Mardock Scramble - The First Compression (DVD)
- Regie:
- Kudo, Susumo
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Trickfilm
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Marudukku sukuranburu: Asshuku
1 Review(s)
28.12.2011 | 15:51Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch die gefeierte "Mardock-Scramble"-Serie in einem Anime verwirklicht werden würde. Dennoch sind immerhin fünf Jahre seit der hiesigen Erstveröffentlichung der Bücher und der cineastischen Umsetzung vergangen - genügend Zeit, um die komplexe, sehr emotionale Geschichte in ein nicht minder abstraktes Filmformat zu pressen und ihr innerhalb der vielen philosophischen Beiträge zum Anime-Sektor einen Platz zu schaffen. Mit "The First Compression" ist nun endlich der erste Teil der audiovisuellen Interpretation auf den Markt gekommen. Und es erstaunt eigentlich wenig, dass der von Susumo Kudo produzierte Streifen hält, was das außergewöhnliche Storyboard verspricht.
Story:
Mit gerade einmal 19 Jahren hat sich die junge Rune Barlot bereits voll und ganz der Prostitution hingegeben. Von ihrem Vater im Kindesalter vergewaltigt fühlt sich das schüchterne Mädchen wertlos und verkauft ihren Körper, um sich auch finanziell über Wasser zu halten. Eines Tages lernt sie den visionären Shell kennen, der ihr die große Liebe verspricht, und mit dessen Hilfe sie sich einen Ausweg aus der Prostitution erhofft. Doch als sie Nachforschungen über ihn anstellt, bringt dieser sie kaltblütig um.
Mit Hilfe der verbotenen Technologie Mardock Scramble 9 gelingt es den Rechtsvertretern von Mardock City, Barlot wieder zum Leben zu erwecken und Ermittlungen über ihre jüngere Vergangenheit anzustellen, damit der Mord posthum aufgeklärt werden kann. Doch das Mädchen hat sich verändert, verfügt nun über außergewöhnliche Kräfte, hat im Regenerationsverfahren jedoch ihre Stimme verloren. Lediglich mithilfe einer sprechenden Maus namens Oeufcoque kann sie sich mental austauschen und somit ihre Gedanken und auch ihre geistige Entwicklung neu abstimmen. Oeufcoque hat sich zum Ziel gesetzt, ohne jegliche Gewalt Verbrechen aufzuklären und sieht sich auch im Falle von Barlot kurz vorm Ziel. Doch das Mädchen scheint außer Kontrolle zu geraten, da der Rachedurst weitaus größer ist als der Wunsch nach legaler Rechtsprechung ...
Persönlicher Eindruck:
Die Umsetzung der Story und vor allem aller emotionalen Wendungen muss für den Regisseur ein ziemlicher Gewaltakt gewesen sein, nicht zuletzt, weil seine Protagonistin nicht in der Lage ist, sich verbal mitzuteilen. Zwar sprechen ihre Gedanken aus ihr heraus und werden im mentalen Dialog mit Oeufcoque auch festgehalten, doch es galt dennoch, die Kunst zu bewältigen, einen einerseits eiskalten, andererseits aber auch sehr melancholischen, stillen Menschen zu reproduzieren, ohne dabei die Wirkung der Hauptfigur aufs Spiel zu setzen. Eben jener Schritt ist Susumo Kudo vor allem in der Entwicklung seiner wichtigsten Charakterzeichnung wunderbar gelungen. Rune Barlot ist ein undurchschaubares Wesen, dem anfangs eine sehr naive Einstellung anhängt, bei dem sich jedoch ein enormer Fortschritt abzeichnet, je weiter der Plot voranschreitet - und von diesen elementaren, kleinen Schritten lebt die Handlung im Grundsatz auch.
Dabei ist "Mardock Scramble" eigentlich mit Zitaten so vieler Blockbuster ausgestattet, dass es schon erstaunlich ist, wie die Story ihren eigentümlichen Charakter bewahrt und wie es darüber hinaus gelingt, diesen auch im Laufe der leider nur knapp 70-minütigen Erzählung immer weiter mit Eigenheiten auszustatten, die zwar Vergleiche zu beliebten Animes wie "Ghost In The Shell" zulassen, aber letzten Endes zu keiner Zeit kopiert wirken. Man stelle sich beispielsweise vor, man würde einen futuristischen Anime - und der liegt hier vor - mit dem eigensinnigen Flair der "Kill Bill"-Reihe versehen, die Atmosphäre eines klassischen Cyberpunk-Streifens hinzufügen, darüber hinaus die Weisheiten der "Evangelion"-Serie einflechten und schließlich eine bewusste Sterilität bei den Gedankengängen ergänzen, und schon ist man in der Welt von "Mardock Scramble" angekommen, ohne wirklich zu wissen, welche Eigenschaften nun hier die bedeutsamsten sind.
Es ist schließlich die elegante Vermischung von Action, emotionalen Breaks, Science-Fiction-Elementen, sehr detailreich ausgeprägten Charakterzeichnungen und einem gewissen Irrwitz, der hier die Magie ausmacht. Nimmt man etwa die Maus Oeufcoque, die hier sinnbildlich für die Eigenarten des Filmes stehen, hat man eigentlich schon all das zusammengefasst, was "Mardock Scramble" abhebt. Skuille Gedankenzüge sind hier mit absolutem Genie gekoppelt, und dennoch ist das Ganze fernab von übertriebenen Darstellungen oder maßlosen Abstraktionen, die den Inhalt von seiner Präsentation entfremden. Auch wenn so manche Wendung recht schwierig ist, auch wenn es manchmal komisch anmutet, wenn die Produktion von ihrer übergeordneten Stille (vor allem im mittleren Teil) lebt, so lebt hier alles in beklemmender Harmonie miteinander und macht den ersten Teil dieser Trilogie zu einem wahren Schatz im inzwischen nicht mehr ganz so lebendigen Anime-Dschungel.
Jene Einschätzung folgt schließlich auch für die Zeichnungen, die bewusst zwischen Detailverliebtheit auf der einen und recht oberflächlichen, fast schon altertümlich erscheinenden Skizzen auf der anderen Seite pendeln. Wenn Rune Barlot an Bord ihres Kleinwagens an der Metropole entlangfährt und auf ihrer linken Seite einige ziemlich verwaschenen Landschaften mit den feinen Schärfen von Stadt und Fluss konkurrieren, hat das schon etwas Besonderes - und genau diesen Stil verfolgt "Mardock Scramble" über die gesamte Spieldauer und untermalt damit noch einmal dieses unbeschreiblich spezielle Segment, dem dieser Titel hier unterzuordnen ist. Auch dies ist gewöhnungsbedürftig, ebenso wie der Inhalt, doch es macht am Ende einfach Sinn, eine solche Form der gestaltung zu wählen, um den kunstvollen Rahmen auch weiterhin zu bewahren. Fabelhaft, mit einem Wort!
Ausstattung:
Bei Bild und Ton scheiden sich womöglich die Geister. Sicherlich ist die visuelle Kunst hier nicht durch allzu sterile Animationen entfremdet worden, das wäre schließlich auch widersprüchlich. Hier und dort wäre ein wenig mehr Schärfe jedoch wünschenswert gewesen, da das Bild stellenweise schon ein wenig verrauscht ist. Klanglich ist "Mardock Scramble" indes eine Wonne, sowohl im Hinblick auf die musikalische Untermalung, als auch rein sphärisch. Der Cyberpunkt-Charakter wird aber dennoch gewahrt, und auch wenn es sich hier um eine aktuelle Produktion handelt, so haftet ihr doch schon im gewissen Sinne eine Old-School-Attitüde an, die vor allem langjährigen Fans den Zugang erleichtern wird. Dennoch: Das Bild ist nicht ganz so genial wie der Rest dieses Pakets.
Fazit:
"Mardock Scramble" ist nicht nur eine ansprechende Verfilmung für den Special-Interest-Anime-Liebhaber, sondern ein universell interessanter, fast ununterbrochen fantastisch umgesetzter Streifen, der die Elemente vieler Sub-Genres in einem einzigen, leider relativ kurzen Plot vereint. Und da es sich bei "The First Compression" lediglich um den ersten Part einer Trilogie handelt, kann man sich darauf einstellen, dass hier ein weiterer, echter Klassiker heranreift, dessen 70-minütige Einleitung bereits ein wahres Fest für das Anime-Publikum darstellt!
Technische Details:
EAN: 0886979213791
Studio und Vertrieb: Universum Film
FSK: 16
Länge: 66 Min.
Ton: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Japanisch)
Untertitel: Deutsch
EXTRAS:
1. Interview mit Regisseur Susumu Kudo
2. Interview mit Prouzent Go Nakanishi
3. Interview mit Produzent Shunsuke Saito
- Redakteur:
- Björn Backes