Schande
- Regie:
- Jacobs, Steve
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Drama
- Land:
- Australien / Südafrika
- Originaltitel:
- Disgrace
1 Review(s)
31.07.2010 | 23:3416 Jahre sind seit dem Ende der Apartheid in Südafrika vergangen. Doch von eingekehrter Ruhe kann am Kap der guten Hoffnung noch lange keine Rede sein, trotz Abschaffung der Rassentrennung, trotz langsamen wirtschaftlichen Aufschwungs, trotz Fußball Weltmeisterschaft. Aber wie könnte das Land auch nach nicht einmal zwei Jahrzehnten Frieden finden, von einer von Gewalt, Ausbeutung und Diskriminierung geprägten Vergangenheit, die bereits 400 Jahre währte? Die Last der zurückliegenden, aber noch immer präsenten Vergangenheit Südafrikas ist Dreh- und Angelpunkt von Steve Jacobs Verfilmung eines Buches von Autor und Nobelpreisträger J. M. Coetzee. „Disgrace“ - im deutschen etwas unglücklich mit „Schande“ übersetzt – handelt von einem Universitäts-Professor, welcher sein eigenes Land nicht mehr versteht und der in diesem neuen Südafrika, in dem sich Gewalt und Diskriminierung nun nicht mehr gegen die schwarze Mehrheit, sondern die weiße Minderheit richtet, nicht mehr zurecht kommt.
David Lurie (John Malkovich) ist das, was man hinlänglich einen Casanova nennen würde. Er liebt die Werke von Byron, genießt gerne gutes Essen, ebenso wie die Zweisamkeit mit Frauen, vornehmlich jüngerer Natur. Vor allem eine hat es ihn angetan: Melanie (Antoinette Engel), eine Studentin aus seinem Romantik Kurs an der Universität von Kapstadt. Das diese nicht wirklich an Lurie interessiert ist, macht den kultivierten, aber vollkommen vereinsamten Mann nichts aus, immerhin ist er sich bewusst, das er als Melanies Professor eine gewisse Machtposition einnimmt. Und dies nutzt er auch aus. Als die Vorkommnisse jedoch an die Öffentlichkeit geraten, wird Lurie von seinen Vorgesetzten entlassen. Bereuen tut er seine Taten jedoch nicht. Eher ist er gekränkt. Um ein bisschen Abstand zu gewinnen fährt Lurie daher zu seiner Tochter Lucy (Jessica Haines) in die Provinz Ostkap, wo sie eine kleine Farm betreibt. Dort angekommen muss Lucys Vater nicht nur feststellen, das sie mittlerweile von ihrer Freundin getrennt lebt, sondern auch ein Teil ihres Landes an Petrus (Eriq Ebouaney) überschrieben hat. Wirklich begeistert ist Lurie davon nicht. Als eines Tages drei junge Männer Lucy und David überfallen, sie vergewaltigen und ihn anzünden, gerät die Welt von Tochter und Vater aus den Fugen. Doch während Lurie vor allem Wut spürt, will Lucy einfach nur vergessen...
„Schande“ ist ein Film, der in deutlicher (aber manchmal zu aufgesetzt wirkender) Bildsprache die desolate Lage des heutigen Südafrikas skizziert. Dabei beleuchtet er vor allem die Situation der weißen, nun nicht mehr herrschenden, Minderheit des Landes, die über Jahrhunderte hinweg zum größten Teil von der Apartheid und Ausbeutung der schwarzen Bevölkerung profitiert haben. Eine Situation, die sich nun komplett gewandelt hat. David Lurie, mit brisanter Arroganz und Unterkühlt bravourös von John Malkovich („Being John Malkovich“, „Himmel über der Wüste“) gespielt, steht für das alte weiße Südafrika. Er ist zwar keinesfalls ein Rassist, denn tatsächlich sind seine Liebhaberin vor allem farbige Frauen, allerdings kann er sich mit der neuen Rolle der quasi machtlosen Minderheit nicht anfreunden. Einzig und allein seine Position als Professor gibt ihn noch Überlegenheit anderen gegenüber. Eine Position, die er nur zu gerne ausnutzt. David Lurie ist kein Charakter den man mag, mit den man sich gar identifizieren kann. Im Gegenteil. Vielmehr ist man von ihm angewidert, von seiner Überheblichkeit, seinem Machtkomplex und seiner Frauenfeindlichkeit. Figuren dieser Art liegen John Malkovich natürlich wie kaum einen zweiten und so überrascht es nicht, das er in seinem Spiel absolut glänzt, zumal ihn seine Rolle dauerhaft fordert.
Denn sein David Lurie macht im Verlaufe des Filmes eine Wandlung durch. Eine Wandlung die lange dauert, selbst nach den Geschehnissen, die ihn und seiner Tochter auf der abgelegenen Farm widerfahren sind, noch nicht einsetzt, sondern erst dann als er sich bewusst wird, wie Hilflos er ist. „Schuld“ bedient sich in seiner zweiten Hälfte daher dem Schuld und Sühne Motiv. Lurie erkennt seine Fehler, sucht Vergebung. Er bereut. Das erste mal in seinem Leben ist seine Reue ehrlich.
Am stärksten ist „Schande“ in jenen Momenten, in denen der Film David Laurie und seine Tochter aufeinanderprallen lässt. Während David lange braucht um sich auch seiner eigenen Schuld bewusst zu werden, nimmt seine Tochter die an ihr begangenen Taten hin. Sowieso war es nicht das erste mal. Sie kennt das Gefühl bereits. Doch es ist keine Wut die sie spürt, vielmehr Verständnis. Nicht unbedingt für die Tat selbst, aber für die Täter, deren Vorfahren nie etwas hatten und die nun selber nichts haben. Allerdings sind sie nun in der Situation sich etwas zu holen. Sei es, was es ist. Mit Vater und Tochter prallen somit zwei vollkommen unterschiedliche Welten aufeinander, die exemplarisch für das heutige Südafrika einstehen. Die ohnmächtige Seite und die Seite die nach vorne schauen will, die aber auch für die Ungnade ihre Vorfahren gerade stehen will. Letzterer Part wird von Schauspieldebütantin Jessica Haines („Home Affairs“) in Form von Lucy, die als ruhige und leidende Tochter den genauen Gegenpol zu ihren Vater darstellt, so sensibel und gut porträtiert, das sie Malkovich in kaum etwas nach steht.
„Schande“ ist kein leichter, gar schöner Film, sondern ein bedrückendes, in manchen Augenblicken geradezu verstörendes Drama über Schuld und Vergebung. Die Symbolik der Bildern mag zwar manchmal einer etwas zu aufdringlichen Holzhammermethode folgen, doch die Allegorie ist schlüssig und verständnisvoll gezogen. Vor allem die beiden Hauptdarsteller machen den Film zu einem unvergessenen Erlebnis, über das man nach dem Abspann noch länger nachdenken wird.
Daten zum Film:
Originaltitel: Disgrace (Australien/Südafrika, 2008)
Laufzeit: ca. 120 Minuten
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Regie: Steve Jacobs
Darsteller: John Malkovich (Professor David Lurie), Antoinette Engel (Melanie Isaacs), Jessica Haines (Lucy), Eriq Ebouaney (Petrus), David Dennis (Mr. Isaacs), Charles Tertiens (Ryan)...
8/10
- Redakteur:
- Adrian Trachte