Pure Fucking Mayhem
- Regie:
- Stefan Rydehed
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Norwegen
1 Review(s)
05.12.2008 | 12:27MAYHEM war schon immer eine Band, um die sich zahlreiche Gerüchte, Legenden, ja, um die sich Mythen rankten. Die Musiker dieser berüchtigten Band gelten als die Urväter des skandinavischen Black Metals, der Bandname steht im Zusammenhang mit Selbstmorden, Morden und Brandstiftungen. Mit satanischem Terrorismus und mit provokativer und revolutionärer Kunst. Was davon ist Image, was ist Wahrheit, und wie kam es zu all dem?
Die vorliegende Dokumentation von Stefan Rydehed ist nicht reißerisch gestaltet, sondern sachlich, aufklärend und ehrlich, dabei aber trotzdem von Anfang bis Ende spannend. Teilweise wird die Geschichte der Band linear erzählt, teilweise werden die einzelnen Bandphasen durch sehr ausführliche Interviews mit einigen der Protagonisten illustriert. Die größten Beiträge hierzu leisten die beiden überlebenden Gründungsmitglieder: Der nach wie vor in der Band aktive Jørn Stubberud (alias Necrobutcher) und der bereits 1988 ausgeschiedene Schlagzeuger Kjetil Manheim.
Aus ihrer Perspektive wird die Bandgeschichte in fünf großen Kapiteln aufgerollt, die damit beginnen, dass drei Kumpels aus Oslo sich für die beste Band der Welt hielten, ohne auch nur einen Song geschrieben zu haben. In dieser Zeit baute die Band ihren Ruf im Underground durch unermüdliches Tapetrading aus und als es an der Zeit war, die erste Platte aufzunehmen, begab sich Øystein Aarseth schon in Demotagen nach Deutschland, um dort mit TANGERINE DREAMs Conrad Schnitzler Kontakt aufzunehmen, der ihm mit "Silvester Anfang" das unsterbliche MAYHEM-Intro schenkte.
Die spannendste und wegweisendste Phase begann mit dem Einstieg des jungen Schweden Pelle Ohlin (alias Dead), der mit seiner morbiden Persönlichkeit MAYHEM zuvor ungeahnte Authentizität gab und seine Rolle so sehr lebte, dass sein abschließender Selbstmord nur die logische Konsequenz war. Hier berichtet Necrobutcher sehr persönlich und eindringlich über seine Erlebnisse und teilt auch schonungslos mit, dass er damals aus der Band ausstieg, weil er die Art und Weise, wie Euronymous Dead und seinen Tod für die Band und seinen aufzubauenden Inner Circle instrumentalisierte, nicht mittragen wollte. In der Folge berichten die Protagonisten auch, wie Euronymous auf der Suche nach einem neuen Basser zunächst Occultus (auch er kommt zu Wort) und schließlich einen gewissen Kristian Vikernes anschleppte.
Die sich langsam steigende Rivalität zwischen Øystein und Varg wird von Necrobutcher ebenso aufgearbeitet, wie die Tatsache, dass es eine Unart von Euronymous gewesen sei, Todesdrohungen an Leute zu schicken, mit denen er einen Konflikt hatte. Dass er hier bei Varg Vikernes an den falschen geraten war, sollte die Geschichte lehren. Erstaunlich ist Necrobutchers Aussage, dass er durch diese Sache zwar einen guten Freund verloren habe, dass er aber gegen Vikernes heute keinen Groll mehr hege, weil er wisse, dass Aarseth an der Eskalation nicht unschuldig gewesen sei.
Nach dem faktischen Zusammenbruch der Band durch das Ableben von Euronymous und Dead, widmet sich die Dokumentation auch ausführlich der Wiederauferstehung und Neufindung, welche MAYHEM schließlich in ungeahnte musikalische und kommerzielle Höhen katapultierte. Hierbei wird die Rolle Rune "Blasphemer" Eriksens sehr ausführlich gewürdigt, ebenso die Auswirkungen der Rückkehr des "Deathcrush"-Sängers Maniac, welcher zunächst der Band wieder ein Gesicht und ein Image gab, sie zuletzt aber durch seine persönlichen Probleme auch auf eine Zerreißprobe stellte, die letztlich damit endete, dass man sich trennte und den ungarischen "De Mysteriis"-Sänger Attila Csihar wieder an Bord holte. Auch der exzentrische Ungar, der mit der Band schon seit Mitte der Neunziger verbunden war, kommt ausführlich zu Wort.
"Pure Fucking Mayhem" ist eine sehr informative und sympathische Dokumentation, die aus den Black-Metal-Ikonen Menschen werden lässt, und die musikalische Klasse ebenso würdigt, wie sie die menschlichen Abgründe aufzeigt. Sicher werden Insider der Szene die meisten Fakten schon irgendwo aufgeschnappt haben. Doch dadurch, dass hier die Betroffenen selbst zu Wort kommen, fühlt sich der Zuschauer nun doch sicherer, die Wahrheit gehört zu haben, als dies bei all den bisherigen Dokumentationen über die norwegische Black-Metal-Szene der Fall war.
Aus meiner Sicht ein essentieller Film, den jeder musikhistorisch Interessierte gesehen haben sollte, und dem als besonderer Bonus eine Audio-CD mit dem von Linda Alexandersson geschaffenen und von MAYHEM inspirierten Ambient-Soundtrack zum Film beiliegt. In die Dokumentation ist zudem einiges an altem Bild- und Filmmaterial eingearbeitet, jedoch scheint es leider keine wirklich guten Videoaufnahmen aus der alten Zeit zu geben.
Technische Daten:
- Spielzeit: 90 Minuten
- Sound: Dolby Digital 5.1
- Sprache: Englisch
- Untertitel: Englisch, Deutsch
- Bildformat: PAL
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle