Tatort: Bienzle und sein schwerster Fall
- Regie:
- Griesmayr, Hartmut
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
13.12.2009 | 22:45Nach ziemlich genau 40 Jahren wird Deutschlands wohl dienstälteste und bekannteste Krimi-Serie flächendeckend auf DVD portiert. Der TATORT. Den Vertrieb übernimmt niemand geringeres, als der |Disney|-Konzern in Gestalt seiner Tochter |Buena Vista Home Entertainment|. Der erste Schwung Veröffentlichungen geschah am 3.12.2009, die zweite Tranche folgt im Januar 2010. Dabei gliedert sich das quer durch alle Ermittlerteams und Jahre bunt zusammengestellte Portofolio in Einzel-Folgen, Kommissar-, sowie Städte-Boxen á 4 DVDs. Unter den ersten Titeln befindet sich auch "Bienzle und sein schwerster Fall" aus dem Jahre 2007, der letzte seiner Art, der von der ARD ausgestrahlt wurde .
Zur Story
Die kleine Elena wird, nachdem sie drei Tage lang als vermisst galt, im Wald tot aufgefunden. Bienzle wird Leiter der Ermittlungskommission eingesetzt, die alles versucht den Mord rasch aufzuklären. Der Fall schlägt sehr schnell hohe Wellen in der Stuttgarter Bevölkerung und der Presse, unter anderem, da er den Hauptverdächtigen, der ein Jahr zuvor auch schon mit einem Mädchenmord in Verbindung gebracht wurde, nach kurzer, aber eingehender, Befragung wieder auf freien Fuß setzen muss. Das Vorgehen des Täters scheint zwar absolut identisch mit dem früheren Verbrechen, und viele Indizien weisen auf den impulsiven, vorbestraften Kai Anschütz hin, doch erstens ist Bienzle nicht überzeugt von seiner Schuld und zweitens hat der junge Mann ein Alibi. Ein wackeliges, aber immerhin.
Für die Öffentlichkeit, die betroffenen Eltern, und nicht zuletzt Ex-Kommissar Grossmann, ist die Sache aber klar: Er muss der Täter sein. Grossmann wurde seinerzeit vom Dienst suspendiert, da er versuchte ein Geständnis aus dem damals tatverdächtigen Anschütz zu prügeln. Nun sieht der jetzige Privatschnüffler seine Chance zur Rehabilitation, wobei er Bienzle und seinem Partner Gächter immer wieder in die Ermittlungen pfuscht und zu beeinflussen versucht. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als ein weiteres Mädchen verschwindet, welches nicht nur perfekt ins Opferschema passt, sondern sich zudem die Hinweise verdichten, dass derselbe Täter wieder am Werk ist. Anschütz ist auch nicht auffindbar. Die Uhr tickt für den mittlerweile schon an sich selbst zweifelnden Bienzle.
Eindrücke
Es sollte der letzte TATORT aus der Bienzle-Ära werden, dabei ist storytechnisch eigentlich der kurz zuvor ausgestrahlte "Bienzle und die große Liebe" der wirkliche Schlusspunkt für die TV-Karriere des schwäbischen Originals. Fortan gab es den beliebten Kommissar nur noch auf der Theaterbühne zu sehen, wo der zu dieser Zeit bereits Siebzigjährige Dietz-Werner Steck in seiner Paraderolle noch weiter ermitteln durfte. Mittlerweile hat längst eine jüngere Crew das Stuttgarter Morddezernat auf dem Bildschirm übernommen - übrigens fast frei von Dialekt und Lokalkolorit, wie es seit einiger Zeit beim TATORT üblich ist. Leider. Grade das zeichnete den manchmal etwas sperrigen - vermutlich wegen seiner waffenfreien Methoden und seines Trenchcoats - oft als "deutschen Colombo" bezeichneten Bienzle aus.
Wiewohl dieser Vergleich kaum Bestand hat, ist er doch als Kompliment zu verstehen. Den 38er Dienstrevolver in seiner Manteltasche hat das Publikum in der Tat nur höchst selten zu Gesicht bekommen. Der bescheiden und fast schon phlegmatisch zu nennende Kommissar, zu dessen Markenzeichen auch sein Hut sowie ein Sack voller mundartlicher Weisheiten aus dem Ländle gehören, hatte so etwas nicht nötig. Doch genau seine sonst so ruhige, sachliche und stets korrekte Art wird in diesem Fall auf eine harte Probe gestellt. Bienzle zeigt hier, ganz ungewöhnlich für ihn, einmal Nerven und Anfälligkeit gegenüber von Vorverurteilungen. Überhaupt hat dieser TATORT ein vergleichsweise beklemmendes Ambiente, wie eigentlich immer wenn Kinder als Opfer involviert sind.
Dieses Thema lässt normalerweise keinen Zuschauer kalt - speziell Eltern junger Mädchen nicht. Die nehmen die angespannte Atmosphäre aus Sorge, Wut, Trauer und Hilflosigkeit als besonders realistisch wahr. Dazu bedarf es keiner übertriebenen Melodramatik und Überzeichnung der Charaktere. Die Geschichte wirkt allein schon aufgrund der schieren Fantasie des empathischen Publikums. Bienzle-Stamm-Drehbuchautor Felix Huby versucht sich zwar mittels der spießig-nervigen Figur des Vermieters Romminger ein wenig in Auflockerung, doch dieses sonst gut funktionierende Element des comical relief - quasi der Running Gag der "alten" Stuttgarter Fälle - will diesmal nicht so recht zünden. Dafür sind Rüdiger Wandel (Gächter) und Rita Russek (Hannelore, Bienzles Lebensgefährtin) wieder einmal top aufgelegt.
DVD und Bonusmaterial
Die Ausstattung der einzelnen TATORT-DVDs schwankt beim Bonusmaterial. Das Kommissar-Profil z.B. weisen alle auf. Dabei handelt es sich um eine Aneinanderkettung von - optisch auf Polizeiakten getrimmten - Schautafeln, welche selbstständig wechseln. Je nach Textmenge muss man die Pause-Taste bemühen, da der Inhalt sonst zu schnell umspringt. Eine manuelle Schaltung per Fernbedienung wäre vielleicht sinnvoller gewesen.
Diese ansonsten nett gestaltete, teils bebilderte und mit Sound-Bites ausgestattete, Galerie erlaubt aber vor allem dem unbeschlagenen Zuschauer einen recht guten Überblick über die jeweiligen Ermittler(-Teams). Fans werden hier kaum Neues finden. Grade Bio-/ Filmgraphien der Darsteller wären sicherlich ganz interessant gewesen, leider ist auf allen bisherigen Releases nichts dergleichen zu finden.
Bei "Bienzle und sein schwerster Fall" hat man zusätzlich noch einen Interviewbeitrag mit Dietz-Werner Steck aus dem SWR-Lokalfernsehen ausgegraben, welcher sich mit dieser allerletzten Folge, seinen Gedanken zum Ende seiner "Dienstzeit" und seiner Zukunft als Bienzle auf der Theaterbühne beschäftigt. Nichts Weltbewegendes, aber immerhin.
Technisch betrachtet ist dieser TATORT ein Kind seiner Zeit. Ein zumindest als ordentlich zu bezeichnendes, auf 16:9 Format erweitertes, 4:3 Bild aber "nur" Stereo 2.0 - das war anno 2007 noch üblich. Heutige Folgen sind fast ausnahmslos gleich in Breitbild mit DD 5.1 Sound abgemischt. Wie dem auch sei: Für eine Fernsehproduktion reicht's letztendlich auch eine Stufe kleiner.
Fazit
Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass es sich bei diesem TATORT um einen Meilenstein handelt, wobei sich die Frage stellt, warum die ARD ausgerechnet diesen - zugegeben sehr spannenden Fall - als letzten "Bienzle" sendete. Der DVD ist das jedenfalls ziemlich wurscht, die ist an sich sauber produziert, wie man es von einem renommierten Label auch erwarten darf, und bietet somit einen würdigen Rahmen für diesen sehenswerten TATORT. Sie bietet allerdings nur ein Minimum an Bonusmaterial mit leichten Schwächen in der Bedienung. Den Fan wird’s nicht weiter stören.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
"Tatort: Bienzle und sein schwerster Fall"
Genre: TV-Krimi / Serie
ARD/SWR © 2007 - Erstausstrahlung 25.02.2007
DVD: © Disney / Buena Vista Home Entertainment
VÖ: 03.12.2009
EAN: 8717418229184
Laufzeit: 88 Min.
Bildformat: 16:9 (1,78 : 1)
Soundformat: DD 2.0 Stereo
FSK 12
Bonus: Interview mit Dietz-Werner Steck (SWR-Landesschau "Daheim in Baden-Würtemberg"), Kommissar-Profil (Interaktive Tafeln), Trailer
Buch: Felix Huby
Regie: Hartmut Griesmayr
Kamera: Hans-Jörg Allgeier
Musik: Joe Mubare
Darsteller u.a.: Dietz-Werner Steck (KHK Ernst Bienzle), Rita Russek (Hannelore Schmiedinger), Rüdiger Wandel (KHK Günter Gächter), Jürgen Hartmann (Ziemer), Lisa Maria Potthoff (Tanja Homann), Bernd Tauber (Grossmann), Tobias Schenke (Kai Anschütz), Max Gertsch (Madlung)
- Redakteur:
- Jürgen Pern