Phase 7
- Regie:
- Goldbart, Nicolás
- Jahr:
- 2011
- Genre:
- Horror
- Land:
- Argentinien
- Originaltitel:
- Fase 7
1 Review(s)
14.06.2012 | 21:05Das geschieht:
Das Ehepaar Coco und Pipi lebt in Córdoba, der zweitgrößten Stadt Argentiniens, in einem gerade fertiggestellten und deshalb nur schwach besiedelten Mietshaus. Pipi ist hochschwanger und daher noch gereizter als üblich. Coco, ihr willensschwacher, längst nicht ‚erwachsener‘ Gatte, versucht es ihr recht zu machen. Der permanente Streit sorgt dafür, dass unser Paar den Ausbruch einer weltweit wütenden Super-Grippe nur beiläufig registriert: Wer sich infiziert, entwickelt vor seinem Tod Wahnvorstellungen und betrachtet seine Mitmenschen als Gefahr, die es vorsichtshalber auszurotten gilt.
Auch das Mietshaus wird von den Behörden unter Quarantäne gestellt – und dann vergessen. Im Inneren harren die Bewohner bürgerpflichtschuldig aus. Als viele Tage später noch immer nichts geschehen ist, macht sich allmählich Panik breit. Vor allem die Mieter Guglierini und Lange sorgen für Aufregung. Ihnen gehen die Lebensmittel aus. Beim angeblich erkrankten Zanutto wollen sie plündern. Dieser ist in der Tat infiziert – und im Besitz einer Schrotflinte, mit der er im Haus aufzuräumen beginnt.
Nun schlägt die Stunde des Überlebens-Spezialisten Horacio. Für seine Warnungen vor der „Phase 7“ – einer angeblichen Verschwörung diverser Regierungen, die durch die planmäßige Austilgung ‚überflüssiger‘ Menschen eine neue, ‚reine‘ Weltordnung begründen wollen – wurde er bisher ausgelacht. Horacio sucht ausgerechnet im überraschten Coco einen Verbündeten. Dieser erwacht endlich aus seiner Trägheit und registriert, dass nicht nur innerhalb des Hauses, sondern längst auch in der Stadt die Anarchie regiert.
Während der verrückt gewordene Zanutto durch die Flure schleicht, erhält Coco durch Horacio einige rabiate Lektionen in Sachen Überleben. Möglichst leise, um Pipi nicht zu beunruhigen, beginnt er mit seinem neuen Meister die Umgebung zu erkunden. Recht und Ordnung gibt es nicht mehr. Coco muss erwachsen werden – ein Prozess, der Opfer fordert …
Großen Versprechen sollte man niemals trauen
Es beginnt bereits verdächtig: Der Horrorfilmfreund erkennt deutliche Parallelen zum spanischen Erfolgsfilm „[Rec]“, der es 2007 nicht nur zu einem Welterfolg, sondern auch zu drei Fortsetzungen sowie zwei US-Versionen gebracht hat. Wieder konzentriert sich die Handlung auf ein von der Außenwelt isoliertes Mietshaus, dessen Bewohner von einer mysteriösen Seuche erfasst werden. Zwar mutieren sie dieses Mal nicht zu blutgierigen Zombies, doch ihren Mitmenschen nach dem Leben trachten die Infizierten ebenfalls.
Hausintern bilden sich Parteien. Die einen folgen den Anweisungen der Behörden, die anderen argwöhnen, dass man sie nicht nur isolieren, sondern auch unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit als potenzielle Krankheitsträger verschwinden lassen will. Bald kämpft man miteinander oder versucht den Ausbruch, der von außen verhindert werden soll. Koalitionen bilden sich und zerfallen, während die Gewaltspirale sich immer schneller zu drehen beginnt.
Die Filmwelt benötigt ein argentinisches „[Rec]“ ebenso wenig wie ein Remake der US-Version „Quarantine“ (2008). Tatsächlich geht „Phase 7“ durchaus eigene Wege; es ging dem Drehbuchautor Nicolás Goldbart – auch Regie und Schnitt – primär darum, seine Darstellerschar in eine isolierte Insellage zu versetzen. Man hätte sicherlich eine andere Ausgangssituation entwerfen können; nein: Goldbart hätte sie entwerfen MÜSSEN. So schürt er beim Betrachter eine Irritation, die nie mehr verschwinden oder gar eines Besseren belehrt wird.
Weder Fisch noch Fleisch
Das Drehbuch ist Angel- und zentraler Schwachpunkt dieses Films. Eine seltsam betriebsblinde Kritik lobt „Phase 7“ als witzige Horror-Satire. Zumindest dieser Rezensent vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Stattdessen soll hier offenbar auf Biegen & Brechen ein ‚Kultfilm‘ behauptet werden. Faktisch ist „Phase 7“ weder spannend noch gruselig und ganz bestimmt nicht komisch. Stattdessen mäandert das Geschehen nach einem erschreckend schwachen Skript zwischen diesen Polen umher, ohne sich jemals für eine Richtung entscheiden zu können. Goldbart versucht die Quadratur des Kreises will gleichzeitig Horror und Humor bieten.
Falls so etwas möglich ist, überfordert es Goldbart bei weitem. Vor allem im Mittelteil ist „Phase 7“ von quälender Langeweile. Treppauf und treppab schleichen und stolpern die Mieter umeinander, doch es dauert viel zu lange, bis endlich Entscheidendes geschieht. Plötzlich gibt Goldbart die Isolation des Hauses auf; die Handlung verlagert sich ins Freie, ohne dadurch neue Impulse zu erhalten. Wir wissen längst, dass die Zivilisation untergegangen ist, und wir können und wollen nicht glauben, dass dies für Coco eine schockierende Neuigkeit ist.
Selbstverständlich besitzt „Phase 7“ nach dem Willen seines Regisseurs einen Subtext. Dieser Film spiele die Formen menschlicher Paranoia durch, so Goldbart. Doch faktisch spielt vor allem die globale Verschwörung, die diesem Film den Namen gab, keine Rolle. „Phase 7“ bleibt als planmäßige Apokalypse bloßer Vorwand.
Nur die F(l)a(l)schen überleben
In einem Punkt muss man Goldbart von Schuld freisprechen und sein Pech bedauern: In Deutschland fällt es schwer, ein Hauptpersonen-Paar ernst zu nehmen, das nur unter seinen Spitznamen „Pipi“ und „Coco“ bekannt wird. Nur ein schmaler Graben trennt „Coco“ von „Kaka“. Damit ist das Desaster komplett.
Hinzu kommt eine Charakterisierung, die jegliche Sympathie mit diesen beiden Figuren ausschließt. Pipi mag ihre Schwangerschaft sowie die Erkenntnis, mit einem Trottel verheiratet zu sein, in verständliche Reizbarkeit versetzen. Dennoch sie ist vor allem zickig und später notorisch ahnungslos; was außerhalb ihrer Wohnung realiter vorgeht, scheint sie gar nicht wissen zu wollen – ein Verhalten, das angesichts ihrer zuvor an den Tag gelegten Zielstrebigkeit wenig überzeugt. Im letzten Drittel des Films verschwindet sie sogar aus der Handlung.
Coco wird als unreifer, ehrgeizfreier „Slacker“ eingeführt, an dem Pipi keineswegs grundlos zweifelt. Als die Krise beginnt, nimmt Coco es hin. Seine Besorgnis drückt sich höchstens dadurch aus, dass er die vorhandenen Lebensmittelvorräte auflistet. (Nur: Warum tut er das? Diese Liste spielt für die Handlung keine Rolle.) Dann nimmt ihn Survival-Profi Horacio unter die Fittiche. (Wieso gerade Coco, den größten Tölpel im ganzen Haus? Wieder eine Frage, die offen bleibt.) Nun stolpert Coco hinter ihm her, löst die meisten von Horacio gestellten Fallen selbst aus und erklärt ständig seinen Unwillen zum aktiven Widerstand. Doch binnen weniger Filmminuten (und nicht nachvollziehbar) holt er nicht nur auf, sondern übernimmt und verinnerlicht die „Rambo“-Rolle. Was zuvor mit (bemühter) Ironie in Frage gestellt wurde, ist plötzlich bitterer Ernst.
Das Drehbuch versagt auch sonst in der Figurenzeichnung. Wie kann der über 70-jährige Zanutto zur Kampfmaschine werden? Auf welche Weise konnte Horacio mitten in der Stadt ein Waffenlager zusammentragen, um das ihn das Militär beneiden würde? Warum hat er eine Tochter, wenn diese für das Geschehen keinerlei Bedeutung besitzt? Wer sind die drei gasmaskierten Strolche, die das Haus belagern?
Komödie? Parodie? Drama?
Ratloser Genre-Misch, eine Handlung, die auf der Stelle tritt, schlechte Figurenzeichnung: Fehlt noch etwas? Reicht es denn noch nicht, könnte man gegenfragen. Leider nicht, denn zu allem Überflss geht Goldbart die Luft lange vor dem Finale endgültig aus. In letzter Minute tauchen Figuren auf, die niemals eingeführt wurden. Es geht hinaus in die Stadt, deren Zerstörung aus Budgetgründen nicht gezeigt werden kann; der Film schließt mit dem Blick auf das Navigationsgerät jenes SUVs, in dem die Überlebenden sich in stadtauswärts auf die Flucht machen. (Hoffentlich deutet sich damit keine Fortsetzung an!)
Das Scheitern dieses Films berührt stärker, weil man durchaus die Ambitionen hinter dem Projekt spürt. Die Kamera weiß die Enge des Hauses dramaturgisch zu nutzen, der minimalistische Musikscore erinnert an John Carpenter, und zumindest ein Splattereffekt ist nicht nur überraschend, sondern grandios. Dies reicht indes bei weitem nicht aus, um anderthalb Handlungsstunden zu füllen – oder besser: unterhaltsam zu gestalten. Der vor allem in der Werbung behauptete große Wurf (s. u.) ist „Phase 7“ deshalb nicht, sondern nur eine große Enttäuschung.
DVD-Features
Die Features beschränken sich auf den Trailer zum Film sowie auf drei entfallene Szenen, die das grundsätzliche Problem ungewollt unterstreichen: Wieso wurde „Phase 7“ gerade um diese Sequenzen gekürzt, während so viele ähnlich überflüssige Szenen im Film verblieben sind?
Wieder einmal auf Nummer Sicher will die (deutsche) Werbung gehen und ist deshalb besonders entlarvend. Über dem Filmtitel lesen wir auf dem Cover die verheißungsvollen Worte „Paranormal Activities“. Winzig klein lässt sich darüber entziffern: „Vom ausführenden Produzenten von“. Inwiefern ist der Produzentenstatus ein Vergleichs- oder Qualitätsmerkmal? („Phase 7“ zählt übrigens insgesamt neun (!) Produzenten.)
Weiter unten heißt es „In bester [Rec]-Manier“. Wer sagt das, und was soll es bedeuten? Was ist eine „[Rec]“-Manier? Da sich dies womöglich auch der unschlüssige Käufer fragen könnte und aller schlechten Dinge ohnehin drei sind, finden wir für die geistig eher schlicht gestrickte Klientel noch folgenden Untertitel: „Das Ende der Welt steht bevor. Hast du genug Munition?“.
Dass für den Zuschauer von „Phase 7“ starker Kaffee wichtiger ist als Munition, ist vermutlich keine werberelevante Information.
Informationen über DVD und Film
Originaltitel: Fase 7 (Argentinien 2011)
Regie/Drehbuch: Nicolás Goldbart
Kamera: Lucio Bonelli
Schnitt: Pablo Barbieri Carrera u. Nicolás Goldbart
Musik: Guillermo Guareschi
Darsteller: Daniel Hendler (Coco), Jazmín Stuart (Pipi), José „Yayo“ Guridi (Horacio), Federico Luppi (Zanutto), Carlos Bermejo (Guglierini), Abian Vainstein (Lange), Gonzalo Urtizberéa u. a.
Label/Vertrieb: Koch Media (www.kochmedia-film.de)
Erscheinungsdatum: 08.06.2012
EAN: 4020628932893 (DVD) bzw. 4020628932879 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 93 min. (Blu-ray: 97 min.)
FSK: 16
(Michael Drewniok)
- Redakteur:
- Michael Drewniok