Sicko
- Regie:
- Michael Moore
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Sicko
1 Review(s)
09.09.2008 | 18:56Filminfos:
O-Titel: Sicko
Label: Senator Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 28. April 2008
Regisseur: Michael Moore
Drehbuch: Michael Moore
Schnitt: Geoffrey Richman und Dan Sweitlik
Produktion: Meghan O'Hara
Länge: 116 Minuten
FSK: 6
Darsteller: Michael Moore, George W. Bush (Archiv), Bill Clinton (Archiv), Hillary Rodham Clinton (Archiv), John Graham (Archiv), Richard Nixon (Archiv) u.v.m.
Handlung...oder "Wenn du gesund bleiben willst, werd' besser nicht krank!
Regisseur Michael Moore wirft mit seinem neuesten Dokumentarstreifen "Sicko" einen Blick auf das Gesundheitswesen der USA. Im Fokus des Films stehen weniger die etwa 50 Millionen US-Amerikaner, die keine Krankenversicherung haben, sondern 220 Millionen Bürger, die eine Krankenversicherung "genießen". "Sicko" setzt genau hier an und entlarvt einige eklatante Mängel des Gesundheitssystems der USA. Im Film wird deutlich, dass die Zuzahlungen für Medikamente für Versicherte derart hoch sind, dass sich viele Menschen die teure Medizin nicht leisten können. Ein 79-jähriger Mann beispielsweise arbeitet selbst im hohen Alter noch (wie viele Stunden er pro Woche wird allerdings nicht erwähnt), weil die Kosten für seine Medikamente der Arbeitgeber übernimmt. Paradoxerweise sind sowohl er als auch seine Frau krankenversichert. Dennoch könnte das Paar das Geld für die Arzneimittelzuzahlungen nicht aufbringen, weshalb der alte Mann gezwungen ist, noch zu arbeiten.
Im Hinblick auf die Qualität und die Zuverlässigkeit des US-amerikanischen Gesundheitssystems fördert Michael Moore anhand von Einzelschicksalen erschreckende Erkenntnisse zutage. Demnach werden Menschen, die an schwerwiegenden Erkrankungen leiden - wie beispielsweise Krebs oder auch Diabetes - lebenswichtige Behandlungen und Untersuchungen nicht genehmigt. Bei Menschen mit Krebserkrankungen sind die Geschäftspraktiken der Krankenversicherungen besonders erschreckend. Lebenswichtige Untersuchungen, wie beispielsweise Kernspin-Tomographien, werden den Kranken mit fadenscheinigen, unglaublich klingenden Aussagen abgelehnt. Sätze in Ablehungsschreiben der Versicherungen wie "Die Krankheit ist nicht lebensbedrohlich...sie hatten doch früher schon einmal Krebs" zeigen, dass im US-amerikanische Gesundheitssystem das Wohlergehen der Patienten keine Priorität besitzt. Das glatte Gegenteil ist der Fall: Das Leiden der Menschen scheint die unmenschlich und knallhart allein von der Leitidee der Gewinnmaximierung getriebenen Krankenversicherungsunternehmen nicht im Entferntesten zu interessieren. Viele Versicherte müssen wichtige Untersuchungen und Operationen vor Gericht einklagen, da die Krankenversicherungen die Kosten nicht übernehmen wollen. Oftmals kommt das Gerichtsurteil zu spät und der Patient ist mittlerweile entweder schwerstkrank oder gar verstorben. Interviews mit früheren medizinischen Gutachtern, die für die Krankenversicherer tätig waren, erhärten diesen Eindruck. Sie geben unumwunden zu, dass ihre ehemalige Tätigkeit daraus bestand, mit detektivischem Spürsinn alle nur möglichen Tatsachen und Aussagen aus der Krankheitsakte gegen den Versicherten ins Feld zu führen, um den Krankenversicherern kostspielige Untersuchungen und Eingriffe zu ersparen. Dass sie durch diese Arbeit das Leben von kranken Menschen verkürzt oder deren Tod möglicherweise mittelbar herbeigeführt haben, dessen sind sich die Interviewten bewusst. Gleichzeitig betonen sie, dass sie froh seien, nicht mehr in diese "Schweinereien" verstrickt zu sein.
Der Frage, wie sich ein derart erschreckendes, unmenschliches Gesundheitssystem etabliert werden konnte, spürt Michael Moore auch nach. Demnach setzte ab 1971 unter der Regierung von Präsident Richard Nixon eine stetige Verschlechterung des Gesundheitssystems ein, da die Regierung durch politische Entscheidungen den Grundstein dafür legte, dass nicht die US-Regierung sondern die privaten Krankenversicherungsunternehmen heute das Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten kontrollieren.
Moore begibt sich in "Sicko" auch nach Kanada, nach Frankreich und nach Großbritannien, um zu sehen, wie dort das Gesundheitswesen organisiert ist und wie zuverlässig es die Patienten mit wichtigen Leistungen versorgt. Er interviewt dabei auch Menschen, die - um eine vernünftige Gesundheitsversorgung zu erhalten - zum Beispiel ins Nachbarland Kanada reisen, da dort die Versorgung kranker Menschen deutlich besser ist. Die Medien in den USA sowie Politiker versuchen jedoch, ein genau gegenteiliges Bild des Gesundheitssystems des Nachbarlandes zu zeichnen. In Großbritannien interviewt Michael Moore Patienten und zeigt sich erstaunt darüber, dass der "National Health Service" im Vereinigten Königreich eine umfassende Gesundheitsversorgung sicherstellt. Es zeigt sich, dass in den von Moore bereisten Länder nicht der Gewinn der Krankenversicherungsunternehmen, sondern das gesundheitliche Wohlergehen der Patienten oberste Priorität genießt. Zu guter letzt begibt sich Moore mit einigen kranken US-Amerikanern sogar in die kubanische Hauptstadt Havanna. Und siehe da: Die fremden US-Bürger erhalten hier (angeblich kostenfrei) jeweils eine medizinische Versorgung, die ihnen ihr Heimatland nicht bietet.
Kritik:
"Sicko" ist durch und durch ein typischer Michael Moore-Streifen geworden, der Missstände des Gesundheitssystems in den USA rigoros anprangert. Der fast zweistündige Dokumentarstreifen ist gewürzt mit viel Ironie und beißendem Sarkasmus. So behauptet Regisseur Moore in "Sicko", dass die Gesundheitslobby sogar Abgeordnete des Kongresses korrumpiert hätte, um vor einigen Jahren ein Gesetz zu verabschieden, das die Arzneimittelzuzahlungen für Rentner in den USA erheblich erhöht und im Endeffekt der Pharmaindustrie höhere Gewinne beschert. Dies visualisiert Moore dadurch, indem er Abgeordnete des Kongresses mit Preisschildchen versieht, um zu zeigen, mit wie vielen US-Dollars die betroffenen Politiker jeweils gekauft wurden.
In plakativer Art und Weise verleiht Bush-Kritiker Moore den Ängsten vieler US-Amerikaner vor Verstaatlichung ein filmisches Gesicht. So zieht er unter anderem Ausschnitte aus russischen Propagandafilmen (die beispielsweise Menschen in Kolchosen bei der Getreideernte zeigen) heran und kommentiert die Verstaatlichung des Gesundheitssystems in anderen Ländern zum Beispiel mit den Worten: "Und wir dachten, dass es sofort nach der Geburt wieder hinausgeht in die Getreidefelder".
Auf die Spitze treibt es Michael Moore jedoch, indem er sich dem Gefangenenlager auf Guantánomo-Bay in Kuba nähert. In zwei kleineren Booten wird er von einigen US-Amerikanern begleitet, die als freiwillige Helfer unter Einsatz ihres Lebens bei der Bergung von Toten aus den Twin-Towers nach den Attentaten des 11. Septembers halfen. Sie erlitten teils schwerwiegende gesundheitliche Schäden. Trotz ihrer völlig uneigennützigen Aufopferungsbereitschaft und ihres Einsatzes erhalten diese Menschen keine angemessene Gesundheitsversorgung, während in Archivaufnahmen – die Moore zeigt – berichtet wird, dass Gefangene auf Guantánamo-Bay jegliche medizinische Untersuchungen erhalten. Mit einem Megaphon bewaffnet ruft Moore aus einiger Entfernung sinngemäß: "Wir haben hier Helden des 11. September. Die wollen nur die selbe gesundheitliche Versorgung erhalten, wie die Gefangenen in Guantanamo".
Ähnlich gestaltet sich der Abstecher von Michael Moore und den mitreisenden Kranken in die Hauptstadt Kubas. Im Krankenhaus in Havanna bittet er darum, die kranken US-Amerikaner zu behandeln - und zwar nicht besser oder schlechter, wie Kubaner dort behandelt werden. Alle Mitreisenden erhalten eine umfassende Versorgung und erfahren schließlich eine Linderung ihrer Beschwerden. Ob das kubanische Krankenhaus diese Menschen tatsächlich ohne Geld zu verlangen behandelt hat, darf bezweifelt werden. Dennoch: für eine der größten Industrienationen der Welt dürfte allein dieser Umstand als eine Art Armutszeugnis im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung in den USA zu werten sein.
Extras:
- Trailer
- Raising Money to Fight Cancer
- H.R. 676 (Sicko Goes to Washington)
- Is Norway Utopia?
- General Electric In France
- Religious Freedom
- Father Mike
- Sicko Los Angeles Premiere
- Interviews
- Music Clips
"Sicko" erschien laut Presseinfo als 2-DVD Fassung mit 80 Minuten Bonusmaterial. Leider wurde mir eine Rezensionsfassung ohne Bonus-DVD zur Verfügung gestellt, weshalb ich diese Inhalte nicht näher kommentieren kann.
Technische Daten:
Bild: 2,35:1 (16:9 anamorph)
Ton: Deutsch und Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Fazit:
"Sicko" ist ein ausgesprochen kurzweiliger und unterhaltsamer Dokumentarfilm, der durch den moore'schen Sarkasmus und durch seinen recht unkonventionellen Aufbau rundum sehenswert wirkt. Darüber hinaus regt dieser Doku-Streifen auch zum Nachdenken an. An dieser Stelle möchte ich deutlich sagen, dass - obgleich die gesundheitliche Versorgung der Bürger der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren tendenziell eine Verschlechterung erfahren hat - wir Deutschen auf hohem Niveau über unser Gesundheitssystem klagen. Man sehe sich einmal "Sicko" an - und man wird schnell erkennen, dass wir uns glücklich schätzen können, ein staatlich reglementiertes Gesundheitssystem zu haben, in dem das Wohlergehen der Patienten Priorität genießt.
In aller Kürze: "Sicko" ist absolut sehenswert!
- Redakteur:
- Martin Loga