Swades
- Regie:
- Ashutosh Gowariker
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- Indien
1 Review(s)
31.10.2007 | 16:28Fern der Heimat. Nicht nur in einem fremden Land, sondern auch in einer fremden Kultur. Ein Leben zwischen den Welten, zwischen den Extremen. Kein Problem in Zeiten der Globalisierung. Alles rückt näher zusammen. Traditionen, Brauchtümer, Lebensentwürfe verwischen miteinander, lösen sich aus ihrer Struktur und setzen sich wieder neu zusammen. Eine Notwendigkeit, damit das Leben so herrlich dynamisch und vielfältig bleibt. Gleichzeitig wird sich an das Vergangene geklammert, eine Identität konstruiert, die auf unerschütterlichen Werten fußt. Eine diffuse Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit, nach Kontinuität und Kategorien. Konflikte und Widersprüche sind vorprogrammiert. Das Leben lässt sich nicht einfach fassen – auch dann nicht, wenn es auf das Kleinste heruntergebrochen wird.
Mohan Bhargav (Shahrukh Khan) ist indischen Ursprungs, lebt und arbeitet aber seit geraumer Zeit in den Vereinigten Staaten. Er ist vollkommen assimiliert, hat einen hervorragenden Job bei der NASA. Auch sein Privatleben macht einen intakten Eindruck. Dennoch ist da etwas, was ihn bekümmert, eine Art Melancholie; das Gefühl, entwurzelt zu sein, woanders hinzugehören. Mohan sieht nur einen Ausweg. Er muss zurück nach Indien, zurück in sein ärmliches Dorf, zurück zu seiner Kinderfrau Kavariamma (Kishori Ballal), der gegenüber er sich wie ein Verräter fühlt, weil er sich jahrelang nicht gemeldet hat.
Eine Reise in die Vergangenheit. Ein Rückschritt womöglich? Nicht für Mohan. Nach einigen Startschwierigkeiten findet er immer besser in die indische Ordnung zurück, ist trotz seiner westlichen Ansichten und eines westlichen Lebensstils Teil des Systems. Gespiegelt wird seine indische Wiedergeburt in der hübschen Lehrerin Gita (Gayatri Joshi). Sie demonstriert ihm, dass sich eine aufgeschlossene und traditionelle Lebensweise durchaus verbinden lassen, dass Streben nach Individualität nicht per se zu verurteilen ist, dass jedoch die Wünsche des Einzelnen dem Wohl der Gemeinschaft unterzuordnen sind. Mohan ist tief beeindruckt, fühlt sich zu Gita stark hingezogen. Als es heißt, Abschied zu nehmen, ist Mohan nicht mehr derselbe. Seine Sehnsucht ist nun nicht mehr diffus, sie hat eine Gestalt, einen Namen: Indien! Und das einzige Mittel, was gegen seine Sehnsucht hilft, ist, in der ”Heimat” zu bleiben.
Kein Zweifel, Regisseur Ashutosh Gowariker ist es weniger daran gelegen, eine Charakterstudie zu erstellen, sondern vielmehr, der indischen Kultur und Tradition ein Denkmal zu setzen. Seine Charaktere sind vor allem Mittel zum Zweck. Sie stellen zunächst die Globalisierung und die damit verbundene menschliche Entfremdung in Frage und geben sodann Hilfestellung bei der Gestaltung eines besseren und bewussten Lebens. Gowariker unternimmt gar nicht erst den Versuch, das Menschsein an sich zu differenzieren und die Konflikte seines Protagonisten kritisch zu reflektieren. Stattdessen hält er ein Plädoyer für eine Rückbesinnung auf das indische Moralverständnis. Nur wer in der Lage ist, sich und seine Bedürfnisse zurückzustellen, findet Glück und Zufriedenheit. Der westliche Pluralismus wird zwar nicht verteufelt, doch ist er sicherlich keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz.
An diversen passenden und unpassenden Stellen lockern Tanz- und Musikeinlagen das Filmgeschehen auf. Diese fallen allerdings nicht ganz so zahlreich und prätentiös aus, wie es für Bollywood üblich ist. Überhaupt bleibt ”Swades” relativ reduziert; es gibt keine Materialschlachten, kaum Massenszenen. Die Aufarbeitung der DVD ist vorbildlich. Sowohl die gute Ton- und Bildqualität (2,35:1 bzw. Dolby Digital 2.0, Dolby Digital 5.1) als auch die reichhaltige Ausstattung (Musikclips, Deleted Scenes, Outtakes, Trailer etc.) wissen zu überzeugen. Dennoch kann keine Empfehlung ausgesprochen werden, ist doch der moralisierende Tonfall über rund drei Stunden nur schwer zu ertragen.
- Redakteur:
- Marco Pütz