Sherlock Holmes: Der König der Erpresser
- Regie:
- Hammond, Peter
- Jahr:
- 1992
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- The Master Blackmailer
1 Review(s)
27.05.2010 | 08:08Humorvolle Actionkomödie: Angriff der Panzerknacker
Mit gekauften Briefen treibt ein Unbekannter ehrbare und wohlhabende Londoner in den Ruin. Doch Sherlock Holmes bekommt einen Hinweis und der Verdacht fällt auf den steinreichen Kunsthändler C.A. Milverton. Aber wo ist die Verbindung zum Selbstmord von Colonel Dorking, der sich ausgerechnet kurz vor seiner Hochzeit das Leben nimmt? Die Sache wird immer mysteriöser. Immer häufiger ist von Erpressungen übelster Sorte die Rede, bis sich eines Tages die schöne Lady Eva Blackwell aus Verzweiflung an den Meisterdetektiv wendet. Für Holmes und seinen getreuen Mitarbeiter Dr. Watson gibt es jetzt nur noch einen Weg, dem Erpresser das Handwerk zu legen: Sie müssen in die Höhle des Löwen und die Briefe zurückholen, bevor es zu spät ist! (Verlagsinfo)
Filminfos
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O-Titel: The Master Blackmailer (GB 1992)
Dt. Vertrieb: Polyband & Toppic Video/WVG
Erscheinungstermin: 28. Juni 2004
FSK: ab 12
Länge: ca. 103 Minuten
Regisseur: Peter Hammond
Musik: Patrick Gowers
Darsteller: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Robert Hardy u.a.
Handlung
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In jenen seligen, sonnigen Tagen, als nichts das Glück von Charlotte Miles trüben zu können schien, verlobte sie sich mit Colonel Dorking. Und Eva Brackwell, die Pflegetochter ihrer Familie und somit praktisch eine Schwester, blickte gratulierend und ein wenig neidisch auf dieses Glück. Bis die Briefe kamen. Das Glück zerbrach, der Colonel erschoss sich vor Scham und Charlotte verließ das Elternhaus. Es war Milverton, der jene verräterischen Briefe geschickt hatte – Charles Augustus Milverton, König der Erpresser, schon seit über einem Dutzend Jahren.
„Und wer ist dieser Charles Augustus Milverton?“, möchte der gute Doktor Watson wissen. Der "König der Erpresser", lautet Holmes’ erboste Antwort. Milverton kauft Briefe an, die Personen der "feinen Gesellschaft" kompromittieren. Die Verkäufer sind meist Leute aus deren Haushalt, treulose Dienstboten und dergleichen. Was Holmes Inspektor Lestrade verschweigt, der den Freitod untersucht, ist der Umstand, dass der Oberst ein Hilfeersuchen schrieb, das mit der Visitenkarte von Milverton versehen war.
Ein neues Abenteuer
Holmes und Watson machen sich diesmal getrennt ans Werk, um dem Schurken das Handwerk zu legen. Holmes muss den Widerstand des bewaffneten Butlers von Milverton überwinden. Er schleicht sich als Klempner ein und bändelt mit dem Hausmädchen Agnes an, das richtig auf den schmucken Handwerker „Mr Ascot“ abfährt. Das macht ihren Verehrer jedoch rasend vor Eifersucht. Früher oder später muss es zum Kampf kommen, ahnt Holmes. Hoffentlich hat er bis dahin bereits den Zugang zu Milvertons Privatgemächern und zum Tresor, in dem die Briefe lagern, ausbaldowert. Milverton bemerkt von diesen Vorgängen nichts – Dienstboten!
Unterdessen besucht Dr. Watson als harmlos erscheinender Besucher eine Vernissage, in dem ein Porträt einer Lady enthüllt wird. Auf diese unverfängliche Weise lernt er sowohl Milverton, einen richtigen Widerling, und dessen gesellschaftliches Umfeld kennen – alles potentielle Opfer. Watsons Auge entgeht Lady Brackwell ebenso wenig wie deren Pflegemutter Lady Swinstead, die Witwe eines hochverdienten Diplomaten.
Das neueste Opfer
Mittlerweile steht Lady Eva Brackwell kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Earl of Dovercourt, doch Milverton hat mehrere kompromittierende Briefe der Dame gekauft, die sie in jugendlicher Verliebtheit geschrieben hatte - an einen mittellosen Gutsherrn. Nicht auszudenken, wie peinlich dem Earl die Kenntnis der Briefe wäre, vor allem dann, wenn sie schon bald, wie Milverton droht, in der Zeitung stünden. Der Erpresser fordert von der Lady schlappe 7000 Pfund Sterling, also ein kleines Vermögen. Doch die arme Eva versucht das Unheil allein zu bewältigen. Als sie im Reitpark jedoch bei Milvertons Anblick bewusstlos vom Pferd fällt, direkt vor Watsons Füße, wird ihr klar, dass sie dringend Hilfe benötigt: Sie vertraut sich ihrer Pflegemutter, Lady Swinstead, an. Diese empfiehlt ihr, sich an Holmes zu wenden, der ihr seine Visitenkarte gegeben hat.
Der Auftrag
Bei Holmes rennt Eva offene Türen ein. Man hat sie längst erwartet. Die Briefe seien höchst kompromittierend, wie man sich denken kann, und Milverton wolle sein Geld vier Tage vor ihrem Hochzeitsball. Ihr graut schon davor. Holmes bietet an, als ihr Vermittler aufzutreten, und sie akzeptiert. Holmes begibt sich offiziell in die Schusslinie, während er als „Mr Ascot“ schon mit Aggie, dem Hausmädchen, verlobt ist. Seine Ankündigung, sich verloben zu wollen, versetzt seinen Freund und Partner in beträchtliches Erstaunen. Kleiner Scherz am Rande, lieber Watson!
1. Showdown
Milverton nimmt die Einladung an und kommt persönlich. Doch Holmes' und Watsons Versuch, den Widerling festzuhalten und der Polizei zu übergeben, schlägt leider fehl: Der Kerl ist sogar bewaffnet! Derartigen Affront kann der Meisterdetektiv nicht auf sich sitzen lassen. Da kommt Lady Swinstead zu Besuch. Ohne zu verraten, dass sie vor zwölf Jahren ein Opfer des Erpressers wurde, drängt sie Holmes dazu, Milverton dingfest zu machen und bietet Geld. Holmes will kein Geld; ihm reicht die Genugtuung, eine solche „Würgeschlange“ zur Strecke gebracht zu haben.
2. Showdown
Mit den von Aggie, Lady Brackwell und Lady Swinstead erhaltenen Informationen kann es Holmes ohne größeres Risiko wagen, bei Milverton in Hampstead einzubrechen, dessen Safe zu knacken und die Briefe zu vernichten. Doch dieser Abend will minutiös geplant sein. Zunächst begeben sich Holmes und Watson auf Lady Swinsteads Ball, zeigen Milverton ihr Gesicht, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Dann hauen sie klammheimlich ab, um bei ihm einzubrechen.
Angetan mit Augenbinden wie die Panzerknacker, brechen sie in Milvertons Festung bei Hampstead ein. Doch der Hausherr kommt früher zurück als erwartet. Es wird eine dramatische Begegnung – mit dem gewissen Faktor X!
Mein Eindruck
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"Der König der Erpresser" präsentiert uns einen staatstragenden (er schützt die Ehre einer Adligen in spe), aber zu allem entschlossenen Meisterdetektiv, der sich nicht scheut, in die Rolle eines einfachen Arbeiters zu schlüpfen, um den Bediensteten des verfolgten Schurken Informationen zu entlocken. In diesem Fall treffen Action und Humor in der meisterlichen Dramaturgie Peter Hammonds aufeinander.
Am Tatort seines nächtlichen Einbruchs wird Holmes mit Watson sodann richtig kriminell aktiv, muss sich verstecken und wird unwillentlich Zeuge noch weitaus kriminellerer Machenschaften. An Action besteht hier wahrhaftig kein Mangel, und mich erfreute vor allem der ironische Humor, den die Regie an den Tag legt. Die Liebesgeschichte des Mr Ascot, kontrastiert mit den hochherrschaftlichen Hochzeitsvorbereitungen Lady Brackwells und Lords Dovercourts, ist äußerst köstlich, denn zu Watsons Verwunderung verlobt sich sein als Frauenverächter bekannter Freund!
"Der König der Erpresser" hat mir hervorragend gefallen. Der Konflikt, die Gegenmaßnahmen, die Lösung des "Falles" - alles ist so einfach, doch elegant inszeniert, dass ich dachte, einer Art Actionkomödie zuzusehen. Dabei kommt es jedoch nie zu Klamauk, wie man das vielleicht von Edgar-Wallace-Filmen aus den Sechzigern kennt. Alles hat Stil, wird lange Schritt für Schritt vorbereitet, wirkt durchdacht und wird bis ins letzte Detail ausgekostet.
Nur an einer Stelle fragte ich mich, ob es nicht unplausibel ist, wenn Holmes und Watson sich laut flüsternd unterhalten, während sie sich hinter einem Vorhang vor dem Objekt ihrer Neugier, nämlich Milverton, verstecken. Das erinnerte mich an die guten alten Karl-May-Hörspielplatten (antikes Vinyl!) wie etwa "Der Schatz im Silbersee". Darin quasseln die heldenhaften Trapper (Sam Hawkins, Hobble-Frank und Tante Droll usw.) und Indianer selbst dann noch wie die Weltmeister, wenn sie sich gerade an den jeweiligen Gegner heranschleichen.
Die DVD
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Technische Infos
Bildformate: 4:3 - 1.33:1
Tonformat: Dolby Digital 2.0
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: keine
EXTRAS:
1) Biografie von Arthur Conan Doyle
2) Biografie von Jeremy Brett
3) Serien-Trailer
Mein Eindruck: die DVD
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Bild
Der Ton liegt in Deutsch und Englisch im Standard Dolby Digital 2.0 vor, was einem guten Fernseher entspricht. Deshalb darf man hier keine Sensationen erwarten. Es gibt keine Untertitel, was das Verständnis der vielen Namen erschwert.
EXTRAS:
1) Biografie von Arthur Conan Doyle (Texttafeln)
Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der von Jesuiten ausgebildete Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um seinen Einkommen aufzubessern. Neben historischen, mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: "The Lost World" erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Ewigen Ruhm erwarb sich Doyle jedoch mit der rund 60 Werke umfassenden Sherlock-Holmes-Reihe. Granada verfilmte davon immerhin 41 Stories und Romane.
2) Biografie von Jeremy Brett (Texttafeln)
Geboren als Peter Jeremy William Huggins, verbot ihm sein militärischer Vater, den Familiennamen für seine Schauspielkarriere zu verwenden, so dass er sich fortan „Jeremy Brett“ nannte. Nach einem relativ erfolglosen Hollywood-Aufenthalt spielte er in zwei guten englischen Produktionen wie „The Good Soldier“, durch die der Granada-Produzent Michael Cox auf ihn aufmerksam wurde. Zwischen 1984 und 1994 spielte Brett in 36 kurzen à 50 min. und fünf langen Filmen à ca. 100 min. Sherlock Holmes und trat ein Jahr lang in dieser Rolle auf der Bühne auf, neben Edward Hardwick, seinem Watson in drei Staffeln. Manisch-depressive Anfälle und eine lange unerkannte und falsch medikamentierte Herzkrankheit hinderten ihn am Weitermachen – die Versicherungen wollten das Risiko seines Auftritts nicht mehr eingehen.
Es war wohl Jeremy Brett, der dafür eintratt, die Erzählungen so originalgetreu wie möglich umzusetzen, was der Intention Michael Cox’ entgegenkam. Allerdings mussten sich die Drehbuchautoren sowohl bei schwächeren Stories und den Langfilmen mit Zusatzelementen in der Handlung behelfen, um sowohl genügend Dramatik als auch Länge zu erzielen.
3) Serien-Trailer
Der Trailer schneidet einfach die spannendsten und unheimlichsten Momente aus den fünf Langfilmen zu einem Potpourri zusammen. Man merkt schnell, welchen unglaublichen Aufwand an Drehorten, Kostümen und Make-up die Produzenten trieben.
Unterm Strich
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"Der König der Erpresser" mutet wie eine humorvoll inszenierte Actionkomödie an, eingebettet in ein stilvoll inszeniertes Umfeld der High Society. Doch man fragt sich natürlich, wie einem so fiesen Saukerl wie Milverton sein Auskommen gelingen. Woher bezieht er seine Informationen, die der viktorianischen Gesellschaft so peinlich sind, dass die Hochgestellten bereit sind, für deren Verschweigen tausende von Pfund zu berappen?
An diesem Punkt zeigt sich, dass die Bediensteten, die diese Informationen liefern (Briefe in der Regel), in ihrer eigenen kleinen Welt leben, und zwar buchstäblich. In viktorianischen Häusern gab es die Welt downstairs, das war die Dienerschaft, und die upstairs, das waren die Herrschaften. Ein Erpresser findet hier reiche Weidegründe, denn die Diener kennen die Geheimnisse, die die Herrschaften um jeden Preis verschweigen wollen.
In seiner Parteinahme für Lady Brackwell & Co. erweist sich der Meisterdetektiv als entschlossener Verteidiger dieser Klassengesellschaft und ihres Status quo. Aufs heftigste bekämpft er die „Würgeschlange“ Milverton, weil er den Aufstieg junger Damen in die „gute Gesellschaft“ bedrohe und das Wohlergehen Adliger. Andererseits ist Holmes die Presse, die ja ebenfalls geheimnisse ausgräbt, durchaus willkommen – weil sie nicht erpresserisch tätig ist.
Holmes zeigt sich in der Welt der Bediensteten ebenso zu Hause wie in der feinen Gesellschaft, ein Chamäleon, das auf Beutefang nach nur einem Grundstoff ist: Informationen. Zum Glück für seine Klienten verfügt Holmes aber auch über eine hohe Moral. Sein Schöpfer hat ihm die Bekämpfung von Justizirrtümern in die Wiege gelegt. Zusammen mit seinem Bruder Mycroft verteidigt er nicht selten den Status quo des Empire.
Die DVD
Es erübrigt sich zu sagen, dass auch diese Verfilmung sich weitreichende Freiheiten hinsichtlich der Gestaltung des zentralen Plots herausnimmt. Um die Geschichte auf rund 100 Minuten aufblasen zu können, wurde die Vorgeschichte beträchtlich aufgebläht. Doch die Porträts von Charlotte und Lady Eva dienen dazu, unsere Sympathie für solche Opfer zu wecken und – umgekehrt proportional – den Abscheu gegenüber Kreaturen wie Milverton. Daher stehen wir von vornherein auf der Seite von Holmes & Watson und drücken ihnen die Daumen.
Die DVD bietet ein ähnlich gutes Bild wie „Das Zeichen 4“. Der Ton ist auf Fernseherniveau, die Musik Patrick Gowers’ ist opulent wie immer. Das Bonusmaterial, das hauptsächlich aus Texttafeln besteht, ist spärlich wie bei den anderen Langfilmen der Holmes-Reihe von Granada, so etwa bei „Das Zeichen 4“ und „Der begehrte Junggeselle“. Ein Audiokommentar wie bei „Der Hund von Baskerville“ und „Der letzte Vampir“ fehlt, außerdem gibt es keine Untertitel, die die zahlreichen Figuren verdeutlich hätten. Dafür gibt es Punktabzug.
Michael Matzer (c) 2010ff
- Redakteur:
- Michael Matzer