Speer der Rache, Der
- Regie:
- George Sherman
- Jahr:
- 1955
- Genre:
- Western
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Chief Crazy Horse
1 Review(s)
03.10.2008 | 07:32Geschichtsfälschung um den Heiland der Sioux
Die Lakota-Sioux-Krieger sehen ihre heiligen Ahnenstätten und Traditionen bedroht, als die Gier der zahlreichen Goldsucher immer größer wird. Um den weißen Teufeln Einhalt zu gebieten, schleudern sie ihnen den "Speer der Rache" entgegen - personifiziert durch den legendären Indianerhäuptling Crazy Horse alias Schwarzer Hengst. Doch der verzweifelt aufbäumende Widerstand der Indianer wird immer wieder durch die Übermacht der Eroberer und durch Verräter aus den eigenen Reihen gestört. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Chief Crazy Horse (USA 1955)
Dt. Vertrieb: Koch Media (9. Mai 2008)
FSK: ab 12
Länge: ca. 83 min
Regisseur: George Sherman
Drehbuch: Gerald Drayson Adams, Franklin Coen
Musik: Frank Skinner
Darsteller: Victor Mature (Crazy Horse), Paul Guilfoyle, Suzan Ball (Blütentau), Morris Ankrum, Ray Danton (Steppenwolf), James Westerfield, Robert Warwick, John Lund (Major Twist), Keith Larsen, James Millican, Donald Randolph, Robert F. Simon, David Janssen (Lt. Cartwright) u. a.
Handlung
Die Geschichte von Crazy Horse alias Schwarzer Hengst, des Kriegshäuptlings der Lakota-Sioux, wird nicht von ihm selbst erzählt, sondern von einem Weißen, einem gewissen Major Twist (John Lund). Der macht es wie Kevin Costner in "Der mit dem Wolf tanzt" und zieht 1854 mit Sack und Pack in die Wildnis, die damals noch den Lakota-Sioux gehört. Wie es sich trifft, ist dies ein Wendejahr für die Lakota.
Häuptling Tapferer Bär ist von einem Weißen verwundet worden. Angesichts des Todes spricht er eine folgenschwere Weissagung aus. Als wäre er Johannes der Täufer, sagt er die Ankunft eines großen Anführers der Lakota voraus, der sie zum Sieg führen werde. Doch er warnt vor Hass, Missgunst und sogar vor Mord durch Bruderhand. Dabei schaut er einen bestimmten Jungen an.
Dieser Junge, aus dem später Schwarzer Hengst alias Crazy Horse wird, geht auf den heiligen Berg der Sioux-Nation und empfängt eine Vision des Himmels: Ein Reiter auf einem goldenen Pferd trägt einen Speer und ist an seinem roten Federschmuck eindeutig als Kriegshäuptling zu erkennen. Der Junge erzählt seinem Vater von dieser Vision, so dass schon bald der gesamte Stamm Bescheid weiß, dass der Junge ein Auserwählter ist.
Nach dem Bürgerkrieg 1861-65 beginnen die Indianerkriege, die der Regierung dazu dienen, das Siedlungsgebiet der Weißen nach Westen zu verschieben. Im Vertrag von Fort Laramie werden ein Waffenstillstand und der Schutz der Black Hills vereinbart, wo nicht nur die Totengründe der Sioux liegen, sondern auch der heilige Berg. Wird dieses Zentrum der indianischen Identität angetastet, ist es mit dem Frieden vorbei.
Doch der führende Krieger der Lakota, der Schwarzer Hengst nun geworden ist, hat in seinem Werben um die mannbar gewordene Jugendfreundin Kleine Wolke einen Rivalen: Steppenwolf (im Original: Little Big Man). Doch nicht das Objekt der Werbung, sondern ihr Vater hat zu entscheiden, wer sie bekommt. Im entscheidenden Moment werfen Major Twist und ein Freund von Schwarzer Hengst ihre Brautgeschenke in die Waagschale, so dass Schwarzer Hengst den Zuschlag bei dieser Frauenversteigerung erhält. Sie wird prompt in Blütentau (im Original: Black Shawl) umbenannt, als wäre sie ein Hund.
Steppenwolf gibt sich damit nicht zufrieden, sondern muss von Schwarzer Hengst im Zweikampf bezwungen werden. Als Unterlegener stößt ihn der Häuptling, der Brautvater, aus dem Stamm aus. Steppenwolf geht ins Fort Laramie der Weißen und will für Felle ein Gewehr kaufen. Es gibt Ärger im Krämerladen der Gebrüder Mantz, doch als sie sehen, welche "gelben Steine" der Indianer bei sich hat, werden sie großzügig. Sie waren schon immer scharf auf das Gold in den Black Hills ...
Die heiligen Berge werden daraufhin überrannt, als gäbe es die Landbesitzer nicht. Armee, Regierung und Indianerkommissar müssen tatenlos zusehen, welche Verbrechen geschehen. Angeblich zum Schutz der Indianer wird Fort Phil Kearney errichtet, und regelmäßige Patrouillen rücken aus, um das Land der Lakota zu inspizieren. Steppenwolf ist in die Armee eingetreten und steigt zum Sergeant auf. Er sehnt den Tag herbei, an dem ihm sein Widersacher in die Hände fällt. Und dieser Tag scheint nicht mehr fern zu sein.
Schwarzer Hengst ruft die Lakota zur Einigkeit auf und ermutigt sie, die Methode der Eindringlinge gegen sie selbst einzusetzen. Ein erstes Scharmützel wird ein voller Erfolg, weil die Indianer erstmals Gruppendisziplin über den Drang, sich als Krieger hervorzutun, stellen. Als nächstes hat er es auf einen Munitions- und Waffentransport von Laramie nach Phil Kearney abgesehen. Es wird eine harte Schlacht, doch er siegt mit seiner ausgeklügelten Strategie auf der ganzen Linie.
Doch der Sieg ist bitter, denn Schwarzer Hengst muss seine erstgeborene Tochter in den Black Hills bestatten. Sie starb offenbar an einer eingeschleppten Krankheit. (Viele Indianer starben an mit Pocken infizierten Decken der Weißen.) Seine Frau jedoch hält eine feurige Rede und warnt ihn, dass "Langhaar" alias General Custer anrückt. Schwarzer Hengst ruft die Stämme und Häuptlinge wie Sitting Bull und Red Cloud zusammen. Es kommt zur Schlacht am Little Bighorn im Jahr 1876. Danach ist nichts mehr wie zuvor.
Mein Eindruck
Über diesen Indianer-Western habe ich mich so geärgert, dass ich kaum weiß ich, wo ich mit der Kritik anfangen soll. Doch der Reihe nach.
Nicht das schlimmste aller Übel ist die gewöhnungsbedürftige deutsche Synchronisation, die vor Eindeutschungen strotzt, die man einfach der Karl-May- und Winnetou-Film-Tradition angepasst hat. Nun heißt Carzy Horse plötzlich Schwarzer Hengst, was so gar nicht zu der Pferde-Vision passen will, in der das Pferd goldbraun ist. Dass mit Häuptling Feuerwolke der ebenso berühmte Chief Red Cloud gemeint ist, muss man sich aus seinen eigenen Vorkenntnissen zusammenreimen. Dass man aus dem düsteren "Black Shawl" das niedliche "Blütentau" machte, von "Kleiner Wolke" ganz zu schweigen, kann man verstehen, aber es ist dennoch eine unzulässige Verfälschung. Wie so vieles an diesem pathetischen Machwerk.
~ Der Heiland der Roten ~
Um einer von den Weißen vernichtete Kultur ihre Ehrenrettung angedeihen zu lassen, verfuhr der Regisseur George Sherman, der sonst für Piraten- und Abenteuerfilme bekannt ist, folgendermaßen: Erst wird der Anführer Crazy Horse in den Stand eines vom Himmel auserwählten Heilands erhoben. Himmlische Chöre jauchzen und weihen den Knaben, der seine Bestimmung ahnt. Wann immer irgendetwas Todähnliches oder Pathetisches nötig erscheint, erschallen diese Chöre. Und die wolkenbekränzten Himmel nehmen das ganze Bild ein. Es gab einen Bibelfilm namens "Das Gewand", da marschierten die christlichen Märtyrer mitten in diese Wolken hinein.
Doch, ach, der Auserwählte hat seine schwachen Momente des Selbstzweifels. Wie Hamlet fragt er sich, ob er wirklich seiner Bestimmung folgen soll. Klar, dass alle außer einem ihm sagen, seine Zeit sei gekommen. Dieser eine spielt, wie es sich bei einer Messiasgeschichte gehört, den Judas. Der Bursche heißt im Original originellerweise "Little Big Man" und die Ähnlichkeit Ray Dantons mit dem jungen Dustin Hoffman, der die Titelrolle im Anti-Western "Little Big Man" (1970) spielte, ist wirklich verblüffend. Er ist auf der Rückseite des Booklets abgelichtet.
~ Sein Judas ~
Die Figur des Judas macht dem Zuschauer klar, dass die Zeit des Heilands der Indianer bemessen ist. Es könnte ein wenig Spannung daraus entstehen, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Wer aber Dee Browns Dokufiction "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" gelesen weiß, erinnert sich garantiert an diese Szene der Infamie. Im Film wird sie ein wenig anders inszeniert.
Aber das fällt in einem Streifen, der die Geschichte so massiv verfälscht wie dieser, kaum noch auf. Wer sich darauf verlässt, dass amerikanische Filme die Wahrheit über die Schlacht am Little Bighorn erzählen, wird schon bald hoffnungslos verwirrt sein, denn jeder stellt sie anders dar. Erst in den letzten Jahren hat sich die Forschung bemüht, Quellen objektiv auszuwerten. Es wurde deutlich, dass Custers Angriff ein Vernichtungsfeldzug sein sollte.
~ Little Bighorn ~
Wie kaum anders zu erwarten, wird dieser Tag der Niederlage im Film anders dargestellt. Das Gesicht des Schauspielers, der Custer darstellt, wird nie in Großaufnahme gezeigt. Das ist ein Hinweis darauf, dass dieses Drama nicht hochgespielt werden sollte. Die Schlacht selbst findet nur offscreen statt. Der Film beschränkt sich darauf, die Leichen zu zeigen und so Bedauern zu wecken. Ich war ziemlich enttäuscht. Stattdessen werden in der halben Stunde davor frei erfundene Auseinandersetzungen und Schlachten gezeigt.
~ Victor Mature ~
Auch mit dem Hauptdarsteller habe ich meine Probleme. Erstens einmal erscheint er mir viel zu alt für seine Rolle. Wenn Crazy Horse 1854 neun Jahre alt war, dann konnte er 22 Jahre später erst knackige 31 Jahre alt sein. Victor Mature sieht aber aus, als wäre er 45 Jahre alt: tief eingegrabene Wangenfalten und tiefe Stirnfalten machen ihn zum Veteranen der Indianerkriege, aber nicht zu einem energischen Kriegshäuptling. (Kriegshäuptlinge wurden nur für diese Zeit des Krieges vom Ältestenrat gewählt, danach wieder abgewählt, was erklärt, warum Crazy Horse plötzlich überflüssig wurde, als die Chiefs den Krieg für beendet erklärten.)
Wie so viele seiner Mitspieler hatte Mature unter den unsäglichen Perücken zu leider. Seine hat eine Stirnlocke, die zwar fesch aussieht, aber auch ein wenig feminin und so zum Grinsen veranlasst. Dies im Kontrast zu seinen heroischen Reden und Blicken zu sehen, kitzelt das Zwerchfell - oder hebt den Adrenalinspiegel. Die Indianer als Edelmenschen darzustellen, wie es auch Karl May mit Winnetou tat, ist eine erfolgreiche Propagandataktik. Je edler das Opfer, desto größer und erhabener die Tragödie, die man inszenieren kann. Krokodilstränen sind in Mengen ab einem Eimer willkommen.
~ Verniedlichung ~
Die andere Taktik, die der Regisseur und der Produzent verfolgten, ist die folkloristische Verniedlichung. Mei, wie hübsch diese edlen Wilden sich für uns herausgeputzt haben. Mit grünen und violetten Federn! Und die Maderln tragen so fesche gelbe Wollkleider! Sie wurden wohl von den Büffeln ebenso frei Haus geliefert wie die Wildlederklamotten, die die Männer tragen. Crazy Horse lobt gegenüber dem weißen General die überragende Bedeutung des Büffels für die Indianer, doch wie kam dann "Blütentau" zu ihrem feschen gelben Kleid? Vermutlich war sie auf einer Modenschau. Suzan Ball, die Frau mit der Beinprothese, sieht jedenfalls gut darin aus.
Am Ende des Films dankt das Studio mit einem kurzen Text den Oglala-Sioux (es waren also keine der dargestellten Lakota) und bei der Verwaltung der Badlands, die als Drehort dienten.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate: Deutsch in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- Trailer
- Booklet
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
Das digital überarbeitete Bild sieht wirklich prächtig aus. Das muss es auch, denn so häufig, wie der Himmel über Wyoming und South Dakota zu sehen ist, so blau muss er auch sein. Die Landschaftsaufnahmen kommen also sehr gut zur Geltung. Und die bunten Federn der Indianer natürlich ebenfalls. Beim Remastering wurde der Tonstandard von Mono- auf Stereo-Niveau angehoben. Die deutsche Synchro klingt zwar immer noch kratzig und knarzig, aber wesentlich weniger als zuvor.
1.) Trailer
Am amerikanischen Kinotrailer sind Sound und Bild ebenfalls einwandfrei. Die Musik ist teils aufpeitschend-dynamisch, teils romantisch, teils melodramatisch. Der Off-Kommentar gibt die Botschaft des Streifens ziemlich genau wieder.
2.) Bildergalerie
Die Diaschau, die man selbst navigieren kann, umfasst internationale Filmplakate und Aushangsfotos in Farbe, die zum teil nachkoloriert wurden. Ich denke, ich habe zwei deutsche Filmhefte sowie ein Heft der "Illustrierten Filmbühne" (mit Schwarzweißfotos) entdeckt. Zu den Bildmaterialien werden ausführliche Bildunterschriften geliefert. Aus diesen ist zu erfahren, dass Suzan Ball mit ca. 20 ihr Bein verlor und eine Prothese erhielt. Das dürfte erklären, warum sie im Film keine Sprints hinlegt. Während der Dreharbeiten verzichtete sie auf ihre Flitterwochen mit Bräutigam Richard Long. Kurz nach dem Filmstart in den Kinos, so das Booklet, starb sie an Krebs. Werberatschläge runden die Kollektion des Bildmaterials ab.
3.) Booklet
Hank Schraudolph hat einen kurzen Artikel zum Film geschrieben: ironisch und launig, vielfach amüsant. So mokiert er sich ebenfalls über Victor Matures Erscheinung und über die deutsche Synchronisation. Zusatzinfos gibt's zum Regisseur und zu Suzan Ball.
Unterm Strich
Die Botschaft ist klar: Die Amerikaner hatten nicht immer bloß schlechte Rote zum Feind, sondern auch gute und edle. Natürlich bloß jene, die ihnen längere Zeit widerstanden, wie etwa Cochise und Geronimo. Die anderen sind eh keiner Erwähnung wert, da offenbar keine Helden. Auch Crazy Horse, dem Sieger der Schlacht am Little Bighorn, musste aber offenbar ein filmisches Denkmal errichtet werden. Er wurde zum Heiland der Indianer hochstilisert, doch seine Nemesis war schon eingebaut und besiegelte sein Schicksal mit einem Judas-Stoß in den Rücken. Dumm gelaufen, aber was kann man von den Wilden schon erwarten? Selten war eine Botschaft über eine Nation derart verlogen und so pathetisch vorgetragen. Ich war weder amüsiert noch fühlte ich mich gut unterhalten.
Das Booklet ist hilfreich für das Verständnis des Films, die Bildergalerie versammelt interessante Zeitzeugnisse und Fotodokumente. Das Remastering hat ein farbenprächtiges Bild gezaubert, und auch der Ton ist recht passabel. Man sollte aber das englische Original anschauen, denn die Synchronisation verfälscht die Fakten noch zusätzlich.
- Redakteur:
- Michael Matzer