Rogue – Im falschen Revier
- Regie:
- McLean, Greg
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- Australien
- Originaltitel:
- Rogue
1 Review(s)
14.11.2008 | 18:12Das geschieht:
Journalist Pete reist im Auftrag einer Reise-Zeitschrift ins nordaustralische Outback. Abenteuerlustige Touristen können dort Bootsausflüge in die urtümliche und traumhaft schöne Flusslandschaft unternehmen. Zum Höhepunkt dieser Fahrten gehört die Begegnung mit den hier heimischen Leisten- oder Salzwasserkrokodilen, dessen größte Vertreter acht Meter lang und zweieinhalb Tonnen schwer werden können.
Pete steigt ins Boot der jungen Kate, die ihr ganzes Leben im Outback verbracht hat. Die Tour wird unterbrochen, als ein Signal am Himmel gesichtet wird: Weiter flussaufwärts ist offenbar jemand in Not geraten. Tatsächlich findet man ein gekentertes Boot aber keine Insassen. Kurz darauf wird das eigene Boot von einem gewaltigen Krokodil attackiert und zum Sinken gebracht. Die Ausflügler retten sich auf eine kleine Insel.
Sie sind ausgerechnet dort gestrandet, wo dieses Krokodil sein Revier beansprucht. Es ist äußerst erbost über die Eindringlinge, die freilich gut schmecken. In den nächsten Stunden belauert das Untier die entsetzte Gruppe. Der Versuch, das hoffentlich rettende Ufer zu erreichen, fordert erste Opfer. Die Sonne geht unter, mit Rettung ist in den nächsten Stunden nicht zu rechnen. Außerdem steigt der Wasserpegel, was die Insel allmählich versinken lässt. Die Überlebenden müssen flüchten, sonst pflückt sie die Riesenechse nacheinander von ihrem Eiland ...
Salzwasserkrokodile liegen in der Luft
Ideen scheinen sich in der Filmwelt durch Gedanken zu übertragen. Es ist schon vorgekommen, dass zwei Studios missmutig feststellten, je eigene Filme über die Abenteuer des Robin Hood oder das Leben Alexander des Großen in Arbeit zu haben. Manche Themen sind halt Dauerbrenner, die immer wieder gern aufgegriffen werden.
Doch wer hätte damit gerechnet, dass 2007 gleich zwei Filmboote im nordaustralischen Outback von übellaunigen „Salties“ (wie man die gewaltigen Salzwasserkrokodile liebevoll nennt) umgestülpt und leergefressen werden? Die Plots von „Black Water“ und „Rogue“ ähneln sich sehr. Dennoch liegt kein Plagiat vor. Beide Filme sind keine Schnellschüsse, sondern wurden sorgfältig geplant und umgesetzt. Ihre Vorgeschichten reichen Jahre zurück. Der Zufall ließ sie beide recht gleichzeitig das Licht der Projektionslampe erblicken. Dem Zuschauer ermöglicht diese Parallelität die Möglichkeit des Vergleichs. Anschauen sollte man sich sowohl „Black Water“ als auch „Rogue“. Sie gehen beide ihre Geschichte unterschiedlich an und sind jeweils auf ihre Art sehr gelungen.
Simpel ist klassisch ist gut
Die klassische Geschichte vom Monster, das eine isolierte und somit hilflose bzw. auf sich selbst gestellte Menschengruppe heimsucht, wird am besten simpel erzählt und nicht durch Nebenhandlungen – vor allem Lovestorys – oder ausführliche Biografien der Figuren unnötig kompliziert (oder in unserem Fall „verwässert“). Greg McLean, der sein Publikum vor „Rogue“ mit dem Serienkiller-Reißer „Wolf Creek“ (2005) wahrlich einen Höllentrip bescherte, schaltet dieses Mal einen Gang herunter, ohne dadurch sein neues Werk an Spannung einbüßen zu lassen.
Am Konzept des Kampfes Monster gegen Mensch hat McLean klug nichts geändert. Sein Kreativität fließt in die Variation eigentlich längst bekannter Situationen ein. „Rogue“ ist für einen Horrorfilm sehr sorgfältig produziert. Obwohl im Vergleich zu einem Hollywood-Blockbuster ein Schnäppchen, ist dieser Film kein billiger, für den Direct-to-DVD-Markt heruntergekurbelter Streifen. Für „Rogue“ reisten die Schauspieler und eine vielköpfige Crew in Gebiete des Outbacks, in denen bisher selten oder noch niemals gedreht worden war. In dieser abgelegenen Region arbeiteten sie bei Temperaturen von mehr als 50° C und einer Luftfeuchtigkeit von fast 100% unter Schlangen, Riesenspinnen, blutgierigen Fliegen – und echten Krokodilen.
McLean hat deshalb voll und ganz recht, wenn er die Landschaft als einen der Hauptdarsteller bezeichnet. Sie ist urwüchsig, faszinierend und flößt Respekt ein – und sie verdeutlicht, wieso sich Menschen hier wahrlich im falschen Revier befinden: Hier herrschen andere Regeln. Aufgestellt werden sie vom Krokodil.
Nach einer wahren Begebenheit
Dem informationsreichen „Making Of“ (s. auch unten) ist zu entnehmen, dass die Story von „Rogue“ durch ein reales Geschehen inspiriert wurde. Zwischen 1974 und 1979 siedelte sich ein Krokodil namens „Sweetheart“ in einem von Menschen zahlreich frequentierten Flusslauf an und ließ sich dort nicht mehr vertreiben. Außerordentlich revierzentriert attackierte Sweetheart Boote und Fischer. Nachdem er ein Fischerboot versenkt und seine Insassen in Todesangst versetzt hatte, wurde er gefangen und starb dabei. Sein präparierter Riesenkörper wird im Museum ausgestellt.
Diese Episode wurde für Greg McLean zum gedanklichen Auslöser. Er blies das Krokodil nicht zum Dinosaurier auf, sondern hielt sich erstaunlich eng an die Tatsachen. So ist ‚sein‘ Krokodil mit seinen sieben Metern Länge sehr realistisch geraten. Man fürchtet sich trotzdem auch als Zuschauer tüchtig vor ihm, denn wie die Landschaft gehört das Untier zu den Darstellern.
Ein „dummes Tier“ nennt es einer der Gestrandeten. Er liegt damit völlig richtig: Dieses Krokodil wird von keinem Horrorfilm-Dämonen besessen. Es ist, was es ist: ein Reptil. McLeans Verdienst ist die klare Darstellung des Krokodils als König eines Reiches, in das der Mensch nicht gehört und in dem er auf verlorenem Posten steht.
Ein Boot voller Narren?
Nicht einmal die Grenze zwischen Wasser und Land ist scharf definiert in dieser seltsamen Welt. Touristenboote durchkreuzen sie. Gesteuert werden sie von kernigen Naturburschen oder –maiden wie Kate, die ihre Heimat liebt, ohne sie freilich wirklich zu kennen. Diese bittere Lektion muss sie erst lernen.
McLean liebt es mit Klischees zu spielen und sie umzukehren. Die sorgfältig gecastete und vorzügliche Schauspielerschar unterstützt ihn dabei. Radha Mitchell überzeugt, wenn sie zunächst die überlegene Fremdenführerin gibt, deren Selbstsicherheit vom Krokodil Stück für Stück zerschlagen wird, bis sie ratlos und genauso verzweifelt wie die übrigen Ausflügler ist.
Michael Vartan ist glaubhaft als in die Wildnis verschlagener Städter Pete. Im Polyesteranzug gibt er eine lächerliche Figur ab. Ausgerechnet er erweist sich als ‚Macher‘ mit Mut und Anführerqualität. Sogar der raubeinige Neil – ebenfalls differenziert gespielt von Sam Worthington – kann ihm nicht das Wasser reichen.
In der ersten Hälfte des Films nimmt sich McLean die Zeit, uns die Passagiere von Kates Boot vorzustellen. „Rogue“ ist deshalb keineswegs langweilig, weil diese Einführung in eine über die gesamte Distanz funktionierende Geschichte eingebettet ist. Als Zuschauer benötigen und genießen wir einige Zeit, um Land und Leute besser kennenzulernen. Als das Krokodil auftaucht, haben sie alle für uns ein Gesicht bekommen. Ihr Schicksal ist uns nicht mehr gleichgültig.
Das eingangs erwähnte Talentniveau der Schauspieler ist durchweg hoch. Genreüblich bringt die Krise Züge zum Vorschein, die zuvor sorgfältig verborgen gehalten wurden. Diese Genese wird spannend dargestellt. Um diesen Text nicht gar zu sehr anschwellen zu lassen, sei exemplarisch auf einen Darsteller hingewiesen: Den scheuen, dickbäuchigen Busfahrer Russell mimt John Jarratt, der in „Wolf Creek“ den lauten, bösartigen Killer Mick Taylor gab! Man muss das „Making Of“ sehen, bevor man das glauben kann!
Kleine Schatten gibt es auch
Die hochprofessionelle Machart von „Rogue“ ergibt letztlich einen Film, der beste Genre-Unterhaltung bietet. Mehr ist da allerdings nicht; „Rogue“ ist kein Meilenstein der Filmgeschichte und soll es sicherlich nicht sein.
Aber auch zum Genre-Klassiker will es nicht ganz reichen. Nicht ganz unerwartet wird das Krokodil zum größten Schwachpunkt. Während es in „Black Water“ fast durchweg aus dem Hinterhalt operierte, tritt es in „Rogue“ von der Schnauze bis zur Schwanzspitze deutlich in Erscheinung. Es muss zudem Dinge tun, die ohne Filmtricks nicht zu realisieren wären. Das gelingt ihm nicht. Obwohl die Trickabteilung Bemerkenswertes leistete (s. u.), wirkt die Echse oft künstlich. CGI ist weiterhin kein Garant für Lebensechte.
Um es noch einmal zu verdeutlichen: Wo diese Kritik andere (Horror-) Filme vernichten würde, kann sie diesen Film nur streifen. „Rogue“ spielt auf einem viel besseren Platz. Als Filmhorror kann ein Krokodil nie so erschrecken wie der Killer vom „Wolf Creek“. Es reicht trotzdem für anderthalb Stunden, die köstlichen Adrenalinstress bescheren.
Daten
Originaltitel: Rogue (Australien 2007)
Regie u. Drehbuch: Greg McLean
Kamera: Will Gibson
Schnitt: Jason Ballantine
Musik: François Tétaz
Darsteller: Radha Mitchell (Kate Ryan), Michael Vartan (Pete McKell), Sam Worthington (Neil), Caroline Brazier (Mary Ellen), Stephen Curry (Simon), Celia Ireland (Gwen), John Jarratt (Russell), Heather Mitchell (Elizabeth), Geoff Morrell (Allen), Damien Richardson (Collin), Robert Taylor (Everett Kennedy), Mia Wasikowska (Sherry), Barry Otto (Merv)
Label/Vertrieb: Kinowelt Home Entertainment (www.kinowelt.de)
Erscheinungsdatum: 09.09.2008 (Leih-DVD) bzw. 10.10.2008 (Kauf-DVD)
EAN: 4006680040837 (Leih- u. Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1 anamorph)
Audio: DTS ES 6.1 (Englisch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 89 min.
FSK: 16
DVD-Features
Zu einem ‚ehrlichen‘ Film wie „Rogue“ gehört ein „Making Of“, das nicht wirbt sondern informiert. So erwartet man es als Filmfreund, und diese Erwartung wird endlich einmal erfüllt. Greg McLean, seine Crew und die Schauspieler geizen nicht mit Hintergrundinformationen, die durch entsprechendes Bildmaterial illustriert werden. Der Dreh von „Rogue“ war harte Arbeit, obwohl nicht die ganze Zeit im Outback gefilmt wurde. Den Einfallsreichtum hinter der Kamera kann man nur bewundern. Der Faktor Improvisation war unverzichtbar. Geschont hat sich auch vor der Kamera niemand. Das „Making Of“ zeigt Darsteller, die zwischen den Szenen vor Hitze, Feuchtigkeit und Insektennot zusammensinken. Sobald die Klappe geschlagen wird, sind sie wieder ‚da‘.
Viele Monate hat Greg McLean an „Rogue“ gearbeitet. Trotz Improvisation wurde wenig dem Zufall überlassen. Per Storyboard und Computeranimation wurden die Szenen durchgeplant – kein Wunder, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann! Die nachträgliche Bearbeitung des gedrehten Films war aufwendig. Licht und Farbgebung wurden manipuliert, um die Flusswelt des Krokodils noch fremdartiger wirken zu lassen.
Sogar die Filmmusik ist nie dem Zufall geschuldet. Mit François Tétaz heuerte McLean einen veritablen Musiker und Komponisten an, der sich viele Gedanken über die Unterstützung der Szenenstimmung durch Musik oder musikähnliche Geräusche machte. Selbst das Krokodil bekam sein eigenes Thema, in das viel Inspiration und Transpiration geflossen sind.
Sehr aufschlussreich ist die etwas kürzer geratene Spezialeffekte-Featurette. McLean wollte wie schon erwähnt ein authentisches Krokodil. Er wusste um die Schwierigkeiten, die der moderne digitale Filmtrick heraufbeschwört: Fremde Welten lassen sich auf diese Weise perfekt inszenieren. Doch was der Mensch kennt, wird von einem schier unbestechlichen Auge unbarmherzig als Fälschung entlarvt, wenn es nachgebildet wurde.
Zum Einsatz kam deshalb auch die Tricktechnik der Vergangenheit: Das Krokodil wurde – in Lebensgröße! – als animatronisches ‚Modell‘ konstruiert. Es sah nicht nur täuschend echt aus, sondern konnte Hals, Kopf und Schwanz bewegen und die Kiefer erschreckend drastisch zusammenkrachen lassen. Wenn Michael Vartan im großen Finale mit der Kreatur kämpft, ist seine Angst echt, weil das PS-starke Ungetüm ihm leicht wirklich einen Arm abbeißen konnte.
Das Krokodil selbst wurde seinem lebendigen Vorbild entsprechend geformt. Filmbilder lassen keinen Zweifel daran: Echte Salzwasserkrokodile sind massige, schwer gepanzerte, richtig fies aussehende Riesenechsen. Sie können nicht nur schneller schwimmen als ein Mensch rennt, sondern sind auch an Land erstaunlich flink. Zu allem Überfluss springen sie höher aus dem Wasser als ein Delfin. Kein Wunder, dass die Schauspieler sichtlich nervös waren, wenn sie zum Dreh in echte Krokodilgewässer fuhren!
Zu den Features kommen noch der Trailer (englisch und deutsch) sowie eine Fotogalerie. Sie komplettieren eine DVD, die an Wünschen nichts offen lässt.
- Redakteur:
- Michael Drewniok