Mongolian Ping Pong
- Regie:
- Ning Hao
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- China
1 Review(s)
14.08.2006 | 10:17Story
Ein Junge findet an einer Wasserstelle einen kleinen weißen Gegenstand und zeigt ihn kurze Zeit später völlig begeistert seinen beiden besten Freunden. Neugierig befragt man die Menschen, die mit ihnen inmitten der mongolischen Steppe leben, nach dem runden Teil, findet aber keine exakten Antworten. Die weise alte Dame zum Beispiel vermutet eine Zauberperle hinter dem kleinen Ball und im TV, welches man auf recht unkonventionelle empfängt, ist vom Nationalball die Rede. Die drei Jungs sind sich darin einig, dass es sich bei ihrem Fund um etwas ganz Besonderes handelt und sind bereit, das nationale Eigentum bis nach Peking zurückzubringen.
Ihr Ritt durch die Wüste scheitert allerdings, weil man die Anforderungen und die Strecke völlig unterschätzt hat. Während die beiden Jungs mit ihren Pferden fast erfrieren, kämpft sich der Dritte im Bunde mit seinem benzinlosen Moped durch die Steppe, um in der Öde der eisigen Wüstenlandschaft Rettung zu finden. Bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatdorf werden sie von ihren Eltern dann auch sehr ungnädig empfangen. Ihr rationales Verständnis hat kaum Platz für die Träume ihrer Söhne. Und dabei entwickeln sich manche von ihnen selber zu Phantasten, sobald die eigenartigen Importartikel der westlichen Welt bei ihnen Einzug hält. Doch wo die Eltern von einem modernen Haus mit angeschlossener Windmühle träumen oder sich vor einer Leinwand mit bekannten Bauwerken fotografieren lassen, reicht den Jungen schon ein kleiner Ping-Pong-Ball zu ihrem Glück.
Meine Meinung
Bereits der aus derselben Schmiede stammende Streifen “Die Geschichte vom weinenden Kamel“ überzeugte vor einiger Zeit Kritiker und Fans auf der ganzen Welt und dokumentierte auf eindrucksvolle Art und Weise das Leben eines simpel gestrickten, von der Außenwelt abgeschotteten Nomadenvolk. Mit “Mongolian Ping Pong“ setzt man diese Tradition nun fort, wobei der neueste Streifen von Ning Hao sich mehr dem Leben der Kinder in diesem vereinsamten Landstrich widmet.
Der Regisseur zeigt sehr deutlich auf, wie einfach die Gedanken dieser jungen Burschen gestrickt sind, und wie groß die Faszination für das Unbekannte werden kann. Ein kleiner weißer Tischtennisball reicht schon aus, um die verwegensten Fantasien zu wecken und all die Träume und Fabelgeschichten, die den Jungen aufgetragen wurden, plötzlich auf die Realität zu übertragen. Dabei scheint es allerdings ziemlich abstrus, dass sich die Kinder mehr für diesen Ball interessieren als für die zahlreichen modernen Gegenständen, die ihre Väter vom reisenden Händler kaufen. Taschenlampe, ein Fernsehgerät und diverse andere elektronische Artikel zieren die bescheidenen Hütten der Nomadenfamilien, und dennoch ist es nur dieses vergleichsweise minimal kleine Teil, das alle drei Jungen aus der Fassung bringt.
So streitet man sich auch die ganze Zeit über den wahren Wert dieses Gegenstandes; erst als man durch die erreichbaren Medien erfährt, dass es sich dabei um nationales Eigentum handelt, findet man eine verständliche Erklärung, aufgrund derer sich die verbrüderten Knaben mitten ins Abenteuer stürzen. Ohne Vorstellung von Gefahren, Distanz und ohne jeglichen Plan brechen sie zu einer großen Reise auf, die aber schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Es mangelt an Nahrung und Trinkwasser, aber auch an angemessener Kleidung und einer Idee, wie man die Steppe samt der Wüste Gobi überbrücken kann. Und zudem reitet bzw. fährt man auch noch in die verkehrte Richtung…
Die Eltern bringen für die Phantasien allerdings kein Verständnis auf, was aber eigentlich ziemlich absurd ist, denn schließlich leben sie ihrem Nachwuchs nichts anderes vor. So will der Vater eines jungen Mädchens nicht verstehen, warum sich seine Tochter bei einer Tanzschule bewerben möchte, lädt sich aber selber eben jene Truppe nach Hause ein, um ein wenig Unterhaltung zu erfahren. Sein Sohn indes möchte nach Peking reisen und bekommt dafür eine körperliche Strafe. Doch auch der Vater ist von den faszinierenden Dingen aus der ’Außenwelt’ höchst angetan und nimmt ein Bild aus einer europäischen Frauenzeitschrift zum Anlass, den Bau eines viereckigen und damit unbequemen Hauses mit zugehöriger Windmühle zu planen – ganz gleich wie unrealistisch die Umsetzung dieses Projekts ist.
“Mongolian Ping Pong“ ist bis zum Ende hin gefüllt mit vielen für uns schier unbegreiflichen Situationen. Welches Kind wird sich zum Beispiel heuer noch über die Entdeckung eines Tischtennisballs über Tage hinweg freuen? Und was ist so besonders an einem viereckigen Haus? Wieso ist ein TV-Gerät ein absolutes Unikum, für das man über alle vernunftsmäßigen Grenzen hinaus geht? Der Streifen beschreibt quasi selbstverständliche Begebenheiten, die allerdings im Herzen der Mongolei gar nicht mal so selbstverständlich sind. Hier, wo die Menschen kaum eine Vorstellung vom Leben in den großen Städten haben und ihr rationaler Verstand ihnen eigentlich jegliches Traumdenken verbietet, ist jede außergewöhnliche Erscheinung ein Anlass für hitzige Diskussionen, wie sie hier unter den beteiligten Kindern ausbrechen. Und dabei suchen die Jungs nur nach einem Ventil für ihre Phantasien und einem Weg, die aus Märchen und Sagen bekannten Geschichten unterzubringen.
Im Abspann wird “Mongolian Ping Pong“ als eine Hommage an die Neugier der Kinder dieser Welt beschrieben – und nichts könnte die Intention des ambitionierten Regisseurs besser beschreiben. Mit wunderschönen, aussagekräftigen Bildern empfindet er ihr naives Denken nach und zeichnet dabei ein sehr sympathisches Gesamtbild dieses außergewöhnlichen Teils der fernöstlichen Kultur. Seine ganz spezielle Ausstrahlung bekommt dieser eigenwillige Film dann aber erst über die wunderbaren Leistungen der jugendlichen Laienschauspieler, denen das Beisein der Kameras kaum etwas auszumachen scheint. Doch für sie ist die Rolle in “Mongolian Ping Pong“ auch kein Spiel, sondern ein Spiegelbild ihrer Realität, die dadurch auch absolut authentisch und lebendig wiedergegeben wird. Durch den beigefügten Humor entwickelt die Handlung schließlich dann auch ein Eigenleben, welches zwar nie für Spannung sorgt, den Genuss dieser erzählten Dokumentation aber noch weiterhin erhöht. Oder um es kurz zu fassen: “Mongolian Ping Pong“ ist kein großes Kinoevent, aber auf jeden Fall ein absolut sehenswertes Erlebnis, welches sowohl von seinen tollen Landschaftsaufnahmen, als auch von den herrlichen Charakterzeichnungen von jung und alt lebt.
Die zugehörige DVD von Rapid Eye Movies fängt die Stimmung innerhalb dieses sehr einfachen Volkes ebenfalls sehr schön ein, hat aber ein gewichtiges Manko: die deutsche Synchronisation, die leider etwas sehr oberflächlich geraten ist und das sehr positive Gesamtergebnis ein wenig beeinträchtigt. Aber sei es drum; die Dialoge sind nur ein kleiner Teil dieses großen Unterfangens und schränken den Genuss dieses kulturellen Meisterwerks nur unwesentlich ein. Dieser Streifen ist einfach ein Muss für die Fangemeinde des dokumentarischen Spielfilms!
- Redakteur:
- Björn Backes