Spätzünder, Die
- Regie:
- Murnberger, Wolfgang
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Deutschland / Österreich
- Originaltitel:
- Live Is Life
1 Review(s)
26.01.2011 | 10:17Story:
Rocco kämpft seit Jahren für eine erfolgreiche Karriere als Rockmusiker - leider jedoch ziemlich erfolglos. In der letzten Dekade ist er mit seiner Band lediglich durch kleine Clubs getingelt, jedoch ohne nennenswerte Resultate. Und ausgerechnet jetzt, wo die Chance beim Finale in einem Band-Wettbewerb lauert, wird er vom Richter zu einer Haftstrafe von 30 Tagen verurteilt - oder zu einer Reihe von Sozialstunden, was dem arbeitsfaulen Partygeier jedoch zuwider ist. Dennoch lässt er sich auf den Deal ein, soll aber in einer Altenresidenz ausgerechnet von seiner Nachbarin Marina angeleitet werden, mit der er aufgrund verschiedener Lautstärkeüberschreitungen seit Wochen im Clinch steht.
Es kommt, wie es kommen muss: Die Heimleitung verschwört sich recht bald gegen den Lebemann, und auch wenn es Rocco in seiner Zeit gelingt, Strukturen aufzurütteln und die betagte Bewohnerschaft aus ihrer alltäglichen Lethargie zu befreien, wird er alsbald rausgeschmissen und dem Richter gemeldet. Inzwischen hat seine Band einen neuen Gitarristen gefunden, da Rocco wegen seines Engagements in der Residenz nicht immer zu den Proben erscheinen kann.
Dann kommt den Menschen, um die er sich gekümmert hat, jedoch eine zündende Idee: Die musikalischen Talente der alternden Menschen sollen genutzt werden, um mit einer Rentnerband beim Wettbewerb aufzutreten. Rocco ist wenig überzeugt - bis er schließlich erkennt, dass diese Leute tatsächlich einiges an Potenzial mitbringen. Doch die Uhr tickt, denn der Abgabeschluss für das Bewerbungsvideo rückt näher. Und woher soll man nur das ganze Equipment nehmen?
Persönlicher Eindruck:
Bei seinem TV-Debüt gehörte "Die Spätzünder" zu den konsumstärksten Produktionen des Abendprogramms. Immerhin 8 Millionen Zuschauer verfolgten die deutsch-österreichische Gemeinschaftsproduktion beim Start im Februar 2010 und bescheinigten dem Streifen von Wolfgang Murnberger seine individuelle Klasse. Seit geraumer Zeit ist das sonderbare, teils natürlich auch von Klischees überladene Epos um Hauptdarsteller Jan Josef Liefers nun auch in digitaler Fassung zu haben. Und auch wenn deutsche Produktionen - insbesondere beim jüngeren Publikum - immer wieder mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden: Dieser Film lohnt wirklich jede Minute, die man in ihn investiert.
Dabei scheint die Story in vielerlei Hinsicht ziemlich abgegriffen. Ein absoluter Taugenichts und Tunichtgut soll aufgrund eines Gesetzesbeschlusses Sozialstunden ableisten, weil er das Bußgeld für einen körperlichen Übergriff nicht aufbringen kann. Alternativ winkt der Knast, den Rocco jedoch nicht wahrnehmen kann und möchte, weil die letzte Möglichkeit auf einen Karriereschub als Musiker genau in den Zeitraum fällt, in dem ein lukrativer Band-Wettbewerb angesetzt ist. Also beißt er in den sauren Apfel, der umso saurer ist, als er realisiert, dass seine direkte Vorgesetzte ausgerechnet jene Nachbarin ist, die er in den letzten Tagen schon häufiger aufs Korn genommen hat.
Und schon beginnt die Story, ihren Witz, aber letztendlich auch ihren Charme auszubauen, denn in vielerlei Hinsicht ist "Die Spätzünder" eine sehr tragische Komödie. Den ständigen Reibereien zwischen den beiden Protagonisten steht nämlich das bedauernswerte Licht entgegen, welches das Altenheim annimmt, das den markantesten Standort des Streifens markiert. Und auch wenn der Regisseur sich definitiv nicht dazu angeschickt hat, ein Stück weit Sozialkritik auszuüben, ist ihm ziemlich exakt gelungen, einen kleinen Überblick über die bedenklichen Pflegestandards in derartigen Einrichtungen zu bringen. Hier werden alte Menschen nur verwahrt und mit Tabletten ruhig gestellt - das vielleicht auch relativ überzogen dargestellt, aber sicherlich nicht realitätsfern.
Dem Klischee entsprechend kommt Rocco hier als Lebemann genau richtig und hinterfragt Strukturen und das System der strengen Heimleitung, stößt damit aber natürlich auf Ablehnung und in seiner Position auf die Kündigung. Doch ebenso wie er die Menschen im hohen Lebensalter für einen kurzen Zeitraum mobilisiert hat, so wollen diese auch ihm zeigen, dass das Leben in keiner Lebenslage verloren ist. Zwei ganz unterschiedliche Schicksale stützen sich in der Folge gegenseitig und kollaborieren für ein letztes bisschen Aufmerksamkeit - und davon bekommen sie im weiteren Verlauf wirklich genug!
Die Geschichte mag inhaltlich keine wirklichen Innovationen aufbieten, doch ihre sehr charmante, stellenweise auch ziemlich gefühlsbetonte Inszenierung macht dies ganz schnell wieder wett. Dass Jan-Josef Liefers als leitender Akteur dabei sogar von einigen älteren Mimen in den Schatten gestellt wird, liegt vielleicht in der Natur der Sache, macht das Ganze aber gleich noch einmal viel sympathischer. Joachim Fuchsberger spielt auf seine alten Tage eine wirklich wunderbare Rolle als heimlicher Schnapsdealer im Altenheim, aber auch Bibiane Zeller gibt in der Rolle der heimlichen Diva eine fabelhafte Figur ab und strahlt all die positive Energie aus, die sich in diesem wirklich wunderschönen Film verbirgt. Und damit wäre das Urteil auch schnell gefällt: Dieses witzige wie dramatische Familienkino sollte man auf jeden Fall einmal mitgenommen haben.
DVD-Aufarbeitung:
Die zugehörige DVD bietet das Original-TV-Bild, welches jedoch ein permanentes, wenn auch leichtes, Rauschen aufweist. Die Kontraste könnten stellenweise besser hervorgehoben werden, was sich vor allem in den teils sehr düsteren Szenen in den jeweiligen Proberäumen abzeichnet. Beim Ton darf man eigentlich nicht allzu viel erwarten, weil die Vorlage eben nichts Spektakuläres hergibt. Die 2.0-Abmischung ist aber durchweg solide und befriedigt alle Wünsche. Bonusmaterial gibt es unterdessen nicht, es sei denn man zählt die werbeträchtige Trailershow hinzu.
Fazit:
Ein schöner Film - mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Diese Gemeinschaftsproduktion von ZDF und ORF gehört definitiv zu den Sternstunden des deutschen TV-Kinos und sollte dementsprechend einmal gesehen worden sein - spätestens jetzt mit dem DVD-Release!
- Redakteur:
- Björn Backes