Red Dog - Ein Held auf vier Pfoten
- Regie:
- Kriv Stenders
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Australien
- Originaltitel:
- Red Dog
1 Review(s)
15.08.2012 | 17:07Eine sehr australische Tierkomödie
Westaustralien 1971-1979: Der rothaarige Rumtreiber ist ein Reisender mit Persönlichkeit; er gehört zu niemandem, aber er ist für (fast) alle ein Freund. Manch einer der rauen Minenarbeiter, die aus aller Herren Länder eingewandert sind, findet Trost und Wärme bei dem Hütehund-Mischling. "Red Dog" stiftet Ehen, verhindert Schlägereien und rettet Leben. Er wird in die Gewerkschaft der Minenarbeiter aufgenommen und bekommt ein eigenes Bankkonto. Auch als er in John, dem Busfahrer, sein wahres Herrchen findet, lässt er "seine" Stadt nicht im Stich. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Red Dog (AUS 2010)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
VÖ: 21. August 2012
EAN: 7613059802148
FSK: ab 6
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur: Kriv Stenders
Drehbuch: Daniel Taplitz nach dem Roman von Louis de Bernieres
Musik: Cezary Skubiszewski
Darsteller: Josh Lucas, Rachel Taylor, Keisha Castle-Hughes u.v.a.
Handlung
Rahmenhandlung
Eines Abends anno 1979 erreicht ein Trucker einen einsamen Pub in Pilbara, Westaustralien. Es ist kein Schwein zu sehen, was ihm merkwürdig vorkommt. Nur hinter einer Wand sind ein paar Schatten wahrzunehmen, doch die Stimmen klingen unheilvoll: "Nun mach ihn schon kalt!" Soll da jemand gekillt werden?! Der Trucker eilt hin. Nur um vier Kerle zu sehen, die sich über einen am Boden liegenden Hund beugen. Der Bartender Jack Collins sagt, es handle sich um dabei um den berühmten "Red Dog". Red Dog? Nie gehört. Während die Pistole wieder eingesteckt und der Tierarzt herbeigerufen wird, erzählt Jack unserem Trucker die Geschichte dieses berühmten Hundes. Sie begann anno 1971, also vor fast zehn Jahren...
Wie alles begann
Jack Collins und seine Frau Maureen fuhren gerade Richtung Dampier in Westaustralien, als dieser Hund, ein Kelpie-Mischling, einfach direkt auf der Landstraße sitzt. Sie halten an, und als sie ihn nett begrüßen, hüpft er einfach in ihren Pick-up. Dort verpesten seine Fürze die Luft derart, dass an ein Weiterfahren in seiner Begleitung nicht zu denken ist. Also sperren sie ihn in den Anhänger.
In Dampier und dem umliegenden Pilbara County gibt es nur einen Grund, wieso Menschen in der Hitze schuften wollen: die Eisenerzmine. Förderbänder und Züge bringen das rote Erz zum Hafen, wo riesige Schiffe damit gefüttert werden, die bis nach Japan fahren. Um den Tagebau und die Maschinen zu bedienen, sind Männer aus aller Herren Länder gekommen, die sich nun mit Ach und Krach miteinander vertragen sollen. Was meist weniger gelingt.
"Die Sonne ist gefährlich! Sie macht die einsamen Männer verrückt!", klagt Vanno, der Italiener, der ständig wehmütig davon jammert, wie schön es in seinen Abbruzzi mit den schönen Signorina war - bis er eines Tages Redeverbot erhält, weil man "Abbruzzi" für einen obszönen Ausdruck hält. Es gibt weit und breit kaum eine Frau, alle haben Heimweh und wollen weg. Bis Red Dog ins Camp kommt.
Vanno ist der erste, der (heimlich) mit Red Dog redet, natürlich von den schönen Abbruzzi. Er denkt, er sei der Auserkorene des besten Zuhörers, den er je hatte, bis er entdeckt, dass Red Dog fremd geht. Ausgerechnet mit Peeto, dem Mann aus Melbourne. Es gibt ein Eifersuchtsdrama - bis die beiden entdecken, dass Red Dog schon wieder einen anderen hat: Jocko. Alle wollen, dass er sie als Herrchen annimmt. Er wird sogar in die Gewerkschaft aufgenommen und bekommt sein eigenes Bankkonto. Doch Red Dog hat anderes im Sinn.
Der Busfahrer, der die Arbeiter jeden Morgen zur Mine fährt, ist der Amerikaner John (Josh Lucas). Er ist zudem ein Hobbyfilmer mit einer Super-8-Kamera. Aber John ist ebenfalls wählerisch bei seinen Freunden: "Raus hier!", befiehlt er dem Hund. Das geht solange, bis John eines Abends für den Hund Partei ergreift. Die Arbeiter missbrauchen das Tier nämlich für ihre Wetten. Dass der Hund ein lebendes Huhn verspeisen soll, geht nun wirklich zu weit. Fortan darf der Hund in seinen Bus, und John ist sein Herrchen.
Bis eines Tages auch Nancy (Rachael Taylor) auftaucht, die als Sekretärin der Verwaltung arbeiten will. Sie fackelt nicht lange, um im Bus von John und dem Hund einen Sitz ergattern. Sie befiehlt ihm (ähm, dem Hund) einfach, ein Gentleman zu sein und Platz zu machen. Geht doch! Es kann nicht ausbleiben, dass Herrchen und Frauchen früher oder später ein Pärchen werden.
Doch sie alle haben die Rechnung ohne Red Cat gemacht. Red Cat ist ein biestiger Kater und unumschränkter Herrscher des Wohnwagenparks. Denn Red Cat gehört den Cribbages, ihres Zeichens Grundstücksverwalter und Hundehasser. Eines Tages wird es einen Showdown zwischen den beiden Kontrahenten geben, wie ihn der Westen noch nicht gesehen hat...
Mein Eindruck
Louis de Bernieres, der Autor von "Corellis Mandoline", hat die wahre Geschichte von Red Dog aufgeschrieben und sie zu einer veritablen Frontier-Geschichte transformiert. Denn auf irgendeine magische Weise ist der Hund schuld daran, dass aus den heimatlosen, gestrandeten Minenarbeitern von Dampier und Pilbara eine selbständige Gemeinde und Gemeinschaft wird, die ihrerseits wieder Kinder hervorbringt - was ohne Wurzeln nie geschehen könnte. Ein Jahr nach seinem Tod aus Altersgründen stellen sie dem Hund ein tonnenschweres Denkmal auf.
Das Rätsel wird umso größer, wenn man sieht, dass Red Dog eigentlich den Beinamen "Pilbara-Wanderer" trägt. Nach dem Unfalltod seines Herrchens geht der Hund auf die Suche nach ihm. Er benutzt die Erzbahn, jedes Fahrzeug, das er anhalten kann, und sogar Flugzeuge und Erzfrachter. Er soll es, so die Fama, bis nach Japan geschafft haben. Auf diese Weise nahm er im Bewusstsein derjenigen, die ihn kannten, eine Art Totembedeutung an. Der Hund verkörpert sowohl den ruhelosen Charakter ihres früheren Lebens als auch die Treue zu einem geliebten Menschen. Das eine dient als Warnung, das andere als Inspiration.
Das erklärt aber noch nicht, warum er so verehrt wird und warum eine Gemeinschaft entsteht, wo er auftaucht. Um das Mysterium aufzuklären, soll dieser Film dienen - neben der Unterhaltung von Kindern und Familien, versteht sich. In verschiedenen Episoden erklären Vanno, Peeto und Jocko, was ihnen der Hund bedeutet. Für Vanno, den Italiener, dient Red als Vorwand, um die attraktive Assistentin des Tierarztes aufzusuchen: Er ist schwer in Rosa verliebt.
Peeto, den Muskelprotz aus Melbourne (Luke Ford aus "Die Mumie 3"), leistet Red einfach Gesellschaft bei dessen geheimem Laster: Stricken! Und Jocko, der sich die Schuld am Unfalltod seiner Familie gibt, lobt Red, weil er ihn vor dem Selbstmord im, von Haien verseuchten, Meer bewahrte. (Der Weiße Hai, der diese Küste bedroht, trägt den schönen Namen "Lord Nelson".) Und John und Nancy, das ist klar, lieben Red, weil er sie zusammengebracht hat und ihr bester Gefährte ist - die Heimvideo-Schnappschüsse beweisen es.
Australische Identität
Red ist also eine Stifterfigur für Identität und Gemeinschaft, ein Freund und Gefährte. Ganz nebenbei verkörpert er auch den australischen Unternehmungs- und Gemeinschaftsgeist, der das Land aufbauen half. Denn alle Australier außer den Aborigines (und sogar die vor zehntausenden Jahren) sind Einwanderer, genau wie die Minenarbeiter.
Viele waren Sträflingen, Sklaven und Verbrecher, die der König auf dem Südkontinent (= terra australis) einfach entsorgen wollte. Dampier/Pilbara ist also eine Mini-Version von Australien. Vor diesem Hintergrund kann ein Aussie auch verstehen, dass Red ein Wanderer ist: Denn im Leben jedes Aborigine ist die Zeit für die Wanderung gekommen, den Walkabout. (Man sehe sich dazu den tollen Film von Nicholas Roeg an und lese das Buch "Traumpfade" von Bruce Chatwin.)
Das Pionier-Paradies
So weit, so schön. Mit John und Nancy, gespielt von den nationalen Größen Josh Lucas ("Hulk") und Rachael Taylor ("Transformers"), ist das idealtypische Pionier-Paar geschaffen, das die Weißen hervorbringen können. Aborigines kommen in diesem Film nicht vor, denn sie könnte die Idylle stören, so wie Indianer in einem Western stören würden. Zum Glück geht das Klischee nicht soweit, bei Nancy Nachwuchs hervorzubringen, nachdem ihr Mann bereits tot ist. Statt dessen findet sie neues Glück beim Trucker, der 1979 Zeuge des Beinahetodes Reds wird. Wie es zu dieser Romanze kommt, zeigt der Film nicht, doch man darf vermuten, dass die Geschnittenen Szenen etwas in dieser Hinsicht bieten.
Der Widersacher
Sollte Red also eine Art Schutzgeist sein, dann steht ihm noch die ultimative Prüfung bevor. Red Cat ist nicht nur ein bösartiges Katzenvieh, sondern auch die Verkörperung der ernsthaftesten Bedrohung von Reds Aufenthalt in Pilbara: Er gehört den Hunde hassenden Cribbages. Diese sind unsympathische und hässliche Zeitgenossen, die Dickens nicht gieriger hätte zeichnen können. Erst als sich die gesamte Gemeinschaft für Reds Verbleib einsetzt, setzen sich Reds Freunde gegen die Cribbages durch. Aber Red Cat bleibt, ausgesetzt von seinen treulosen Besitzern.
Um das Herrschaftsrecht in Pilbara zu klären, muss es auch in dieser Pionier-Siedlung zu einem Duell kommen. Die im Computer getricksten Kampfszenen sehen reichlich unrealistisch aus, nämlich wie ein Wirbelwind des Chaos - Kinder lieben das. Doch der Zweikampf geht anders aus als erwartet, denn keiner der Kontrahenten muss ins Gras beißen. Leben und leben lassen, das ist die australische Devise. Die stimmungsvolle Musik von bekannten australischen Bands und Künstlern sorgt für die restlose Identifikation des Aussie-Zuschauers mit der Story.
Die DVD
Technische Infos
Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1
Sprache / Tonformat: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (DTS 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras:
- O-Trailer
- Dt. Trailer
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild liegt zwar nicht im High-Definition-Standard vor (siehe Blu-ray), doch der Sound braucht sich nicht zu verstecken: Der Tonstandard DTS sorgt für exzellenten Sound, der vor allem bei der stimmungsvollen Musik zum Tragen kommt.
EXTRAS
1) O-Trailer und dt. Trailer (je 2:15 min)
Die beiden Trailer sind identischen Inhalts und schildern die emotionalen Höhepunkte des Films.
2) Trailershow
a) Alles muss raus (mit Will Ferrell)
b) The other woman (mit Natalie Portman)
c) One week (Kanada-Roadtrip)
d) Lotte und das Geheimnis der Mondsteine (dt. Animationsfilm)
e) Dean Spanley (neuseeländische Verfilmung einer Erzählung von Lord Dunsany, mit Peter O'Toole, Sam Neill und Jeremy Northam)
f) Starter for ten (College-Liebeskomödie)
g) Kabinett außer Kontrolle (brit. Satire, s. meinen Bericht)
h) Bruchreif alias "The Maiden Heist" (US-Gaunerkomödie mit Chris Walken, Morgan Freeman und William H. Macy)
i) The Hunter (s. meinen Bericht)
j) My Weekend with Marilyn
In den Presseinformationen ist von einer DVD die Rede, die folgende EXTRAS aufweisen soll:
1) Audiokommentar von Regisseur Kriv Stenders und dem Produzenten Nelson Woss
2) Interview mit Red (!)
3) Training mit Red
4) Making-of
5) Deleted Scenes
6) Storyboard
7) Kino- und O-Trailer (gibt es einen Unterschied?)
8) Trailershow
Wie man sieht, hat diese DVD doch einiges zu bieten, insbesondere zum Hintergrund der wahren Geschichte und zu den Dreharbeiten, die ganz schön schweißtreibend gewesen sein dürften. Wer die DVD gesehen hat, möge sich bitte melden. Außerdem gibt es noch eine Blu-ray-Version, doch die hat keine Extras.
Unterm Strich
Dem einen oder anderen erwachsenen Zuschauer in deutschen Landen dürfte diese australische Tierkomödie für Kind und Familie doch recht spanisch vorkommen. Dem - natürlich stummen - Hund wird eine gemeinschafts- und identitätsstiftende Funktion zugewiesen, die sich erst als Rätsel und Behauptung erweist. Dieses Rätsel muss erklärt, die Behauptung belegt werden. Was durchaus nachvollziehbar gelingt, wenn man sich erst einmal an die Fülle des Personals gewöhnt hat.
Besonders rätselhaft und australisch ist hingegen die Wanderzeit Reds, nachdem sein Herrchen gestorben ist. Warum sucht er jahrelang nach einem Verstorbenen, benutzt ein halbes Dutzend Vehikel, wenn dieses Vorhaben doch von vornherein sinnlos ist? Die Antwort ist sehr australisch: Der Hund muss nachsehen, ob sein Herrchen nicht doch irgendwo einer von Millionen Umhergetriebenen ist, wie sie Australien schon immer bevölkert haben, seit die Weißen anfingen, es zu besiedeln. Schon die pure Tatsache, dass Red mit Hilfe der verschiedensten Vehikel weit herum kommt, belegt ja, dass die Australier eine verdammt mobiles Volk sind.
Dem Kulturbewussten mag auch der Begriff "Walkabout" etwas sagen, aber wohl kaum dem deutschen Zuschauer (es sei denn, er kennt noch Goethes "Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre"). Diese Wanderung ist eher eine spirituelle Erfahrung - und der Zuschauer wird mitgenommen. Als Belohnung erscheint Red und uns das Heim Nancys, zu dem er zurückkehrt als umso wertvollere Heimat als zuvor. Man geht hinaus, um bei sich anzukommen.
Diese Kontraste nutzt die Handlung immer wieder. Schönheit und Hässlichkeit, weiblich vs. männlich, wurzellos und heimatlich, einsam und gemeinsam - schließlich auch traurig und lustig. Es ist ein Wechselbad von Gefühlen und Eindrücken, das den Zuschauer selten zur Ruhe kommen lässt. Nur die grandiosen Landschaftsaufnahmen gewähren dem Blick für ein, zwei Augenblicke eine Verschnaufpause.
Die DVD
Die Silberscheibe ist für diesen schönen Kinder- und Familienfilm - alle anderen Zielgruppen seien vor dem Ansehen gewarnt - eigentlich völlig minderwertig ausgestattet. Gerade mal, dass dem SOUND das DTS-Niveau gegönnt wurde. Von Bonusmaterial kann auf der mir zur Verfügung gestellten DVD keine Rede sein, nur von Werbung.
Irgendwo da draußen existiert sie - die wahre Red-Dog-DVD, die alles Bonusmaterial enthält, welches das Herz des Zuschauers begehrt. Zeit zu gehen und sich auf die Suche zu machen.
Fazit: vier von fünf Sternen
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer