Mona Lisa
- Regie:
- Neil Jordan
- Jahr:
- 1986
- Genre:
- Drama
- Land:
- Großbritannien
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07.02.2005 | 09:06Zu jedem ordentlichen London-Besuch gehört ein Abstecher nach Soho. Die schillernde Fassade der Clubs und Pornoschuppen übt eine nicht geringe Faszination auf Touristen aus. Der Blick hinter diese bunte Fassade bleibt aber den meisten verborgen. Neil Jordan warf 1986 mit seinem Film "Mona Lisa" einen ernüchternden Blick auf all die gescheiterten Existenzen, die sich hinter der Glitzerwelt Sohos verbergen.
Nach einigen Jährchen Gefängnisaufenthalt kehrt George (Bob Hoskins) wieder in seine Londoner Heimat zurück. Doch seine Ehefrau will nichts mehr von ihm wissen und hält auch seine Tochter von ihm fern. So quartiert er sich bei seinem Freund Thomas (Robbie Coltrane) ein und nimmt einen Job in der Unterwelt an. Er soll die farbige Edel-Prostituierte Simone (Cathy Simons) zu ihren Kunden in den West End-Hotels kutschieren. Aus der anfänglichen Abneigung gegen die "schwarze Nutte" entwickelt sich langsam eine Zuneigung ihr gegenüber. Simone offenbart George, dass sie früher auf den Straßenstrich ging, aber irgendwann den Absprung geschafft hat – ganz im Gegensatz zu ihrer Freundin Kathy. Diese soll George nun im Auftrag Simones ausfindig machen. Und so taucht er ein in die Szene der Londoner Clubs in Soho und des Straßenstrichs am King's Cross – eine ihm fremde Welt, deren Mechanismen er nicht verstehen kann. Doch je näher er Kathy kommt, desto brenzliger wird die Situation für ihn, weil er sich durch sein Tun mit Simones ehemaligem und Kathys gegenwärtigem Zuhälter Anderson (Clarke Peters) anlegt. Und auch Georges ehemaliger Boss Mortwell (Michael Caine) führt Dinge im Schilde, die nicht unbedingt zu Georges Bestem sind.
Düster und deprimierend – so könnte man Neil Jordans Blick hinter die Fassade des Londoner Rotlicht-Milieus beschreiben. Dabei geht von dem ganzen ein faszinierender Reiz des Verbotenen aus, dem Jordan aber nicht erliegt, sondern im Gegenteil ein ziemlich ernüchterndes, realistisches Bild ohne jeglichen Voyeurismus davon zeichnet. Er stellt die Londoner Unterwelt als eine Subkultur der Verlierer und Abhängigen da und derer, die dies auszunutzen wissen. Die Freier sehnen sich nach Geborgenheit und Nähe und bilden sich ein, diese bei den Prostituierten zu erhalten, so dass sich hier ein Abhängigkeitsverhältnis einstellt, das ähnlich dem ist, wie es zwischen den Prostituierten und ihren Zuhältern existiert.
Aber diese Beziehung und deren Mechanismen existieren durchaus auch auf anderen Ebenen. So kann man sie sehr gut im Verhältnis zwischen George und Mortwell beobachten, das beständig zwischen Zuneigung und Abneigung, Nehmen und vermeintlichem Geben pendelt, so dass George schließlich derart verwirrt ist, dass er zum Spielball in Mortwells Händen wird, ohne begreifen zu können, was dieser tatsächlich vorhat. So fällt George auf diesen herein, genauso wie er im Laufe des Films auch auf das Getue einiger Prostituierter und vermeintlicher Freunde hereinfällt.
Diese realistische Welt ist einfach zu undurchsichtig für ihn, ganz im Gegensatz zur Phantasiewelt, die ihm die Krimis seines Freundes Thomas offenbaren, wo er schon im ersten Kapitel die Bösen zu durchschauen vermag. Und so funktioniert das Heim Thomas' im Film auch als eine Art Gegenwelt, in der zwar nicht alles wirklich echt ist – selbst die Spaghetti sind aus Plastik -, die George aber ein wenig Sicherheit und Halt in einer unsicheren Welt gibt. Nicht umsonst sind es gerade die Szenen mit Thomas, die dem Zuschauer mit ihrem unterschwelligem Humor ein wenig Zeit zum Durchatmen geben, ehe George wieder in die unheimliche und undurchschaubare Schattenwelt Londons eintaucht.
Dabei fällt es schwer, sich dem Film zu entzeihen, was wohl vor allem an den großartigen Darstellerleistungen liegt – Bob Hoskins wurde für seinen Part verdientermaßen in Cannes ausgezeichnet -, die den Zuschauer mitreißen, so dass sich eine echte Anteilnahme an den Schicksalen der Protagonisten entwickelt, die sich inmitten einer bösen Welt einbilden, für das Gute zu kämpfen, letztlich aber nur Opfer ihren eigenen Obsessionen werden.
Zudem ist die Geschichte spannend erzählt und auf eine wunderbar unspektakuläre Art gefilmt. Hier und da fühlt man sich ein wenig an Martin Scorseses "Taxi Driver" (1976) erinnert, aber letztlich setzt Jordan den Schwerpunkt anders als Scorsese und weiß so einen eigenen und auch eigenständigen Film zu entwickeln.
"Mona Lisa" ist ein deprimierender, aber spannend erzählter Film, der die Londoner Unterwelt ungeschönt glaubhaft und ohne Voyeurismus darzustellen vermag und beim Zuschauer das Interesse an den gescheiterten Existenzen, von denen er handelt, zu wecken weiß. Zweifellos einer der Höhepunkte des britischen Kinos.
Auf der DVD von Sunfilm ist der Film in anamorphem Widescreen und sowohl mit deutscher als auch englischer Tonspur ausgestattet. Zudem gibt es einen Audiokommentar von Neil Jordan und Bob Hoskins und ein Featurette über die Produktionsfirma "Hand Made Films", das allerdings hauptsächlich aus Trailern besteht, aber dennoch nicht uninteressant ist.
- Redakteur:
- Andreas Fecher