Teufelskicker
- Regie:
- Granz Henman
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Abenteuer
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
08.03.2010 | 22:28INHALT
Fußball ist für den 12 Jahre jungen Moritz der ganze Lebensinhalt. In seinen Tagträumen ist der begeisterte Nachwuchskicker schon ein ganzes Stück weiter als sein tatsächliches Können es ist. Mit seinen Alleingängen vermasselt er auf dem Rasen den Sieg und zieht den Ärger seiner Kameraden auf sich. Der eigene Vater trainiert die Jugendmannschaft, da ist natürlich der Erwartungsdruck besonders groß. Moritz läßt sich aber durch nichts beirren. Er hat seine Ziele klar vor Augen.
Auch als die Eltern sich ganz plötzlich trennen, hat Moritz nur Fußball im Kopf. Die Mutter flüchtet mit ihrem Sohn überstürzt zu ihrem grummeligen Vater Rudi, nachdem sie ihren Gatten beim Knutschen mit einer Anderen erwischt hat. Moritz kann diesen hastigen Umzug an einen neuen Wohnort nicht akzeptieren. Aber bevor er sich lange mit Klagen aufhält, sucht er lieber gleich den örtlichen Fußballverein auf. Bei den arroganten Affen des vom reichen Unternehmer Rothkirch trainierten VfB blitzt der Neuling herbe ab.
Die Jungs vom Schulhof sind da schon eher auf derselben Wellenlänge wie Moritz. Die redseligen türkischen Brüder Mehmet und Enes, das talentierte Mädchen Catrina und Niko mit der Zahnlücke schließen mit Moritz Freundschaft. Sie richten sich ein verwildertes Grundstück als Bolzplatz her.
Da kreuzt der finstere Alex mit seiner Rooftop-Gang auf. Diese Jungs sind die coolsten Ballakrobaten der Stadt. Sie schwingen sich katzengleich über Mauern, Treppen und Hausdächer. Wem Platz und Ball gehören, ist schnell und konfliktfrei geklärt: Moritz und seine neuen Freunde schließen sich mit Alex und seinen Jungs zu einer Elf zusammen: Die Teufelskicker. Man hat nämlich einen gemeinsamen Gegner: Die Angeber vom VfB mit ihrem großmäuligen Kapitän Mark, dem Junior von Rothkirch, sollen auf keinen Fall bei der bevorstehenden Meisterschaft den Pokal gewinnen. Opa Rudi wird zum Trainer für die Teufelskicker auserkoren. Das Übungsgelände ist die Shopping Mall, wo Rudi als Nachtwächter arbeitet...
KRITIK & INTERPRETATION
Rasante Parcoursläufe heben den Fußball eine neue Dimension. Der Ball wird durch eine Hindernisstrecke manövriert, dabei sind Geschicklichkeit, Präzision und Feingefühl gefragt, ebenso wie perfekte Koordination im Zusammenspiel der Akteure. Der Höhepunkt des Films ist der irrwitzige Ballwettlauf zwischen den Teufelskickern und den Vereinsspielern durch die belebte Ladenpassage und quer über die Straße. Davon hätte man sich mehr gewünscht. Die Rooftop-Gang ist ein Name, der nicht ganz hält, was er verspricht. Die Jungs vollführen zwar atemberaubende Turnübungen, aber die Vorstellung, die Kids würden als halsbrecherische Akrobaten über die Hausdächer surfen und den Ball zwischen den Gebäuden herumschießen, bleibt eine von den Werbetexten des Filmverleihs inspirierte Fantasie des Zuschauers. Ein extremsportliches urbanes Spektakel, wie man es aus französischen Actionfilmen wie "Banlieue 13" und "Yamakasi" kennt, gibt es hier nicht - obwohl das durchaus machbar gewesen wäre. Die Produzenten verweisen aber darauf, daß sie die artistischen Takes realistisch halten wollten, also keine physikalisch unmöglichen Fantasy Stunts. Erzählt wird nämlich eine ganz klassische Familiengeschichte. Und die spielt auf dem Rasen.
Bei den Fußballszenen auf dem Rasenplatz wird leider wenig Spieltechnik gezeigt. In den typischen schnellen Schnitten sieht man überwiegend Großaufnahmen von herumfliegenden Beinen, ein Gebolze und Getrete, hinterlegt mit ohrenbetäubender Rockmusik. Richtige Ballkunst bekommt man kaum zu sehen, obwohl die Darsteller alle mit der Kugel umgehen können. Was dachten sich da wohl die Nationalspieler Philipp Lahm und Lukas Podolski, die in Moritz' Tagtraum am Spielfeldrand winken?
Im Zentrum steht Moritz, ein Junge mit so großer Selbstsicherheit, daß ihm das bisweilen in Selbstüberschätzung entgleitet. Das strapaziert das Team, denn Fußball ist ein Mannschaftssport. Auch an seinem neuen Wohnort läuft Moritz Gefahr, seine Stärke zu einer Schwäche werden zu lassen. Das gesunde Selbstbewußtsein hilft ihm einerseits, in der neuen Schule die anfänglichen Anfeindungen von Alex und seiner Gang an sich abprallen zu lassen und rasch Anschluß zu finden; andererseits isoliert er sich durch sein bestimmendes, selbstbezogenes Verhalten wieder von der Gruppe. In Catrine findet er unerwartet eine Konkurrentin. Moritz und Catrine sind beide Führungspersönlichkeiten. Sie besitzen die Begabung, die Anderen hinter sich zu versammeln, sie für ein gemeinsames Ziel zu begeistern und zu ermutigen.
Opa Rudi erkennt sofort, was die Teufelskicker am nötigsten brauchen: Sie müssen zu einem Team zusammenwachsen! Dabei ist jeder Einzelne gefordert, sich optimal einzubringen, aber auch sich zurückzunehmen. Schließlich gibt die Solidarität innerhalb der Gruppe auch Halt beim Bewältigen persönlicher Probleme. Moritz muß mit der ungewollten Trennung seiner Eltern umgehen. Catrine muß sich gegen ihren Stiefvater, kein geringerer als Rothkirch, durchsetzen, der ihr das Fußballspielen verbietet, weil sie ein Mädchen ist.
Ziemlich plötzlich bricht aus Alex seine tragische Vorgeschichte heraus, die ihn quält und ihn furchtbar traurig macht. Hinter der coolen Fassade von Alex verbirgt sich ein Junge, der ein schlimmes Trauma erlebt hat. Moritz fängt die Probleme seiner Freunde mit bewundernswerter Souveränität auf. Trotz einiger Fehler, die er macht, ist er der Mannschaftsführer, dem es gelingt, das Team über alle Schwierigkeiten hinwegzubringen. Keiner wird zurückgelassen. Schon gar nicht der Wille zum Sieg.
In der Hauptrolle beweist Henry Horn (12), Sänger der Rockband "Apollo 3", daß er auch als Schauspieler Talent besitzt. Immer in Bewegung, treibt der agile Junge die Geschichte des fußballverrückten Moritz voran. Regisseur Granz Henman setzt den sympathischen Hauptdarsteller in vielen schönen Nahaufnahmen perfekt ins Bild.
Auch Henrys Bandkollegen sind im Film vor der Kamera mit dabei. Marvin Schlatter huscht als Gangmitglied Shadow buchstäblich wie ein Schatten ohne großen Text mit. Gitarrist Dario Barbanti spielt den geheimnisumwitterten Gangleader Alex, dessen Figur allerdings unerwartet im Hintergrund bleibt. Bis auf ein paar freche Sprüche umgibt sich Alex mit Zurückhaltung. Er agiert mit nonverbaler Kommunikation. Allein seine Anwesenheit und eine dezente Bewegung signalisiert seinen Anhängern ein Kommando. Die sehr emotionale Szene, wo Alex sich Moritz offenbart, ist für Dario der einzige lange Textpart in dem Film. Auch hier zeigt sich, daß die jungen Musiker von "Apollo 3" schauspielern können - oder vielleicht ist es auch eher umgekehrt.
Die Kasperrolle fällt der großen Klappe des kleinsten Mitglieds der Teufelskicker zu. Mehmets Bruder Enes ist erst 10, aber bei den Großen immer mit dabei. Am Rande des Hauptstrangs um den kämpferischen Weg der Straßenkicker zum Pokalgewinn werden noch einige von Erwachsenen verursachte Familienangelegenheiten geklärt. Moritz wünscht sich, daß seine Eltern sich wieder vertragen. Dazu ist allerdings ein Fußballwunder nötig.
Auch bei Rothkirchs hängt der Haussegen schief. Die beste Erwachsenenrolle geht an Armin Rohde, der den hirnverbohrten, betrügerischen Rothkirch so richtig schön fies und schleimig spielt. Armin Rohde soll mit einem Zitat aus einem Interview zum Film und über das Phänomen Fußball auch das Schlußwort, pardon, den Schlußpfiff haben: "Wenn ich diesen Jungs zuschaue, was die so drauf haben, finde ich es unglaublich, was die akrobatisch können, wie die mit dem Ball umgehen können! Das sportlich Artistische, das leuchtet mir ein, daß das eine Faszination hat. Daß 20 Leute hinter diesem Ball hin und her übers Feld laufen, bis dann mal ein Tor fällt – daß dies eine fast religiöse Begeisterung hervorruft, ist mir aber ein bißchen fremd."
(Pino DiNocchio)
Originaltitel: Teufelskicker
Regie: Granz Henman
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Apollo 3
Darsteller: Henry Horn, Dario Barbanti, Cosima Henman, Tim Tröger, Yassine Gourar, Kaan Aydogdu, Sammy Scheuritzel, Marvin Schlatter, Benno Fürmann, Diana Amft, Reiner Schöne, Armin Rohde, Catherine Flemming, Elyas M'Barek
Produktionsland: Deutschland 2010
Spieldauer: 100 Minuten
Kinostart in Deutschland: 11.3.2010
- Redakteur:
- Pino DiNocchio