Schlacht um Finnland - Tali-Ihantala 1944
- Regie:
- Ake Lindman
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Kriegsfilm
- Land:
- Finnland
- Originaltitel:
- Tali-Ihantala 1944
1 Review(s)
19.07.2012 | 15:10Semidokumentarischer Kriegsfilm für Sammler
Juni 1944. Die Rote Armee startet eine Großoffensive gegen Deutschland und Finnland. Den Finnen droht die totale Besetzung durch die Sowjetunion. Zahlenmäßig stark unterlegen bereitet die finnische Armee Gegenangriffe auf die Russen vor. General Lagus führt eine Panzerdivision und Jägerbrigaden ins Gefecht. Zum ersten Mal kämpft auch sein Sohn mit an vorderster Front...
Regisseur Åke Lindman erzählt mit diesem Film den finnischen Kampf um Unabhängigkeit im Zweiten Weltkrieg. Die Schlacht von Tali-Ihantala gilt als die größte jemals in Nordeuropa geschlagene Schlacht. Die Figuren und Handlungen beruhen auf wahren Begebenheiten und Erzählungen von Veteranen. (Verleihinfo)
Handlung
TEXT-PROLOG
Am 17. Juni 1941 wurden die Finnen mobilisiert, um an der Seite der deutschen Wehrmacht am Überfall auf die Sowjetunion teilzunehmen. Dieser am 22.6. erfolgten Invasion schlossen sich die Finnen aber erst am 26.6. an. Sie wurden zurückgeschlagen und mussten den Krieg drei Jahre lang alleine fortsetzen, während die Deutschen vergeblich versuchten, die Sowjets in die Knie zu zwingen.
Nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad im Winter von 1943 befand sich die Wehrmacht im Sommer 1944 auf dem Rückzug, und die Finnen mussten sich auf eine Großoffensive der Russen an ihrer Ostfront gefasst machen. Die Sowjets hatten von den Alliierten Unmengen von Kriegsmaterial und Versorgungsgüter per Geleitzug erhalten. Am D-Day, dem 6.6.1944, schlugen die Alliierten zeitgleich mit den Sowjets los. Die Schlacht um Finnland begann...
Der Beginn
Ein Reporterteam der finnischen Wochenschau filmt (in schwarzweiß) den Artillerieoffizier Talvitie, wie er elegant vor einem deutschen Sturmgeschütz posiert. Im Gegenschnitt überrollt ein Sowjetpanzer deutsche Soldaten - und die scheinen ins Bild zu rollen. Am 10. Juni beginnt der sowjetische Angriff auf Karelien (vgl. dazu "Beyond the Front-Line - Kampf um Karelien"). Vorgelagerte finnische Aufklärer lassen sich von den Russen passieren. Sie werden später noch wichtig.
Am 14. Juni startet General Lagus die Gegenoffensive mit Hilfe einer Panzerdivision, bei der sein Sohn Olaf (vgl. Veteranen) Dienst tut. Er ist erst 18 Jahre alt und wird wegen seiner Brille noch als "Vierauge" geneckt. Per Zufall gerät Olaf in ein gegnerisches Panzerlager. Er schießt vier der Gegner ab, bevor seine Kanone feststeckt. Der General rät seinem Marschall zum Rückzug auf die VKT-Linie, so dass es am 25. Juni zum Durchbruch der Russen bei Portinhoikka kommt. Der finnische Gegenangriff ist zum Glück erfolgreich. Doch der Erfolg hält nicht lange vor.
Deshalb lässt der General die Artillerie einsetzen, die einzige Waffe, die den schnellen sowjetischen Panzern etwas entgegenzusetzen hat. Diese greifen immer über die Waldlichtungen an und sind leicht abzuschießen. Um ein Haar bekommen auch die eigenen Truppen was vom Geschützfeuer ab. Der furchtlose General Vilmas kundschaftet selbst an vorderster Front - bis es ihn schließlich doch noch erwischt.
Die Wende
Die Russen hören die Finnen ab, und die Finnen erwischen die Frequenz der Russen. Auf diese Weise erfährt am 2.7. die finnische Funkaufklärung in Sortavaala vom bevorstehenden Vorstoß der Russen auf Ihantala. In den frühen Morgenstunden des Folgetages packen die Finnen alles zusammen, was sie zur Abwehr der russischen Offensive benötigen: Panzer, Infanterie, Artillerie und sogar die Luftwaffe, die mit deutschen Jägern fliegt. Nun kommen auch die Aufklärer hinter den sowjetischen Linien zu ihrem Recht...
Die Schlacht um den bislang so düster-einsamen Friedhof Ihantala beginnt. Sie soll fünf Tage dauern und eine Siegesserie der Finnen begründen, die erst mit dem Waffenstillstand am 19. September endet...
Mein Eindruck
Schon vom ersten Bild an, dass sich dem Text-Prolog anschließt, ist klar, dass dies die Dokumentation eines historischen, eines realen Ereignisses sein wird: Die Wochenschau-Reporter sind vor Ort und drehen alles, was ihnen vor die Linse kommt. Schnell wirkt alles recht authentisch, doch so ein richtiges Doku-Feeling wird dann doch nicht zugelassen. Denn eine dramatische Geschichte wie dieses Schlachtengemälde kann den Zuschauer nur emotional packen, wenn er am Schicksal von identifizierbaren Figuren Anteil nimmt.
Deshalb konzentriert sich die skizzenhaft angedeutete Handlung auf vier bis fünf Figuren, die immer wieder auftauchen. Vier davon sind auf dem Titelbild dargestellt. Dazu gehören General Vilmas, Hauptmann Hynninen und diverse Oberste, Majore und Leutnants. Die Hauptfiguren gehören zu den Haupteinheiten, die die Action vorantreiben: die Infanterie, Panzergrenadiere und Panzerfahrer. Artillerie und Luftwaffe spielen nur eine unterstützende Rolle.
Eines ist klar: Sobald sich die Soldaten einbuddeln, wird die Lage ernst. Schon bald fliegen ihnen die Granaten um die Ohren, und wenn sie nicht aufpassen, werden sie rechts und links von Panzern überrollt und umzingelt. Das ist der moderne Krieg in seiner schlimmsten Form: Der Soldaten kann nur noch im Team überleben, sonst dreht er durch - so wie jener arme Infanterist, der plötzlich Wahnvorstellungen entwickelt und auf einen Hügel taumelt, mitten ins Schussfeld. Er ist nur ein Beispiel davon, wie der Mensch mit seinen ärmlichen Sinnen von der Maschinerie ringsum taub und blind geschossen wird. "Sound and Fury" - die Schlacht von Ihantala, die wir in einer sehr kurzen Panorama-Einstellung sehen, ist die Verkörperung dieses Shakespeare-Zitats.
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 16:9 - 2.35:1 (1080p)
Tonformate: Deutsch (DTS-HD 5.1), Finnisch (DTS-HD 5.1)
Sprachen: D, Finnisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, Polnisch
Extras:
1) Making Of
2) Veteraneninterview
3) Originaltrailer
4) Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-Ray
Während die Qualität des DTS-Tons durchweg ausgezeichnet ist, lässt sich über die Qualitäts des Bildes kein Pauschalurteil abgeben. Der Film besteht nämlich aus mehreren unterschiedlichen Bildquellen.
a) Das beste FARB-Bild liefern die Actionszenen, wie etwa Schlachten-Aufnahmen.
b) Aber es gibt auch ein paar FARB-Aufnahmen, die ziemlich grieselig daherkommen, weil sie mit einer anderen Kamera in niedriger Auflösung aufgenommen wurden.
c) Sehr gute SCHWARZWEISS-Aufnahmen sind zu sehen, wenn moderne Bildquellen genommen und in Schwarzweiß umgerechnet wurden. Dazu gehören viele Szenen, die angeblich von zeitgenössischen Wochenschau-Reportern gedreht wurden, etwa von Flugzeugstarts. Dazu gehört aber auch der Anfang des Films.
d) Weit weniger gute SCHWARZWEISS-Aufnahmen liefern echte Wochenschau-Filme aus der damaligen Zeit, so etwa von Bombern über Finnland.
EXTRAS
1) Making Of (24:15 min)
Der Produzent berichtet über den Unterschied zwischen "Tali-Ihantala" und dem ebenfalls von ihm produzierten Streifen "Beyond the Front-Line". (Ein dritter Film war geplant, konnte aber aus Geldmangel nicht umgesetzt werden.) Während "Front-Line" die dramatisierte Fiktion des "Kampfes um Karelien" anhand von Figuren erzählt, bleibt "Schlacht um Finnland" bei der historischen Wahrheit, wird aber eher weniger über Figurenschicksale erzählt. Deshalb wirkt der Film stellenweise wie eine Dokumentation.
Diese Ästhetik steht in bewusstem Gegensatz zu amerikanischen Schlachtenfilmen. Um maximale Realitätsnähe zu erzielen, wurde bewusst auf Zeitlupe und ähnliche Mätzchen verzichtet; alle Explosionen basierten nicht auf grellrot brennendem Benzin, sondern fand in Torf statt, so dass richtig dreckig wirken. Der Rechercheur ermittelte für jeden der dargestellten Akteure einen Namen, der echt ist (und einige davon sind in den Veteranen-Interviews zu finden). Seine Dossiers halfen den Darstellern, ihre Rolle auszufüllen. Veteranen und sogar ein echter Admiral schauten vorbei, prüften und genehmigten die Aufnahmen.
Spezialeffekte gab es nur wenige, berichten der Cutter usw. Es wurden beispielsweise ferngesteuerte Kameras eingesetzt, um die Torf-Explosionen aus sicherer Entfernung einzufangen. Und die Mündungsbremsen an den Panzer- und Haubitzenrohren wurden digital entfernt. Das war's.
Die Intention des Regisseurs bestand darin, die Menschen zu berühren; besonders junge Menschen sollten einen realistischen Eindruck vom Krieg ihrer Großväter (die meist nie darüber sprachen) erhalten. Der Film wurde am finnischen Unabhängigkeitstag in die Kino gebracht. Der Regisseur bekam eine Menge Feedback von den jungen Menschen, die ihm meist dankten. Denn der Film erklärte ihnen, warum Finnland bis heute unabhängig geblieben ist. Die Veteranen anerkannten die Bemühung, die Ereignisse so authentisch wie möglich zu erzählen. Es sollte so aussehen, als sei die Kamera nur zufällig dabei. Zu guter Letzt sollte der Film den Opfern und Verantwortlichen dieser Ereignisse eine Art Denkmal setzen.
2) Veteraneninterviews (28:20 min.)
Hier erzählen mehrere Veteranen, die an der Schlacht von Tali-Ihantala oder anderen Gefechten teilnahmen, wie sie in den Krieg gingen, was sie dort erlebten und wie sie diese Erlebnisse einschätzen.
a) Sahari Sippola;
b) Olaf Lagus (ist im Film);
c) Orvar Nilsson, ein schwedischer Freiwilliger wie viele andere.
3) Originaltrailer (1:22 min)
Kommentarlos, nur mit dramatischer Musik und feierlichem Gesang begleitet, schildert der Trailer die Höhepunkte des Films. Das ist das Gegenteil von "reißerisch" zu nennen, entbehrt aber nicht des nötigen Pathos.
4) Trailershow
a) Beyond the Front-Line (siehe meinen Bericht)
b) El Alamein 1942 (dito)
c) Sturm auf Festung Brest (dito)
d) Vier Panzersoldaten und ein Hund (dito)
e) The Hunter (dito)
f) Ambush 1941
g) Buffalo Soldiers 44
h) Das Massaker von Katyn
Unterm Strich
Gegenüber dem kurz vorher produzierten Film "Beyond the Front-Line" nimmt sich dieser Streifen weniger emotional und erzählend aus, wird dabei aber nicht weniger packend. Die Fehler, die beim Vorgänger, wie der Produzent unumwunden zugibt, noch gemacht wurden, sind nun wesentlich weniger. Nie gerät die Handlung ins Stocken oder wird durch Personenporträts zum Erliegen gebracht. Vielmehr nimmt die Story von Beginn an Fahrt auf, selbst wenn es scheint, dass es nur nach rückwärts vorangeht.
Es ist am besten, die beiden Filme zusammen anzuschauen. Welchen zuerst? Das ist schwierig zu beantworten, denn wer zuerst das Schlachtenpanorama ansieht, dem werden die Einzelschicksale in "Beyond" nahezu bedeutungslos vorkommen, obwohl es für den Regisseur genau umgekehrt war. Wer zuerst "Beyond" zuerst sieht, dem fehlt der große Zusammenhang, und Ihantala wird gleich gar nicht erwähnt, dafür eine ganz andere Schlacht.
Die Wahl bleibt dem Interessenten überlassen. Mein persönlicher Tipp gründet sich auf das Bonusmaterial: Das von "Beyond" bildet das persönliche gehaltene Vorspiel zu dem großen Panorama, das dann das Bonusmaterial von "Ihantala" entfaltet.
Da dies ein Kriegsfilm ist, der dokumentarische Ambitionen hat, dürfte jedem klar sein, was er an Bildern zu erwarten hat: Blut und Leichen. Die Kamera hält allerdings nicht drauf, wenn Gedärme aus dem Leib quellen - das muss man sich dazudenken. In Erinnerung bleibt vielmehr der Eindruck von riesigen Maschinerien, die sich unerbittlich und gleichgültig über Menschenleiber hinwegwälzen - das ist der moderne Krieg des 20. Jahrhunderts. Zumindest der Krieg, bevor Raketen und Flugzeuge in großem Stil eingesetzt wurden.
Die Blu-ray
Die Silberscheibe bewerte ich als rundum gelungen. Es gibt rund eine Stunde Bonusmaterial in Form eines kenntnisreichen und vielseitigen Making-ofs einerseits und dreier Veteranen-Interviews andererseits. Sound und Bild sind in der Regel gut. Wo nicht, hat dies historische oder technische Gründe (siehe oben). Die Textpassagen vor und nach dem Film sorgen dafür, dass keine Verwirrung über den Stellenwert der Schlacht um Tali-Ihantala aufkommt. Fans von Kriegsfilmen dürften diese Blu-Ray schon bald zu ihren Sammlerstücken zählen. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.
Filminfos
O-Titel: Tali-Ihantala 1944 (Finnland 2007)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
VÖ: 17. Juli 2012 (Kauf-BD)
EAN: 4048317475162
FSK: ab 16
Länge: ca. 116 Min.
Regisseure: Ake Lindman, Sakari Kirjavainen
Drehbuch: Benedict Zilliacus, Stefan Forss
Musik: Timo Hietala
Darsteller: Tarmo Ruubel, Kari Ketonen, Marc Gassot, Ilkka Villi, Pete Lattuu.a.
Michael Matzer (c) 2012ff
- Redakteur:
- Michael Matzer