Signal, The
- Regie:
- Bruckner, David/Bush, Dan/Gentry, Jacob
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Signal
1 Review(s)
10.12.2008 | 20:37Das geschieht:
In der Nacht zum 31. Dezember beginnen in der (fiktiven) US-Stadt Terminus TV-Geräte, Radios, Handys und andere Kommunikationsinstrumente ein seltsames Signal auszustrahlen. Wer sich ihm aussetzt, erfährt eine radikale Veränderung der Wahrnehmung: Die Welt wird plötzlich von lebensbedrohlichen Feinden bevölkert, die es präventiv auszuschalten gilt. Jeder Mensch wird Todfeind seines Nachbarn, der mit Feuerwaffen, Messern, Baseballschlägern oder bloßen Fäusten niedergemetzelt wird.
Mya Denton hat die Nacht bei ihrem Geliebten Jerry verbracht. Von der Wirkung des Signals ahnt sie nichts. Daheim wartet schon Gatte Lewis auf sie, der dem Wahnsinn längst verfallen ist. Seine ohnehin ausgeprägte Eifersucht hat sich in blanke Mordlust verwandelt, die bald erste Opfer fordert. Die entsetzte Mya kann flüchten und sich mit dem ebenfalls gesund gebliebenen Rod zusammentun. Dass Jerry, der sie retten will, ihr gefolgt ist und dem wütenden Lewis in die Arme läuft, entgeht ihr, zumal Rod sich jäh als doch infiziert erweist und Mya den Wagen in ihrer Not gegen ein Hindernis prallen lässt.
Sie ist gestrandet in einer Stadt voller planmäßig mordender Irrer. Ihr hart auf den Fersen ist außerdem Lewis, der in seinem Lieferwagen den übel zugerichteten Jerry einsperrt. Sein vernebeltes Hirn lässt Lewis überall Nebenbuhler und Fluchthelfer ‚seiner‘ Mya sehen. Weil diese sich ‚weigern‘, ihm bei der Jagd zu helfen, werden sie von ihm gefoltert und umgebracht. Erst Jerry, der sich zu befreien vermochte, kann ihn ausschalten. Weiter geht die Suche nach Mya, doch Jerry muss feststellen, dass auch er dem Signal zum Opfer gefallen ist. Wirklichkeit und Wahn beginnen sich in seinem Kopf immer stärker zu mischen, und Lewis ist längst nicht außer Gefecht gesetzt ...
Horror – Komödie – Thriller: drei Variationen eines Themas
Lässt sich mit nur 50.000 $ Budget und in 13 (!) Drehtagen ein Spielfilm realisieren, der nicht mit jedem Bild seine Geldnot signalisiert? Es funktioniert, wenn man ein heutzutage eher seltenes Gut als zusätzlichen Aktivposten ansetzt: Es nennt sich „Einfallsreichtum“ und kann ungemein ausgleichend wirken. Damit überrascht es den Zuschauer, der mit entsprechenden Filmen nicht gerade verwöhnt wird. Normalerweise orientieren sich auch die Billigheimer strikt an bewährten aber naturgemäß tief ausgetretenen Pfaden. In unserem Fall hätte dies aus "The Signal“ einen Streifen mit Schema-F-Handlung, hohem Gore-Gehalt und diversen nackten Busen gemacht.
Eigentlich IST "The Signal“ ja ein Film, der diese Kriterien erfüllt – um planmäßig ständig davon abzuweichen bzw. ein x-fach ausgewalztes Thema wenigstens mit neuen Ideen zu beleben. Regisseur und Drehbuchautor, die hier in Personalunion und als Trio auftreten, haben überaus geschickt künstlerischen Anspruch und schnöde Realität zu einem interessanten, wenn auch nicht immer gelungenen Film gerinnen lassen.
Schon die Struktur ist ungewöhnlich: "The Signal“ gliedert sich in drei ‚Kapitel‘ („Transmissionen“), die zwar sämtlich in Terminus spielen und meist dieselben Schauspieler zeigen, doch gleichzeitig die Handlung brechen und aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen. Jeder der drei Regisseure kam in ‚seinem‘ Segment zum Zug: „Transmission 1“ ist klassischer Splatter-Horror, während „T 2“ das Geschehen in eine rabenschwarze Komödie verwandelt. „T 3“ fügt die Handlungsstränge als Thriller zusammen.
Den Boden unter den Füßen fortzerren
Wie reagierst du, wenn sich deine Mitmenschen in Amokläufer verwandeln? Das zu erkennen ist in "The Signal“ übrigens gar nicht einfach. Einmal mehr erweist sich das geringe Budget als nützlich. Die in den Wahn getriebenen Menschen sind keine Zombies. Sie sehen nicht so aus, sie behalten ihre Intelligenz, können denken, sprechen – und Böses planen. Vor allem erkennt man sie nicht als Irre, bis es zu spät ist. Diese ständige Unsicherheit trägt zur Spannung ungemein bei.
Ein tückisch genialer Schachzug der Drehbuchautoren verwandelt auch scheinbar ‚immune‘ Hauptdarsteller in Geschädigte. Der ‚böse‘ Lewis kann trügerisch normal wirken, während Jerry oder Clark, die zu den ‚Guten‘ gehören, psychotische Schübe erleben. Ständig wechselt das Verhalten zwischen Rationalität und Irrationalität. Die Regisseure fördern durch Zeitsprünge, Visionen und als solche nicht auf den ersten Blick zu identifizierende Wahnvorstellungen die Verwirrung, die den Zuschauer wie geplant erfasst: Was können wir glauben, wenn wir den eigenen Augen nicht trauen dürfen?
Die gewollt künstliche Teilung der Handlung in drei Genres sorgt für weitere Verunsicherung. Vor allem „Transmission 2“ ist ein krudes Stück Film. Viele Kritiker mokieren sich über nicht besonders gelungenen Schwarzhumor. Sie erwarteten offenbar eine Art Tarantino-Effekt mit betont alltäglichen Dialogen in einer bizarren und auf diese Weise besonders deutlich konterkarierten Situation. Stattdessen balancieren die ‚Gäste‘ der denkwürdigen Silvesterparty in Janices und Kens Apartment einfach auf dem schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn. Von einer Sekunde zur nächsten kann die Stimmung umschlagen. Das wirkt umso erschreckender, wenn es Komik ist, die sich in offene Brutalität verwandelt.
Die planmäßig gesetzten Momente blutigen Terrors sind deshalb kein Selbstzweck, sondern für das Geschehen relevant, was im Horrorfilm der splattrigen Art eine echte Besonderheit darstellt. Nicht grundlos haben die Regisseure einen Gutteil ihres schmalen Budgets in die Realisierung der Splatter-Effekte gesteckt, die deshalb keinen Grund zur Beanstandung bieten (und übrigens nicht annähernd so drastisch ausfallen wie in ‚richtigen‘ Horror-Spektakeln, die von der Zensur nicht gefleddert werden). Schon aus diesem Grund ist die nicht geschnittene Version von „The Signal“ der gekürzten vorzuziehen, die den Schrecken des Irrsinns, der ganz normale Zeitgenossen in Monster verwandelt, nur ansatzweise zu vermitteln vermag.
Männer und Frauen wie du und ich
Verständlicherweise konnten die Regisseure für "The Signal“ keine Filmstars anheuern; es hätte der Intention des Films ohnehin geschadet. So sind es vor allem Anfänger und Laien, die vor der Kamera zum Einsatz kommen. Das Ergebnis ist durchwachsen; das Drehbuch wirkt deutlich subtiler gestrickt als die Darsteller dies zu vermitteln vermögen.
Die Limitierungen fallen auch deshalb auf, weil dies ein Film ohne Panorama-Aufnahmen und Massenszenen ist; von der Stadt Terminus – der suggestive Name gehört zu den weniger gelungenen Ideen des Drehbuch-Trios – sieht man nur wenige und deutlich abgelegene Straßen und Hinterhöfe (= preisgünstig Drehorte), und die Kamera ‚klebt‘ an den Darstellern. Das ist indes kein Beinbruch, denn spielen können sie gut genug, um "The Signal“ stilvoll über die gesamte Distanz zu bringen.
Den Schauspielern nicht zum Vorwurf lässt sich die insgesamt diffuse Botschaft des offensiv experimentellen Films machen: Was genau möchten die Filmemacher, die eindeutig mehr als einen unterhaltsamen Horrorfilm von der Stange im Sinn hatten, aussagen? Mehrfach hört man im Film die Vermutung, dass ein modernes Zuviel an Kommunikationstechnik die Zivilisation der Menschen, die dafür mental nicht ausgelegt sei, zerstört habe. Falls dies als Gesellschaftskritik gemeint ist, wirkt sie recht aufgesetzt. Zum Klassiker oder „Kult“ (den die Werbung gern inszeniert sähe) fehlt "The Signal“ deshalb noch (zu) viel, aber gleichzeitig haben Bruckner, Bush & Gentry das Amateur-Level definitiv hinter sich gelassen.
Daten
Originaltitel: The Signal (USA 2007)
Regie u. Drehbuch: David Bruckner, Dan Bush, Jacob Gentry
Schnitt: David Bruckner, Dan Bush, Jacob Gentry, Alexander Motlagh
Musik: Ben Lovett
Darsteller: Anessa Ramsey (Mya Denton), A. J. Bowen (Lewis Denton), Matt Stanton (Jerry), Sahr Nguajah (Rod), Scott Poythress (Clark), Suehyla El-Attar (Janice), Christopher Thomas (Ken), Justin Welborn (Ben Capstone), Cheri Christian (Anna), Lindsey Garrett (Laura), Chad McKnight (Jim Parsons) uva.
Label u. Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment (www.ascot-elite.de)
Erscheinungsdatum: 05.08.2008 (Leih-DVD = Uncut Version) bzw. 18.09.2008 (Kauf-DVD u. Limited Special Edition)
EAN: 7613059800342 (Leih-DVD) bzw. 7613059700345 (Kauf-DVD) bzw. 7613059900349 (Limited Special Edition)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1; anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 98 min. (Kauf-DVD u. Limited Special Edition) bzw. 103 min. (Uncut Version)
FSK: keine Jugendfreigabe (Kauf-DVD u. Limited Special Edition) bzw. Spio/JK (Uncut Version)
DVD-Features
Die deutsche Edition von “The Signal” ist wieder einmal ein Trauerspiel, für das die Filmzensur (die es als „Zensur“ in diesem unseren Land nicht gibt, was mir bewusst ist, obwohl mir die Auswirkungen faktisch identisch scheinen) verantwortlich zeichnet. Der Film dauert ungeschnitten 103 Min. (diese Version ist erkennbar am Spio/JK-Prüfsiegel). In dieser Länge können ihn freilich nur diejenigen sehen, die ihn in der Videothek ausleihen. Für die Kauf-DVD mussten fünf Minuten hirnzerfressender Gewalt getilgt werden (sie galten der Zensur offenbar als Signal im „Signal“-Film, dessen vollständige Sichtung die Käufer möglicherweise ebenfalls zum Amoklauf inspirieren könnte). Diese 98-minütige Fassung findet auch ihren Weg in die Doppel-DVD-Ausgabe, was der Bezeichnung „Limited Special Edition“ eine unerwartete Note gibt ...
Wer sich mit diesem Gemetzel an einem Metzel-Film abfindet, wird durch diverse Extras entschädigt. David Bruckner, Dan Bush und Jacob Gentry kommentieren ihr Werk und ermöglichen Einblicke in die Arbeit von drei Filmemachern aus Atlanta im US-Staat Georgia, einer Stadt, die nicht gerade eine Affinität zu Hollywood aufweist.
Hinzu kommen die üblichen Beigaben („Deleted Scenes”, „Making of“), aber auch mehrere interessante und in Details gehende Extras über die Probleme, vor die sich ein durch Zeit- und Geldmangel gehandicaptes aber findiges Team gestellt sieht, und deren Lösungen. Eine weitere Featurette erläutert, wieso "The Signal“ mit einem Ausschnitt aus dem Werk ("The Hap Hapgood Story“) eines befreundeten Regisseurs beginnt. Nicht fehlen dürfen Impressionen vom „Sundance Film Festival 2007“, auf dem "The Signal“ zum ersten Mal einem Publikum vorgestellt wurde, und eine Klage über die Schwierigkeit, den dort positiv aufgenommenen Film ins Kino zu bekommen.
Zum Film gibt es selbstverständlich eine Website, die sehr schön gelayoutet, aber trotzdem nicht übermäßig informativ ist:
www.doyouhavethecrazy.com
Eine weitere Website bietet Interviews mit den drei Regisseuren/Drehbuchautoren:
http://everydayyeah.com/content/interview-dan-david-and-jacob
- Redakteur:
- Michael Drewniok