Tetsuo: The Iron Man
- Regie:
- Shinya Tsukamoto
- Jahr:
- 1988
- Genre:
- Horror
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Tetsuo
1 Review(s)
11.06.2008 | 15:10Daten:
Regie: Shinya Tsukamoto
Buch: Shinya Tsukamoto
Filmographie Shinya Tsukamoto:
2006: Nightmare Detective
2005: Female
2005: Haze
2004: Vital
2002: A Snake of June
1999: Gemini - mörderischer Zwilling
1998: Bullet Ballet
1996: Tokyo Fist
1992: Tetsuo II: Body Hammer
1990: Hiruko - The Goblin
1988: Tetsuo: The Iron Man
1987: The Adventure of Denchu Kozo
1986: The Phantom of Regular Size
Darsteller:
Tomorowo Taguchi als Mann
Kei Fujiwara als Frau
Nobu Kanaoka als Frau
Renji Ishibashi als Tramp
Naomasa Musaka als Doktor
Shinya Tsukamoto als Metal-Fetischist
Musik: Chu Ishikawa
Kamera: Kei Fujiwara, Shinya Tsukamoto
Schnitt: Shinya Tsukamoto
Einführung:
Über "Tetsuo" ein normales Review zu schreiben, ist vollkommen unmöglich, da das experimentelle Cyperpunk-Werk Tsukamotos eigentlich nur äußerlich einem herkömmlichen Film gleicht. Deshalb versuche ich nachfolgend vor allem, das Erlebnis, diesen Film zu sehen, zu beschreiben und die intensive Stimmung, die mich dabei ergriffen hat, näherzubringen.
Die Handlung:
"Tetsuo" hat keine klare wiedergebbare Story - Tsukamoto arbeitet mit optischen Metaphern, die durch bestimmte Bild/Klang-Kompositionen erzeugt werden:
Ein typischer Großstadtbewohner wird durch immer wiederkehrende Albträume aus dem Schlaf gerissen. Er wird von einem Auto überfahren, begleitet von seltsamer metallisch klingender Musik. Am nächsten Morgen findet er eine Gewindestange, die er (kann es sein, dass das noch im Traum ist?) sogleich auf blutigste Art und Weise in sein Bein integriert.
Umschnitt ...
Jetzt sitzt der Mann in einer U-Bahnstation und bemerkt neben sich eine junge Frau mit einer Art Metallhand. Als sie ihn bemerkt, versucht er zu flüchten. Dabei ertönen trommelnde Rhythmen, kreischende, nervenaufreibende Musik. Wieder zuhause, bemerkt er vor dem Spiegel einen Pickel im Gesicht, welcher sich aber als Metalldorn herausstellt, woran er sich auch gleich verletzt - Blut spritzt.
Diese Vorgänge sind nur der Anfang einer totalen Verwandlung hin zum Metallmenschen, ja, er fusioniert mit der Maschine, diese Metamorphose macht auch vor seinem besten Stück nicht halt - dieses verwandelt sich nämlich in einen dicken Bohrer, der auch sogleich eine Frau niedermacht.
Weiter möchte ich die Geschichte nicht ausführen, da keine schriftliche Beschreibung dem Gesehenen gerecht werden und dadurch eher ein falsches Licht auf den für mich wertvollen Experimentalfilm werfen könnte.
Kritik:
Wenn man sich für diesen Film von 1988 entscheidet, sollte man als Zuschauer vorher genau darüber informiert sein, um welch ein außergewöhnliches Werk es sich bei "Tetsuo" handelt. Schnelle Umschnitte, rasende Kamerafahrten, blitzende und drehende Bildfetzen. Dazu schrille Schreie, metallische Geräusche und hämmernde Rhythmen. Ein audiovisueller Drogentrip mit Kopfschmerzgarantie. Mir wurde schwindelig und die Augen brannten, weil ich gebannt starrend schlicht und einfach das Blinzeln vergaß - ernsthaft! Zum Glück ist die Laufzeit des Films auf ca. 60 Minuten begrenzt - keine Minute länger wäre wohl auszuhalten gewesen.
Der Sinn des Ganzen?
Tsukamoto versucht auf diese äußerst drastische Art und Weise, die Abhängigkeit des Menschen und das Verschmelzen mit seinen selbst erschaffenen Maschinen zu beschreiben und gleichzeitig zu kritisieren. Dabei bleibt immer der Mensch der Verlierer und es wird eine düstere Zukunftsvision voller Perversitäten und Fetischen gezeichnet. Allgegenwärtige Technik, die sich aufmacht, die Welt zu erobern, die alles mit ihrem kalten und harten Schrott überzieht, sodass kein Funken Hoffnung auf eine bessere Welt übrig bleibt.
Um diese Aussagen zu vermitteln, bedient sich Tsukamoto einer so vorher sicher noch nie dagewesenen comichaften Bildersprache in Schwarzweiß, die hervorragend zum technischen Tenor des Films passt und ihn damit für den Zuschauer wirklich zum fühlbar (stahl-)harten Brocken macht. Es ist kein Vergnügen, den Film anzusehen - ich habe es auf mich genommen und vielleicht unter größerer Anstrengung die Aussage verstanden. Mission erfüllt. Ungläubig darüber, was mich gerade getroffen hat, habe ich den Film dann doch noch einmal angeschaut und brauchte wortwörtlich Tage, um das Gesehene zu verarbeiten.
Nein, dieser Film ist nichts für 'normale' Menschen, sondern etwas für experimentierfreudige und tolerante Zeitgenossen. Er ist Kunst - und darüber kann man bekanntlich streiten - oder eben nicht. Jedenfalls ist das Werk Tsukamotos ein Meilenstein des experimentellen Films und sogar heutzutage in unserer täglich tabubrechenden Welt etwas ganz Besonderes. Wer sich darauf einlässt, wird mit Einsicht belohnt und mit einem kostenlosen Trip (na ja, eigentlich 22 Euro) in die trostlose Fantasiewelt eines japanischen Ausnahmeregisseurs.
Zur DVD:
Rapid Eye Movies hat sich bei der Veröffentlichung des Ausnahmefilms wirklich sehr viel Mühe gegeben und die DVD (übrigens zusammen mit einem weiteren Experimentalfilm namens "Electric Dragon") in eine so noch nie gesehene Verpackung gesteckt.
Die äußere Hülle besteht aus einem harten Klarsichtschuber, auf dem der Titel des Films in spiegelnden Buchstaben aufgedruckt wurde. Darin befinden sich zwei ebenfalls durchsichtige Slimcases mit Dia-artigen Einlegern. Die DVDs selbst sind fast durchsichtig (sie funktionieren aber trotzdem), so dass man also, wenn man das Booklet herausnimmt, komplett durch die Verpackung hindurchsehen kann - ein Sahnestück für jede Sammlung! Da ist der hohe Verkaufspreis nicht einmal eine Überlegung wert - einfach zugreifen und ins Regal stellen.
Der Film wurde mit einer hohen Bitrate von über sieben Mbps auf die DVD gebracht und wirkt wohl aufgrund seines billigen 16-mm-Filmmaterials leicht unscharf. Die weitere Bildqualität zu beurteilen, fällt aber nicht leicht, weil man als Zuschauer nie weiß, was von Tsukamoto beabsichtigt war und was nicht. Ich kann jedoch sagen, dass sich das Bild qualitativ genau wie das der UK-Veröffentlichung von "Tartan Extreme" darstellt.
Der Ton ist bei dieser deutschen Veröffentlichung allerdings um Klassen besser als bei der englischen. Der deutsche Ton liegt in einer hochgerechneten 5.1-DTS-Spur vor. Der japanische DD-2.0-O-Ton kann dagegen leider keine Bäume ausreißen - diese Tonspur war bei der UK-Veröffentlichung etwas besser. Daher rate ich zum deutschen Ton, weil im Film kaum zehn Worte gesprochen werden.
Als Extra ist ein Kurzfilm mit dem Titel "Phantom Of Regular Size" enthalten, der wohl die FSK derart beeindruckt hat, dass sie kurzerhand die Einstufung auf KJ geändert haben. Äußerst interessant fand ich auch noch die "Deleted Scenes". Abgerundet werden die Extras vom japanischen Kinotrailer.
Auf den zweiten Film "Electric Dragon 80.000 V", der im sogenannten "Cyberpunk Double Feature" enthalten ist, komme ich in einem separaten Review zurück.
Bleibt noch das mehrseitige Booklet zu erwähnen, welches das englischsprachige Interview mit Sogo Ishii, der für den zweiten Film verantwortlich ist, beinhaltet.
Fazit:
Es gibt zwei Gründe, warum diese bei Fachmärkten mangels Interesse so schwer erhältliche DVD in einer Sammlung landen könnte:
1. Man interessiert sich für eine neue (Sinnes-)Erfahrung, ist für alles offen und auch neugierig darauf, was es alles auf dem Medium "Film" gibt.
2. Man kauft den Film nur wegen seiner genialen Verpackung, um ihn ins Regal zu stellen.
Ich kann für mich abschließend sagen, dass ich dieses Werk Tsukamotos für einen der wichtigsten Beiträge zum (japanischen) Kino der Neuzeit halte - Wegbereiter für Videoclips auf MTV und Denkanstoß für alle Technikverrückten da draußen!
Menschen ohne besonderen Draht für solche Kunst oder sensible Naturen halten dieses Werk garantiert für krank & pervers und sollten es einfach ignorieren.
- Redakteur:
- Detlev Ross