Triangle - Die Angst kommt in Wellen
- Regie:
- Christopher Smith
- Jahr:
- 2009
- Genre:
- Horror
- Land:
- GB/Australien
- Originaltitel:
- Triangle
1 Review(s)
30.08.2010 | 20:41Das geschieht:
Jess, allein erziehende und überforderte Mutter des autistischen Tommy, möchte während eines Segeltörns in den Küstengewässern vor Florida ausspannen. Bootseigentümer Greg, ein guter Freund, hat sie und das Paar Downey und Sally auf seine Yacht „Triangle“ eingeladen. Sally nutzt die scheinbare Gunst der Stunde und bringt Heather mit, die sie mit Greg verkoppeln möchte. Dass Heather lieber dem kernigen Victor, der Greg seemännisch unterstützt, schöne Augen macht, ist das geringste Problem: Aus heiterem Himmel bricht ein Unwetter los, und eine gewaltige Flutwelle lässt die „Triangle“ kentern. Heather verschwindet spurlos, die übrigen Überlebenden treiben mit dem Wrack ihres Bootes einem ungewissen Schicksal entgegen.
Unerwartet naht Rettung in Gestalt eines gewaltigen Ozeandampfers. Die Schiffbrüchigen gehen an Bord der „Aolus“. Bereits 1932 erbaut, wirkt das ansonsten menschenleere Schiff wie gerade vom Stapel gelaufen. Irritiert irrt unser Quintett durch die endlosen Gänge. Als man sich trennt, um die Suche zu intensivieren, tritt ein maskierter Killer auf den Plan. Er erschießt Downey, Sally und Greg, und die entsetzte Jess findet auch Victor sterbend. Kurze Zeit später hört sie Stimmen: Auf dem Meer treibt kieloben das Wrack der „Triangle“ heran. Wenig später kommt die Besatzung an Bord: Greg, Downey, Sally, Victor – und Jess, die nunmehr zweimal existiert! Die Ereignisse beginnen sich zu wiederholen. Verzweifelt versucht Jess diesen Ablauf zu unterbrechen, denn sie begreift, dass sie Teil einer Schleife ist, die sie ansonsten die Tragödie auf der „Aolus“ wieder und wieder durchleben lassen wird.
Oder ist es längst zu spät? Jess findet Indizien, die darauf hindeuten, dass sie weder zum ersten noch zum letzten Mal in der Schleife gefangen ist. Sie bemüht sich, den Kreislauf zu unterbrechen, aber auch dies scheint nur Element eines Geschehens zu sein, dass sich auf ewig verselbstständigt hat …
Spuk ahoi!
Dein Schiff geht unter, du treibst ohne Aussicht auf Rettung auf einem endlosen Ozean, ein anderes Schiff erscheint: Natürlich gehst du an Bord, so absonderlich dieses Schiff auch wirken mag. Der Preis für die Rettung muss auf jeden Fall gezahlt werden: Du wirst Teil eines Geschehens, das rational nicht zu erklären ist.
Das Geisterschiff ist ein klassisches Motiv der Phantastik. Seit der Mensch Schifffahrt betreibt, kam es auf dem Meer immer wieder zu Vorfällen, die das zeitgenössische Verständnis überforderten. Noch heute ist dies so; gerade erst beginnt die Wissenschaft das Mysterium der „Kaventsmänner“ zu lüften, jener urplötzlich aufkommenden Monsterwellen, die auch der „Triangle“ im hier vorgestellten Film den Garaus machen.
Vor allem das spurlose Verschwinden oft großer Schiffe fordert die Vorstellungskraft heraus. Was ist mit ihnen geschehen? Sind sie gesunken, oder hat sie ein anderes, böses Schicksal getroffen, das sie wie die „Mary Celeste“ und ihre Besatzungen wie unglückliche Klone des „Fliegenden Holländers“ dazu verdammt, für immer und hafenlos über die Ozeane zu treiben?
Dieses gleichzeitig tragische und unheimliche Sujet wurde auch vom Film früh aufgegriffen. Auf eine Listung entsprechender Titel soll hier verzichtet werden, stellvertretend für das Genre sei an die immens erfolgreichen Folgen der Kino-Blockbuster-Serie „Fluch der Karibik“ erinnert.
Handlung als Herausforderung
Wobei diese Filme in unserem Zusammenhang kein ideales Beispiel bieten. „Triangle“ ist kein hirnloses, auf den Effekt getrimmtes Spektakel. Die Story ist komplex, und Regisseur sowie Drehbuchautor Christopher Smith nimmt sich viel Zeit, bevor er seinen Zuschauern enthüllt, worum es in dieser Geschichte geht. Selbst dann wäre es falsch, sich zurücksinken und von den Ereignissen berieseln zu lassen. „Triangle“ ist eine Sammlung episodischer Steinchen, die nach und nach zu einem Mosaik zusammengesetzt werden. Dieser Prozess setzt sich bis in die letzten Filmsekunden fort. Anschließend möchte man den Film noch einmal sehen, denn er entpuppt sich als Endlosschleife eines Geschehens, das sich immer und immer wiederholen wird.
Sich mit der Handlung von „Triangle“ in einer Rezension zu beschäftigen, stellt eine echte Herausforderung dar. Sie nachzuerzählen sowie zu erläutern ist möglich, es explizit zu tun wäre allerdings eine Gemeinheit, denn zu erleben, wie Smith einen ‚Horrorfilm‘ präsentiert, der die typischen Buh!-Effekte dieses Genres elegant meidet, ist eine Erfahrung, die möglichst vielen Zuschauern zu gönnen ist – dies auch deshalb, nachdem „Triangle“ zumindest an der Kinokasse durchfiel: Bei einem Budget von 12 Mio. Dollar spielte der Film dort nicht einmal 1 Mio. ein. Dies zu begreifen fällt schwer, es sei denn, man möchte den ‚typischen‘ Gruselfan als IQ-schwachen & denkfaulen Konsumenten trick- und blutreicher Horror-Routinen brandmarken.
Das Grauen als Ausgeburt der Seele
Oder liegt es daran, dass „Triangle“ gar kein ‚richtiger‘ Horrorfilm ist? Christopher Smith macht nie einen Hehl daraus, die andeutende Phantastik zu bevorzugen. Er arbeitet mit Symbolen und Andeutungen, die oft erst nachträglich ihren Sinn offenbaren. Bereits die Schiffsnamen „Triangle“ und „Aolus“ haben einen tieferen Sinn.
Außerdem darf der Zuschauer seinen Augen nur bedingt tragen. Lange irritiert das Geschehen mit Lücken. Was zunächst die Fehler eines schlampigen Drehbuchautors bloßzustellen scheint, erweist sich als Erinnerung einer verwirrten Seele. Die Lücken füllen sich, und gleichzeitig gewinnen die Ereignisse eine völlig neue Bedeutung. „Triangle“ wird zur Metapher für das Fegefeuer, in das nach der römisch-katholischen Lehre die Seelen derjenigen Menschen geworfen werden, die im Leben gefehlt haben, um dort geläutert zu werden.
Dieser Prozess ist qualvoll, ein Entrinnen gibt es nicht. Genau diese Erfahrung muss Sünderin Jess immer wieder neu machen. Sie ist die Gefangene einer speziell für sie geschneiderten Fegefeuer-Variante. Dies begreift sie gleichzeitig mit den zunächst ebenfalls ahnungslosen Zuschauern. Gemeinsam werden wir in eine Handlung geworfen, die nicht mit dem Anlaufen des Films ihren Anfang nahm, sondern zu einem nicht feststellbaren früheren Zeitpunkt begonnen hat. „Triangle“ ist als Film selbst eine Endlos-Schleife; man kann grundsätzlich überall in die Handlung einsteigen – der Aha-Effekt wird sich trotzdem einstellen.
Die Handlung als Zwiebel
„Triangle“ erzählt eine Geschichte, deren Abläufe sich einerseits überlappen, während sie andererseits sogar parallel ablaufen. An Bord der „Aolus“ tummeln sich Jesses, Gregs, Victors, Downeys und Sallys, die unterschiedlichen Zeit- oder Ereignisebenen entstammen. Sie handeln unabhängig voneinander, aber sie interagieren auch, was die Verwirrung leicht komplett machen könnte, hielte Smith als Regisseur und Autor die Fäden nicht fest in der Hand.
In dem Gewimmel kopierter Schiffbrüchiger bleibt „Jess I“ die zentrale Figur. Ihr bleibt die Kamera auf den Fersen, während sie anderen Jesses begegnet, ihnen ausweicht oder mit ihnen kämpft. Auf diese Weise wird ein roter Faden durch das komplizierte Geschehen gelegt. Zumindest wir, die Zuschauer, wissen stets, wer die ‚richtige‘ Jess ist.
Dies ist nicht nur ein Verdienst des Drehbuchs, sondern auch der Hauptdarstellerin. Melissa George liefert als Jess eine bemerkenswerte Leistung. Obwohl sie in ihren unterschiedlichen Identitäten manchmal mehrfach gleichzeitig zu sehen ist, legt sie jede Jess ein wenig anders an, sodass wir klar differenzieren können. Auch den schwierigen, durch die ‚gebrochene‘ Handlung gefilterten Vorgang des allmählichen Begreifens spiegelt George überzeugend wider. Sie wechselt von der aktiven Identifikationsfigur zur Bösewichtin und schließt den Kreis als tragische Verliererin eines Spiels, das sie durchschaut aber nicht aufzugeben gedenkt, obwohl ihr abermaliges Scheitern feststeht.
Der lange Weg zwischen Idee und Realisierung
Christopher Smith gelangen vor „Triangle“ zwei viel beachtete Genrefilme. „Creep“ (2004) und besonders „Severence“ (2007) gefielen durch die Art, wie ihr Regisseur alte und oft zum Klischee herabgesunkene Themen mit frischem Leben erfüllte. Diese Erfolge machten die Finanzierung von „Triangle“ nicht einfacher. Die ungewöhnliche Geschichte wirkte auf potenzielle Produzenten, die lieber in bewährte und deshalb vorab kalkulierbare Stoffe investieren, allzu abschreckend. Smith musste daher Kompromisse machen. „Triangle“ spielt in den Gewässern vor Florida, wurde aber in Queensland gedreht und entstand als englisch-australische Koproduktion.
Auch im Budget musste Smith Einschnitte akzeptieren; im Making-of klagt er über Zeit- und Geldmangel und deckt Diskrepanzen zwischen Storyboard und Film auf; er habe Zugeständnisse gemacht, weil er „müde“ geworden sei, so Smith. Dem fertigen Film sieht man dies freilich selten an. „Triangle“ ist reich an Spezialeffekten, die in der Regel ausgezeichnet gelangen. Das digitale Unwetter auf hoher See ist wundervoll schrecklich, und die „Aolus“ ist als Außenansicht zwar sichtlich eine digitale Schöpfung, bietet aber an Bord eine grandiose Kulisse.
Kein Wunder, denn hier kamen die Ausstatter auf eine ebenso pfiffige wie wirkungsvolle Idee: Sie fanden Southport Spit, einen schmalen, künstlich aufgeschütteten Pier unweit der Stadt Southport im australischen Queensland, der weit ins Meer hinausragt. An seinem Ende wurde der Bug der „Aolus“ und ein Drittel des Schiffes in voller Größe nachgebaut. So lange die Kamera nicht senkrecht über die ‚Reling“ gehalten wurde, sah es ‚an Bord‘ aus, als befände man sich auf offener See. Die Wellen und das Licht über dem Wasser sind echt. Die Wirkung ist entsprechend.
Viel Geld floss in die Innenausstattung der „Aolus“. Die schier unendlich langen Korridore sind real, die Kamera kann sich frei in ihnen bewegen, was der Handlung erstaunliche Wendungen ermöglicht. Die „Aolus“ ist ein Schiff, keine Studio-Kulisse: Diesen Effekt strebte Smith an, und er konnte ihn verwirklichen.
Keinen Wert legt Smith auf drastische Einlagen. Wenn es das Geschehen erfordert, wird es blutig. An schockierenden Szenen herrscht dennoch kein Mangel; unvergesslich bleibt u. a. der Anblick einer Decksektion, in der sich tote Sallys buchstäblich stapeln.
Nichts ist vollkommen
Bei näherer Betrachtung zeigt das Drehbuch logische Lücken. Wieso fügt sich Jess beispielsweise in den ihr bekannten Ablauf? Warum bleibt sie nicht einfach an Land und gibt den Ereignissen auf diese Weise eine völlig neue Richtung? Auch im Detail könnte man Fehler monieren. Man muss es jedoch nicht. Lässt man sich auf die Geschichte ein, wie Smith sie erzählen möchte, funktioniert sie und bietet spannende, durchaus intelligente und vor allem nicht schon tausendfach gesehene Unterhaltung.
Daten
Originaltitel: Triangle (GB/Australien 2009)
Regie u. Drehbuch: Christopher Smith
Kamera: Robert Humphreys
Schnitt: Stuart Gazzard
Musik: Christian Henson
Darsteller: Melissa George (Jess), Jack Taylor (Jack), Michael Dorman (Greg), Henry Nixon (Downey), Rachael Carpani (Sally), Liam Hemsworth (Victor), Emma Lung (Heather), Joshua McIvor (Tommy), Bryan Probets (Taxifahrer)
Label: Planet Media Home Entertainment (www.pmhe.de)
Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment (www.ascot-elite.de)
Erscheinungsdatum: 01.04.2010 (Leih-DVD/Blu-ray) bzw. 06.05.2010 (Kauf-DVD/Blu-ray)
EAN: 7613059801110 (DVD) bzw. 7613059401112 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 95 min. (Blu-ray: 99 min.)
FSK: 16
DVD-Features
Der Originaltrailer sowie „Interviews und Eindrücke vom Dreh“ lassen sich getrost ignorieren; der eine suggeriert ein Action-Grusel-Spektakel, das „Triangle“ nicht ist, die anderen sind nur Ausschnitte aus dem ebenfalls aufgespielten „Making-of“. Mit seiner Laufzeit von 43 Minuten bietet es zwar auch die üblichen uninteressanten, nur der Werbung verpflichteten Übertreibungen der vor und hinter der Kamera tätigen Schauspieler und Crewmitglieder, zeigt aber darüber hinaus tatsächlich Informationen über die Konzeption von „Triangle“ und die problematischen Dreharbeiten. Wer nach dem Filmende ratlos mit der Frage zurückblieb, was sich Christopher Smith mit seiner Geschichte eigentlich gedacht hat, wird ebenfalls hier Aufklärung finden.
Im Internet findet man eine „Triangle“-Website hier: www.preparetobescared.com/triangle/videos
- Redakteur:
- Michael Drewniok