Nowhere to Hide
- Regie:
- Myung-se Lee
- Jahr:
- 1999
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Injeong sajeong bol geot eobtda
1 Review(s)
12.08.2006 | 18:24Hintergrund
"Ich habe nie eine Geschichte im Kopf. Wenn ich einen Film mache, denke ich an Objekte oder Ideen. (...) Diese Dinge sind für meinen Film wichtiger. Ich mache Filme, indem ich verschiedene Genres, die ich dem Publikum nahe bringen will, in meinem Filme zusammenbringe. Auch wenn ich meine Filmstoffe entwickle, denke ich nicht an ein Thema oder eine Story ..."
So beschreibt Regisseur und Drehbuchautor Myung-se Lee sein Schaffen - treffender könnte man es kaum formulieren …
Handlung
Aus dem Nichts wird ein bekannter Drogenboss auf offener Straße ermordet. Niemand will etwas gesehen haben, der Täter entkommt unbekannt.
Die Detectives Woo (Joong-Hoon Park) und Kim (Dong-Kun Jang) werden auf den Fall angesetzt, unter der Order, schnellstmöglich Ergebnisse zu erzielen. Dabei geht das ungleiche Gespann wenig zimperlich zur Sache: Während der ruhige Kim vorsichtig und überlegt zu Werke geht, stürmt der impulsive Woo gerne mal mit blanker Faust auf Verdächtige zu, um mit schlagkräftigen Argumenten Informationen zu erzwingen.
Nach vielen Verhören steht fest, dass der lange gesuchte Drogenbaron Chang Sungmin (Sung-kee Ahn) hinter der Tat steckt. Doch wie fängt man jemanden, der seit Jahren auf der Flucht ist und das Katz-und-Maus-Spiel perfektioniert hat?
Kritik
Wie aus dem Hintergrund und der Handlung ersichtlich wird, handelt es sich bei "Injeong sajeong bol geot eobtda" um einen Thriller der besonderen Art. Während der Plot mit zwei Zeilen zusammengefasst werden kann, besticht die Visualisierung des Films und lässt sich am besten mit dem Begriff "Eye Candy" umschreiben. Dieser Umstand ist gleichzeitig Segen und Fluch, da er das Lager der Zuschauer in die "Lover" und "Hater" spaltet. Anders ausgedrückt: Entweder man liebt diesen Film oder man hasst ihn!
Objektiv betrachtet kann man wenig Gefallen an dem Gezeigten finden, da man sich mit einer Collage aus Actionsequenzen und schönen Bildern begnügen muss, der es an jeglicher Substanz mangelt. Der Plot ist simpel und nicht mehr als zweckmäßig, die Charaktere bleiben matt und eindimensional und auch die für einen Thriller so wichtige Spannung kommt nur in Etappen auf. Das Polizei-Gespann Woo und Kim spricht kaum, Dialoge sucht man ebenso vergebens wie Hintergrundinformationen zu den Protagonisten. Häufig sieht man den brutalen und langweiligen Alltag im Polizeirevier, wo Verdächtige verhört (oder besser: vermöbelt) werden, Polizisten abhängen, oder einfach einen Kaffee trinken - Detective Woo umschreibt es mit "Wir werden fürs Abwarten bezahlt". Dass unter diesen Umständen der Handlungsfluss ein wenig zäh daherkommt, ist nicht weiter verwunderlich. Episodenhaft schlängelt sich der Film von einer Beschattung zur anderen, es folgt eine kleinere oder größere Schlägerei und abschließend geht es aufs Polizeirevier, wo nichts weiter passiert. Schnell wird der Polizeialltag deutlich, die Langeweile, die nicht gewollte Ruhe, welche lediglich durch kurze Lichtblicke während der "Verhöre" gewalttätig gebrochen wird. Durch diese Inszenierung wird dem Zuschauer einiges abverlangt, da er sich nicht auf die Handlung konzentrieren und mitfiebern kann - die dünne Story gibt dafür einfach nichts her.
Die Story war aber auch nie das Augenmerk von Regisseur Myung-se Lee - er wollte Optik und Stil! Da verwundern die an "Dirty Harry" angelehnten Verhöre, die John-Woo-artigen Verfolgungsjagden und die immer wieder auftretenden Filter nicht weiter - sie erfreuen den Zuschauer vielmehr. Schon die Eröffnungssequenz zeigt stilsicher die Intentionen des Regisseurs auf: schwarz/weiß mit Rauschfilter (was zum Ende langsam in Farbe übergeht), filigrane Kameraarbeit, schöne Winkel, Tempo - man wünscht sich förmlich, dass der Film so weitergeht …
Mit Freeze Frames, Still Frames, Zeitraffern, Zeitlupen und diversen Farbfiltern kreiert Myung-se Lee ein beeindruckendes Portfolio der modernen Filmkunst - leider stirbt der Film in Schönheit. Denn all die wiederkehrenden Spielereien fangen den Mangel an Handlung und Charaktertiefe nicht auf. Der Zuschauer hangelt sich regelrecht von einer Sequenz zur nächsten, nur um den nächsten Kameraeffekt zu sehen - vorausgesetzt man findet Gefallen oder Interesse an diesen künstlerischen Aspekten.
Das große Problem liegt einfach am Genre des Films: Ein Thriller lebt von seiner Handlung, seiner Dramatik, der Spannung - der Plot macht den Hauptreiz aus. Sicherlich sind künstlerische Spielereien auch in diesem Genre willkommen, einen ganzen Film tragen können sie aber nicht! Weiterhin bemüht sich Regisseur Myung-se Lee, ein wenig Komik in Form von Ironie in den Film einfließen zu lassen, was angesichts der genannten Aspekte nur bedingt funktioniert. Sicherlich rennt die Polizei nicht mit Stahlstangen und Baseballschlägern bewaffnet Verbrechern hinterher, und es ist auch anzunehmen, dass in Korea nicht jeder Verdächtige beim Verhör windelweich geschlagen wird. Da man aber keine Hintergründe zu den Charakteren hat, wirkt diese gewollte Komik aufgesetzt und unpassend, da man durch diese Methoden keinerlei Antizipationsverhältnis zu den Protagonisten aufbauen kann. So steht die Langeweile des Polizeireviers den unverhältnismäßig brutalen Verhörmethoden gegenüber, unabhängig davon, wer gerade agiert.
Belanglos ist hier das treffende Wort. Da weder die Handlung, noch die künstlerische Inszenierung den Film tragen können, verkommt "Nowhere to Hide" zu einer einzigen vergebenen Chance. Die Unentschlossenheit des Regisseurs zeigt sich auch wunderbar bei näherer Betrachtung des Scores: Rock-, Punk-, und Metalklänge reihen sich zusammenhangslos mit Klassikpassagen ein, ohne dabei ein einheitliches oder passendes Bild abzugeben. Die Sequenzhaftigkeit wird hier wunderbar deutlich.
Die DVD
rem bringt "Nowhere to Hide" als Doppel-DVD nach Deutschland, wie gewohnt im hübschen Digi-Pack (samt Poster).
Das Bild (1,85:1 (anamorph)) ist recht gut, kann mit kräftigen Farben und in Nahaufnahmen mit einer guten Schärfe glänzen. Hintergründe verlieren leider merklich an Details, der Kontrast ist ebenso schwach wie der Schwarzwert (der in dunklen Szenen so einiges verschluckt) und ein Hintergrundrauschen ist auch zu vernehmen. Dropouts und Verschmutzungen treten leider ebenfalls auf.
Der Ton (Deutsch/Koreanisch DD 5.1) hinterlässt wie schon das Bild gemischte Gefühle. Ab und an lassen sich direktionale Effekte vernehmen, der Score breitet sich gut im Raum aus und wartet mit ordentlichem Subwoofer-Einsatz auf, brilliert aber in den vielen eher ruhigen Szenen mit Abwesenheit.
Die Originalspur unterscheidet sich kaum von der synchronisierten, einzig die Dialogwiedergabe klingt wie gewohnt im Original natürlicher.
Die Doppel-DVD kommt mit reichlichen Extras daher, deren Kernstück der 11 Minuten längere "Extended Korean Director’s Cut" ist. Leider lag mir lediglich die erste DVD vor, so dass ich weder auf den Director’s Cut noch auf die weiteren Extras eingehen kann. Insgesamt sollen dem Film aber 150 Minuten Bonusmaterial beiliegen, u. a. Interviews, Behind the Scenes und ein Schnittvergleich.
Fazit
"Nowhere to Hide" ist einer dieser Filme, die man entweder liebt oder hasst. Der tollen Visualisierung steht ein dünner und schlecht umgesetzter Plot gegenüber, der oberflächlich und belanglos daherkommt. Künstlerisch hingegen überzeugt "Nowhere to Hide" auf ganzer Linie und dürfte so sicherlich seine Fans finden. Wer also keinen großen Wert auf eine ausgeklügelte und durchdachte Handlung legt, wird hier mit "Eye Candy" auf hohem künstlerischem Niveau belohnt.
- Redakteur:
- Martin Przegendza