Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt
- Regie:
- Wright, Scott
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Komödie
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Scott Pilgrim
1 Review(s)
02.03.2011 | 22:11Der rasante, in den letzten Jahren stattgefundene Popularitätsanstieg der Geek- und Nerd-Kultur in massenkompatiblen Medien hat sich vor allem auf die Fernseh- und Filmlandschaft sehr stark ausgewirkt. Egal ob Normalos nun auf Superhelden machen („Kick-Ass“), man sich wöchentlich auf eine Gruppe quirliger Wissenschaftler („The Big Bang Theory“) freut oder die Wiederauferstehung der Untoten („The Walking Dead“) feiert: die aktuelle Popkultur geht selten nicht Hand in Hand mit dieser Subkultur.
Ein in der Gemeinde sehr geschätzter Name ist der des Briten Edgar Wright, welcher mit „Shaun of the Dead“ (2004) und „Hot Fuzz“ (2007) zwei Kultfilme an den Mann gebracht hat. Als es schließlich hieß, dass Wright das leitende Zepter für die Verfilmung des in Fankreisen ebenfalls vergötterten Comics „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ übernehmen würde, war die Aufregung - wie zu erwarten - sehr groß. Und tatsächlich ist Wright sein, unter kritischen Augen stehendes, Unterfangen mehr als geglückt, sodass jeder, der sich mit der Subkultur des Nerdtums anfreunden kann, auf Videospiele und Comics steht, mit „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ seine helle Freude haben dürfte.
Der 22-jährige Scott Pilgrim ist ein recht stereotyper Vertreter seiner Generation. Einen Plan von seiner weiteren Zukunft hat er eben sowenig, wie einen Job. Stattdessen verbringt er seine Freizeit lieber damit um seiner vor über einem Jahr in die Brüche gegangenen Beziehung nachzutrauern, bei seiner Band Sex Bob-omb als Bassist zu spielen und mit dem einige Jahre jüngeren Schulmädchen Knives Chau (Ellen Wong) rumzuhängen, die vollkommen vernarrt in Scott ist. Das alles ändert sich an jenem Tag, als Scott zum ersten mal Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead) trifft. Und tatsächlich schafft es der milchbübige Scott irgendwie bei Ramona zu landen. Da weiß er aber noch nicht, dass er sich schon bald deren sieben Ex-Lovern gegenübersieht, welche allesamt etwas dagegen haben, dass Scott und Ramona zusammen sind...
Eigentlich ist Wrights dritte Regiearbeit nicht vielmehr als eine simple gestrickte Teenie-Romanze mit coming-of-age Motiven. Allerdings ist „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ gleichzeitig so sehr mit Zitaten und Verweisen auf die Film-, Videospiel und Comic-Szene angereichert, dass der Film innerhalb weniger Minuten zum wahren Fest eines jeden Nerds avanciert. So gut wie jeder Dialog besitzt Sprüche, die man noch Tage später im Kopf hat, kaum eine Actionszene, in der nicht aus allen tricktechnischen Möglichkeiten geschöpft wird, kaum ein Charakter, der nicht irgendwie einen Stereotypen der jungen Generation darstellt und gnadenlos überzogen ist.
„Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ ist kein leiser Film mit ruhigen Momenten, in denen hin und wieder einen Gang runtergeschaltet wird, er ist vielmehr ein zweistündiges Potpourri an Gags, Überzeichnungen und audiovisueller Opulenz, welches seinem Publikum keine Minute zur Langeweile lässt. Natürlich muss man mit dem ganzen Nerd-Gedöns etwas anfangen können. Wer Videospiele nur aus reißerischen Debatten kennt, an Comics konsequent vorbeigeht und sich Filme nur ansieht um sich die Zeit zu vertreiben, dem wird „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ nicht zusagen. Für die Zielgruppe ist er hingegen wie ein Traum, an dessen Erfüllung man nie gewagt hätte zu glauben.
Sicherlich ist der Film nicht perfekt. Reißt man die inszenatorische Maske herunter, so wird man erkennen, dass die Liebesgeschichte um Scott und Ramona eigentlich sehr seicht erzählt ist und dramaturgisch ins absolute Nichts schießt. Einen ernsten Tiefgang würde man eher in Steven Seagal Filmen antreffen, als im Vorliegenden. Allerdings stören diese Faktoren herzlich wenig, denn Wright gelingt es sämtliche Fehler des Filmes geradezu perfekt zu kaschieren und sein Publikum in kürzester Zeit in einen ekstatischen Zustand zu versetzen. Dabei ist aber nicht nur der bloßen Inszenierung viel geschuldet, sondern vor allem den liebevoll skizzierten Charakteren. Denn wann hat man es schon einmal, das man sich im Nachhinein selbst an die Nebenrollen noch sehr gut erinnern kann?
Kieran Culkin („Gottes Werk und Teufels Beitrag“, „Igby“) als Scotts schwuler Mitbewohner zum Beispiel ist in jeder Szene eine Wucht, die von der Newcomerin Ellen Wong gespielte Knives Chau der Inbegriff eines jeden Klischees, welches man von einem durchgeknallten Groupie nur haben kann, Jason Schwartzman („Rushmore“,„Darjeeling Limited“) als Musikproduzent Gideon Gordon Graves der perfekte Antagonist und Gegenspieler für Scott. Und auch die Hauptrollen sind wunderbar besetzt worden. Michael Cera („Superbad“, „Juno“) ist für die Rolle des liebenswerten Tagträumers Scott Pilgrim natürlich wie kaum ein anderer in Hollywood geeignet.
Überwiegend spielt Cera zwar noch immer sein altbekanntes Programm ab, allerdings zeigt er sich in den Actionszenen, in denen er mit Ramonas durchgeknallten Ex-Lovern kämpft, auch von einer neuen Seite, die ihm gar nicht mal so schlecht steht. Letztlich dürften selbst die immer lauter werdenden Nörgler an Cera Performance nicht allzu viel zu meckern finden. Und auch Scotts Love Interest - Ramona Flowers - hätte wohl kaum besser besetzt werden können, als mit Mary Elizabeth Winstead („Final Destination 3“, „Make It Happen“), die zwar auch nicht in wirklich jeder Szene voll überzeugt, aber insgesamt doch eine gelungene Darbietung gibt.
Es kommt eher selten vor, dass Verfilmungen qualitativ auf einer Stufe mit ihrer Vorlage stehen. Im Falle von „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ kann man diese Aussage aber durchaus anwenden, hat Wright doch einmal mehr einen ungemein detailverliebten, beinahe schon minutiös inszenierten Unterhaltungsfilm geschaffen, der trotz seines Drangs zum offensichtlich angestrebten Perfektionismus niemals verkrampft wirkt, sondern im Gegenteil ungemein leichtfüßig daherkommt - und es schafft aus beinahe jedem Gag einen Lacher zu machen, aus beinahe jeder Actionszene ein staunendes Gesicht zu zaubern. Es gab in der letzten Zeit nicht viele Filme, die so sehr Spaß gemacht haben, so kurzweilig waren und gleichzeitig danach geschrien haben, dass man sie sich noch ein zweites, drittes und viertes Mal ansieht.
Daten zum Film:
Originaltitel: Scott Pilgrim vs. the World (USA, 2010)
Laufzeit: ca. 107 Minuten
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Regie: Edgar Wright
Darsteller: Michael Cera (Scott Pilgrim), Mary Elizabeth Winstead (Ramona Flowers), Alison Pill (Kim Pine), Mark Webber (Stephen Stills), Ellen Wong (Knives Chau), Kieran Culkin (Wallace Wells), Anna Kendrick (Stacey Pilgrim), Aubrey Plaza (Julie Powers)...
8/10
Anmerkung zur DVD:
Die im Universal Vertrieb erschienene DVD von „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ enthält den Hauptfilm in den Sprachen Deutsch, Englisch und Türkisch (mit den jeweiligen Untertiteln). Auch kann man sich den Film mit Audiokommentar anschauen, in welchem der Regisseur Edgar Wright, sowie die Autoren Michael Bacall und Bryan Lee O`Malley zu Wort kommen. Der Sound liegt hierbei in Dolby Digital 5.1 vor. Ton- und Bildqualität sind, wie nicht anders zu erwarten, einwandfrei und nutzen das Medium DVD zu jederzeit voll und ganz aus. Darüber hinaus sind auf der DVD noch diverse Extras zu finden, worunter neben einer eher langweiligen Galerie auch amüsante Outtakes und entfernte bzw. alternative Szenen zu finden sind, die für Fans des Filmes wirklich ein schönes Schmankerl darstellen.
- Redakteur:
- Adrian Trachte