesen. Das Thema Drogensucht war für Hollywood tabu. Dementsprechend große Probleme bekam Preminger. Um ihn veröffentlichen zu können, musste der Verleih der United Artists sogar aus dem Verband der Filmwirtschaft austreten. Anscheinend wurde der Streifen dann doch ein großer Erfolg in den USA und England. Zahlen dazu werden aber ebenfalls nicht geliefert. Das ist keine saubere Arbeit, Herrschaften!
Unterm Strich
In den fünfziger Jahren wurden etliche bahnbrechende Dramen produziert, so etwa "Endstation Sehnsucht" und "Die Faust im Nacken" mit Marlon Brando, aber auch "The Manchurian Candidate" mit Frank Sinatra. Das bis dahin tabuisierte Thema Drogensucht wird in "Der Mann mit dem goldenen Arm" sowohl als menschliches Drama wie auch als Thriller verarbeitet, eine wirkungsvolle Mischung, die auch den heutigen Filmfreund noch bei der Stange zu halten weiß.
Dies ist zwar nicht "Chinatown" oder "Mean Streets", aber alles spielt sich doch in einem Elendsviertel ab, wo das Zwielicht der Halbwelt es Existenzen wie Frankie Machine - wundervoller Name, könnte von Stephen King sein - nicht gerade erleichtert, sich aus den Fesseln des kriminellen Milieus zu befreien. Die Polizei hat von so etwas wie "streetworkern" noch nie etwas gehört und kennt nur ein Mittel: einbuchten und wegsperren.
Indem der Film aufzeigt, wie stark Milieu und Herkunft selbst auf therapierte Süchtige wie Frankie einwirken, schiebt er den Schwarzen Peter den Behörden zu, die nichts gegen die Verhältnisse tun. Der Regisseur hofft aber gleichzeitig, dass sich an den Verhältnissen etwas ändert, sozusagen als Vorläufer der Kennedy-Ära - und das mitten in den paranoiden Eisenhower-Jahren.
Obwohl Sinatra einen Junkie spielt (und zwar ganz hervorragend), kann der Zuschauer nicht anders als Sympathie und Mitgefühl für seinen Frankie zu verspüren. Denn Frankie ist stets Opfer der Verhältnisse, nicht etwa Initiator von Verbrechen. Am schlimmsten fand ich nicht die Gangster, sondern Frankies Frau Zosh (ausgesprochen "sasch"), die sich an ihn klammert und dabei einen fiesen Trick anwendet: Sie tut nur so, als sei sie invalide. Der Besuch eines Quacksalbers bei ihr und die Trommelstöcke, die er auf dem Küchenschrank findet, hätten einem misstrauischeren Mann als Frankie vielleicht die Wahrheit verraten, aber er ist durch seine Sucht abgelenkt. Man möchte ihn am liebsten am Arm nehmen und ihm Bescheid stoßen.
Die Silberscheibe hat mich nicht sonderlich beeindruckt. Zwar hat der Verleih ein Booklet beigelegt und eine Bildergalerie samt Trailer beigefügt, aber das war's dann auch schon. Der Zuschauer hat das Gefühl, dass es noch sehr viel mehr über diesen Film zu sagen gäbe, so etwa über den Romanautor Nelson Algren und über den Regisseur Otto Preminger, doch das gibt das Artikelchen von Oehmann nicht her. Zeit für eine werkkritische Edition dieses Films. Allein schon wegen "Frankieboy" und seinen Fans.
- Redakteur:
- Michael Matzer