Rampart - Cop außer Kontrolle
- Regie:
- Oren Moverman
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Rampart
1 Review(s)
25.08.2012 | 16:55Kein Triller: Die Innenseite eines Cop-Skandals
"Ich bin kein Rassist, ich hasse alle Menschen gleich." erklärt Officer Dave Brown dem Mann von Internal Affairs. Brown ist ein richtig mieser Typ. Er säuft im Dienst, wirft Pillen ein wie Schokodrops, droht, prügelt und bricht Gesetze, wie es ihm gerade passt. Aber als Cop hält er die Straßen von LA frei von kriminellem Ungeziefer, damit seine beiden Töchter und viele andere brave Bürger in Sicherheit leben können.
So war es immer schon und das ist auch völlig OK - in seinen Augen. Doch eines verdammten Tages flimmern die Bilder, wie Brown einen Verdächtigen fast tot schlägt, über alle TV-Sender. Eine der vielen Videokameras in der Stadt hat alles dokumentiert. Und was das krisengeschüttelte LA Police Department gerade gar nicht brauchen kann, ist ein prügelnder Cop ...(Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Rampart (USA 2011)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
EAN: 7613059402409
VÖ: 7.8.12
FSK: ab 16
Länge: ca. 108 Min.
Regisseur: Oren Moverman
Drehbuch: James Ellroy, Oren Moverman
Musik: Dickon Hinchliffe
Darsteller: Steve Buscemi, Woody Harrelson, Robin Wright, Jon Bernthal, Sigourney Weaver, Ben Foster, Anne Heche, Ice Cube, Brie Larson, Ned Beatty, Cynthia Nixon, Jon Foster, Robert Wisdom, Don Creech u.a.
Handlung
Rampart ist diejenige Polizeistation in Los Angeles, die an der Grenze liegt und diese kontrolliert. Jenseits der Grenze liegt South L.A., das Barrio, wo die Latinos leben, die aus Süd- und Mittelamerika eingewandert sind, die meisten illegal. Aber dort leben auch Randexistenzen wie arbeitslose Behinderte usw. Im Jahr 1999 kurvt der Straßenpolizist Dave Brown (Harrelson) durch die Straßen des Barrios und sorgt für das, was er unter Ordnung versteht. Die Polizistin, die ihn dabei begleitet, hat schwer unter seinen sexistischen und rassistischen Sprüchen zu leiden. Er ist auch ein Mobber. Also ein Durchschnittscop, der ab und zu mal das Gesetz in die eigenen Hände nimmt.
Sein Privatleben ist das genaue Gegenteil zu dieser moralischen und kulturellen Wildnis. Er wohnt im Haus seiner beiden Ex-Frauen Marge und Barb (Anne Heche und Cynthia Nixon), die zufällig auch noch Schwestern sind und von denen er jeweils eine Tochter hat. Wenn er in diese Vorortidylle heimkommt, baggert er jeweils eine von beiden an, um sie ins Bett zu bekommen. Aber in letzter Zeit holt er sich bei ihnen immer öfter einen Korb. Und TV-Glotzen mit der Tochter ist zwar ganz nett, aber kein Ersatz. Also geht er in der Aufreißer-Bars und findet dort One-Night-Stands. Man kennt ihn dort unter dem Spitznamen "Vergewaltiger-Dave", weil er mal einen Verbrecher, der Date-Rapes beging, erschossen haben soll.
Das Video
Dave fährt gerade Patrouille, als sein Wagen seitlich gerammt wird. Er denkt, es war Absicht und verprügelt den schwarzen Fahrer in aller Öffentlichkeit mit dem Schlagstock. Alles wird auf Video aufgenommen, welches später im TV zu sehen ist. Der Blickwinkel ist nicht etwa der einer erhöht angebrachten Überwachungskamera, sondern befindet sich auf Autohöhe, so als wäre der Vorfall extra arrangiert worden, um gefilmt zu werden. Im TV kündigt der Bezirksstaatsanwalt (Buscemi) eine Untersuchung an. Dave wird vom Dienst suspendiert, bekommt aber weiterhin seinen Lohn.
Dave schmettert alle Versuche ab, ihn aus dem Dienst zu entfernen oder ihn zur Kündigung zu drängen. Tatsächlich handelt es sich um eine Intrige gegen ihn, um ihn als Sündenbock wegen der Korruptionsaffäre anzuprangern, in die 70 Mitarbeiter der Rampart-Polizeiwache verwickelt ist. Er lehnt es beim Staatsanwalt ab, den Kopf für andere hin zu halten und sucht Rat bei einem Veteranen (Ned Beatty), der schon seinen Vater kannte. Unterdessen lernt er in der Bar Linda (Robin Wright) kennen, die sich erst nach dem Sex als Strafverteidigerin outet.
Nachtaktion
Damit sich Dave rehabilitieren kann, verschafft ihm der Veteran Hartshorn eine Gelegenheit: Latinos wollen reiche Zocker ausnehmen. Alles geht glatt, bis Dave die beiden Räuber erschießt und die Spuren stümperhaft manipuliert. Und er hat einen Zeugen übersehen, den Rollstuhlfahrer, der als Der General bekannt ist. Der Tipp des Veteranen war kein Gefallen, sondern eine weitere Falle...
Mein Eindruck
Der bekannte Thrillerautor James Ellroy ("Die schwarze Dahlie", "L.A. Confidential") schrieb die erste Fassung des Drehbuchs und packte sämtliche Fakten über den Rampart-Skandal von 1999 hinein. Es war unverfilmbar, sagt der Regisseur. Die Fakten sind keine abendfüllende Unterhaltung. Und da er recht hat, drehte er die Story vom Kopf auf die Füße: Nun haben wir eine einzelne Charakterstudie, die sozusagen das Innenleben des Skandals widerspiegelt. So fühlt es sich also an, im Mittelpunkt des Skandals zu stehen. Es ist kein angenehmer Ort für die menschliche Existenz.
Es ist eine Paraderolle für Woody Harrelson. Er kann selbständig einen ganzen Charakter zum Leben erwecken. Und nach einer stellt man fest, dass seine Figur trotz aller abstoßenden Merkmale nur versucht, über die Runden zu kommen, obwohl alle es auf ihn abgesehen haben: die Medien sowieso, aber auch die Dienstaufsicht, der Staatsanwalt und sogar alte Freunde haben ihn verkauft. Mehr und mehr stellt sich im Zuschauer Mitgefühl für Dave Brown ein. Ist dies eine Falle, die der Regisseur uns gestellt hat?
Wie es der Regisseur formuliert, ist "Rampart" die Geschichte eines Verschwindens. Nicht die Action steht im Vordergrund, sondern die Entwicklung einer Figur. Die Entfremdung von allen anderen Menschen nimmt zu, von den Frauen, Töchtern, Freunden. Die Kamera setzt dieses Verschwinden optisch um, indem sie die Figur hinter Blättern und Hindernissen zeigt, in Spiegeln, unter Wasser usw. Die Bilder im Abspann zeigen eine Stadtsilhouette, aber sie ist leer, und der Schuss des Selbstmörders, den man erwartet, fällt nie.
Es ist pure Ironie, dass der Exitus, zu dem der eingeleitete Geschworenenprozess wohl geführt hätte - man hätte Brown als Mörder verurteilt -, schon gar keine Giftspritze mehr benötigt. Das Opfer, das mal ein Täter war, ist sich selbst schon längst abhanden gekommen. Der Gipfel ist seine Selbstbezichtigung vor dem Agenten des Staatsanwalts (Ice Cube) - das hätte der alte Dave Brown nie getan. Harrelson macht den Cop als komplexe Persönlichkeit sicht- und begreifbar, der Gut wie Böse in sich vereint. Für mich eine beeindruckende Leistung.
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
Tonformate: DTS HD Master Audio 5.1 in Englisch, DTS HD Master Audio 5.1 in Deutsch
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
Making of
SH*T DAVE BROWN SAYS
Interviews
Originaltrailer
Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Die Qualität von Bild und Ton entsprechen dem hohen Standard von DTS HD Master Audio 5.1. Das Bild ist stets gestochen scharf, was besonders bei den zahlreichen Kameratricks (siehe Interviews unten) wichtig ist. Werden beispielsweise die Überblendungen und "Flares" nicht richtig wiedergegeben, zeigen sich hässliche Stufen in den Farb- und Helligkeitsstufen. Hier kann der Kenner also die Qualität seines Heimkinos testen. An Untertiteln wird allerdings lediglich deutsche Sprache geboten.
EXTRAS
1) Making of (28:50 min)
"Es geht nicht um den Rampart-Skandal, sondern wie skandalös Rampart überhaupt ist", sagt Ice Cube und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Es geht also um Relativität - ein Skandal als Spielball von gesellschaftlichen Kräften. Der Film stellt aber auch Paranoia, Rausch und Vergeltung dar. Für Dave Brown sei das Leben ein großer Witz, mit ihm als Mittelpunkt, meint der Regisseur.
Ned Beatty findet, dass Dave Brown, der von all seinen Frauen und Töchtern verlassen wird, ein bisschen wie King Lear wirkt. Und der Veteran Hartshorn, den Beatty spielt, stellt dabei den Narren dar, der Lear begleitet. Robin Wright, die als Linda mit Harrelson ins Bett geht, ist seit langem Harrelsons platonische Freundin. Auch Buscemi gehört zum Freundeskreis von Harrelson.
Die Arbeitsmethode des Regisseurs ist ungewöhnlich: Es gibt keine Proben, stattdessen wird viel improvisiert. Auch der Kameramann ist innovativ, findet Harrelson: Alle Filme über L.A. Cops sehen gleich aus, doch der Kameramann Bobby Bukowski und der Regisseur Oren Moverman wollten eine völlig andere Optik einführen. Die Handheld-Kamera war beispielsweise sogar bei Autofahrten im Einsatz. Die Beleuchtung wurde vom Art Department festgelegt, und so kam es zu vielen Überblendungen und "Flares", also Überbelichtungen an Objekträndern. Es sieht aus, als verschlinge die Sonne die Hauptfigur.
Seltsam: Obwohl James Ellroys Drehbuchfassung fast völlig ignoriert wurde, ist er stolz auf den Film. Vielleicht hat er "ein Angebot bekommen, das er nicht ablehnen" konnte.
2) SH*T DAVE BROWN SAYS (1:11 min)
Gesammelte Sprüche des Dave Brown - eine Zitatensammlung.
3) Interviews mit Cast & Crew (17:12 min.)
Harrelson: "Der Schluss entspricht nicht dem Drehbuch." Aber warum, sagt er nicht. Ben Foster, der Rollstuhlfahrer und Koproduzent des Films, war in Movermans Film "The Messenger" zu sehen, für den Harrelson eine OSCAR-Nominierung erhielt. Foster lässt sich über seine Mitarbeiter aus. Für Robin Wright (Linda) ist Dave Brown ein abtrünniger Cop mit einem konventionellen Herzen, der nach einem Ausweg aus der Malaise sucht. Da liegt sie völlig richtig. Aber wie der Veteran ständig sagt: "Die Zeiten ändern sich, nur du nicht, Dave."
Brie Larson, die die ältere Tochter Helen spielt und in Wahrheit viel viel besser aussieht, meint, es ginge um Dave und Helen, aber weil Dave so archaisch ist, klappt es nicht zwischen den beiden. Schließlich erklärt Oren Moverman seinen Ansatz, dass es keine Proben vor dem Film gab. "Vertrauen ist der Schlüssel zu meiner Zusammenarbeit mit den Schauspielern" und "Die Kamera dient den Schauspielern, nicht umgekehrt." Außerdem erklärt er, warum Ellroys Skript unverfilmbar war. Es war erzählend, doch jetzt wird die Geschichte von der Hauptfigur vorangetrieben statt von abstrakten Behörden.
Interessant ist seine Ansicht über Dave Brown: "Er hat zwei Welten geschaffen. Als Cop kennt er sich total aus, aber in seinem Privatleben wird alles immer seltsamer, bis ihn seine Frauen raus werfen (vgl. "King Lear"). Am Schluss kann er die Trennung der beiden Welten nicht mehr aufrechterhalten und beide zerbrechen."
4) Dt. Trailer & Originaltrailer (2:16)
Die inhaltsgleichen Trailer konzentrieren sich auf die Hauptfigur, den bösen Cop, stellen die bekannten Nebendarsteller wie Steve Buscemi, Ice Cube, Robin Wright und Sigourney Weaver vor, deuten den Plot aber nur an. Blöd sind natürlich die Einzeiler, die Harrelson von sich gibt, als wäre dies ein Comicstrip für Arnold Schwarzenegger. Das macht die Figurenzeichnung wieder zunichte.
5) Trailershow
a) Agent Hamilton (mit Mikael Persbrandt aus "Unschuldig verurteilt")
b) Starbuck
c) Hasta la vista (Norwegen)
d) Texas Killings Fields
e) The Hunter
f) The Veteran
g) Set Up (mit Bruce Willis)
h) Trespass (mit Nicholas Cage)
i) Rain Fall (von John Woo)
j) Kopfgeld - Perrier's Bounty (mit Liam Gleeson, Cillian Murphy, Jim Broadbent u.a.)
Unterm Strich
"Rampart" funktioniert nicht als Thriller über Cops in L.A., ein Thema, das bis zum Gehtnichtmehr ausgelutscht ist. Außerdem fehlt es dafür eklatant an Spannung und Action. Aber als Arthouse-Charakterstudie über eine Grenzerfahrung weiß der Film durchaus zu beeindrucken, was vor allem auf die erstklassige Leistung von Woody Harrelson zurückzuführen ist.
Konsequent fokussiert der Trailer nicht auf den recht simplen Plot - Polizist wird mehrfach aufs Kreuz gelegt, behauptet sich aber - sondern auf die anrührende und nachvollziehbare Charakterstudie. So fühlt sich ein Skandal bei der Polizei an, wenn er auf das Privatleben übergreift - dann geht alles in Browns Leben in die Brüche, und ohne Leben ist er nur noch ein Schatten. Und Schatten verschwinden in der Nacht.
Erstaunlich ist an diesem Film vor allem, dass sich eine ganze Riege engagierter Hollywood-Schauspieler wie Harrelson, Weaver, Foster, Buscemi, Wright, Nixon und Ice Cube dafür haben engagieren lassen. Sie sind nicht alle im Woody-Harrelson-Fanclub, aber offenbar hat Moverman mit dem Vorgänger "The Messenger", der Harrelson eine OSCAR-Nominierung eintrug, eine exzellente Empfehlung abgegeben.
Man sollte sich den Streifen mehrmals ansehen, obwohl die Erfahrung vielleicht nicht die angenehmste ist. Aber Harrelson legt viele Nuancen seines Spiels erst nach nochmaliger Betrachtung an den Tag, und beim zweiten Sehen kommen auch die feinen Nebendarsteller zu ihrem Recht. Von denen hat mir nur Anne Heche nicht gefallen, denn sie chargiert, als träte sie gerade in einer Sitcom auf.
Blu-ray
Die Qualität von Bild und Ton entsprechen dem hohen Standard von DTS HD Master Audio 5.1. Das Bild ist stets gestochen scharf,
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer