Tropa de Elite
- Regie:
- José Padilha
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Action
- Land:
- Brasilien/Agentinien
1 Review(s)
21.06.2010 | 23:18„In Rio muss sich jeder Polizist entscheiden: entweder wird er korrupt und hält den Mund oder er entscheidet sich für den Krieg.“ heißt es im Epilog zu José Padilhas Debütfilm „Tropa de Elite“, jener Film, der in Brasilien vor gut drei Jahren eine hitzige Debatte, nicht nur über die soziale Lage des Landes, sondern auch die Methoden der paramilitärischen Polizeieinheiten entfesselte. Denn Padilha scheut sich in seinem mit dem Goldenen Bären auf der Berlinale 2008 prämierten Erstlingswerk nicht, den Zuschauer von gewalttätigen Ausschweifungen und schonungslosen Bildern fern zu halten, sondern hält gnadenlos drauf, wenn seine Protagonisten foltern und töten um in den Slums von Rio de Janeiro für von Recht und Ordnung zu sorgen. Ein Film, der bewegt, schockiert und verstört und der trotzt seiner Exzesse niemals wie eine zynische Zelebrierung der realen Gewalt wirkt.
Anlässlich des Braslien Besuches von Papst Johannes Paul II. im Jahre1997, erhält die BOPE, eine Sondereinheit der Militärpolizei von Rio de Janeiro, den Auftrag in den Favelas der Millionenmetropole mit allen Mitteln für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Geleitet wird die als „Operation Heiligkeit“ bezeichnete Mission von Captain Nascimento (Wagner Moura), der aufgrund der anstehenden Geburt seines Sohnes jedoch allmählich die Fassung verliert und unter dem Druck der Arbeit zusammenzubrechen droht. Auch deshalb will er so bald wie möglich aus seinem aktiven Dienst ausscheiden und ist bereits auf der Suche nach einem Nachfolger. Neto Gouveia (Caio Junqueira) und sein Freund André Matias (André Ramiro) hingegen sind noch frisch in ihrem Beruf, sehen sich aber bereits mit der alltäglichen Korruption und Vetternwirtschaft bei der Polizei konfrontiert. Sie entschließen sich ihr Gewissen durchzusetzen und versuchen wo es geht, sich gegen das bestehende System innerhalb der Polizei aufzulehnen, bis sie bei einem nächtlichen Einsatz auf Nascimento und dessen Männer treffen. Die Jugendfreunde entschließen sich, bei der als sauber und korruptionsfrei, aber äußerst Brutal durchgreifenden Sondereinheit zu bewerben...
Das Brasilien ein heißes Pflaster ist, in welchem Gewalt, Drogenkriminalität und Korruption auf der Tagesordnung stehen, wissen Kinogänger spätestens seit Fernando Meirelles´ „City of God“ (2002). Doch wo genanntes Meisterwerk die desolate Lage des Landes noch aus der Sicht zweier, in den Favelas aufgewachsener Jungs verfolgte, erzählt Padilha seine Geschichte aus der Sicht der Polizisten von Rio de Janeiro. Und es sind wahrlich keine sympathischen Menschen, die uns der Regisseur da vor setzt. Captain Nascimento etwa, der die Geschichte aus dem Off kommentiert, ist jedes Mittel recht um seinen Willen durchzusetzen. Er und seine Männer der Batalhão de Operações Policiais Especiais, kurz BOPE, benutzen Plastiktüten und Schläge um Informationen von Drogendealern zu erpressen, erschießen lieber, anstatt festzunehmen und zeigen sich im Drill mit Grünschnäbeln ebenso erbarmungslos, wie im Straßenkampf mit den Verbrechern. Und doch: die BOPE, wie sie quälen und sich eigentlich über Rechte hinweg setzen, sind doch Polizeikräfte einzigen, die ihre Arbeit ernst nehmen und sich nicht selbst bereichern wollen.
Somit stellt Padilha seinem Publikum Gesetzeshüter entgegen, die zwar das richtige wollen (und irgendwo sicherlich auch machen), jedoch mit mehr als fragwürdigen Methoden. Doch gerade dieser Aspekt ist es, der exzellent die Lage Brasiliens widerspiegelt, ein Land, indem nicht die Politik oder das Gesetzt herrscht, sondern die Drogenbosse oder jene, die genug Geld für Bestechungen besitzen. Dies macht „Tropa de Elite“ an vielen Beispielen fest. So wendet man sich in den Slums nicht an die Polizei, sondern an die Drogendealer, die das kleinere Übel zu sein scheinen und gegebenenfalls mehr Schutz bieten, als die Polizeikräfte, welche sich nicht einmal in die Drogenhochburgen hinein trauen. Und nicht einmal jene, die offensichtlich wirklich gutes tun, sprich die Mittel- und Oberschicht, deren Vertreter (hier junge Studenten) in den Slums von Rio versuchen mit verschiedenen Projekten zumindest den jüngeren Kindern eine Perspektive zu geben, kommen bei Padilha allzu gut weg. Zwar wollen die gut Betuchten helfen, allerdings nutzen sie ihren Aufenthalt in den Brennpunkten gleichzeitig um bei den Drogendealern Ware zu kaufen. Damit finanzieren sie direkt die Waffen der Verbrecher, verursachen indirekt die mit ihnen durchgeführten Morde, deren Auflösung durch die Polizei eine absolute Seltenheit darstellt. Stattdessen sammelt man die Leichen ein, verschafft sie in ein anderes Distrikt um die eigenen Statistiken zu schönen. Ein Teufelskreis.
„Tropa de Elite“ versucht keine Lösung zu finden oder einem speziellen Personenkreis die Schuld zuzuschieben, er beschränkt sich vielmehr darauf zu beobachten. Die dadurch einsetzende Analyse der sozialen und politischen Probleme kommt hingegen subtil und gänzlich eigenständig daher, ohne das direkte Stellung bezogen wird. Somit erhält der Film einen fast schon dokumentarischen Touch, welcher vor allem durch die authentischen, mit einer (manchmal zu) hektischen Handkamera eingefangenen Bilder und den schwungvollen Schnitten manifestiert wird.
Authentisch ist jedoch nicht nur die oft sehr rohe Inszenierung, sondern auch das Spiel der Darsteller. Wagner Moura („Hinter der Sonne“) als hart durchgreifender Captain Nascimento überzeugt in seiner Rolle als gnadenloser Elitepolizist, der immer mehr an seinem Job zu zehren hat, durchgehend. Schauspieldebütant André Ramiro („Endstation 174„) in der Rolle des ruhigen André Matias, welcher eigentlich Anwalt werden will, sich sein Studium aber mit dem Polizeidienst bezahlt, spielt hingegen, seiner Rolle entsprechend, sehr ruhig und besinnt. Vor allem an ihm macht der Film fest, wie sehr der Beruf den Menschen kaputt machen kann. Anfänglich noch ein Polizist aus tiefster Überzeugung, wendet er selbst irgendwann die von ihm so verhasste Gewalt an, weil er schlichtweg keinen anderen Ausweg mehr sieht. Matias Jugendfreund Neto, von Caio Junqueira („Vier Tage im September“), hingegen ist ein richtiger Hitzkopf und neigt eher dazu hart durchzugreifen, verfolgt aber im Prinzip die gleichen Ideale wie sein Freund.
Gewiss: „Tropa de Elite“ ist sehr hart, besitzt mitunter gar einen kaum von der Hand zu weisenden pro-militärischen Unterton und könnte insofern falsch verstanden werden, das er Gewalt als letzte Instanz propagiert. Sein eigentliches Anliegen, zu zeigen, wie das verseuchte System Brasiliens funktioniert und die gesamte Gesellschaft bestimmt, dürfte einem der Reflexion mächtigen Zuschauer trotzdem nicht entgehen. Eine Sichtigung sollte sich für Interessierte also lohnen.
Daten zum Film:
Tropa de Elite (Brasilien, 2007)
Laufzeit: ca. 115 Minuten
FSK: Keine Jugendfreigabe
Regie: José Padilha
Darsteller: Wagner Moura (Capitão Nascimento),André Ramiro (André Matias), Caio Junqueira (Neto), Milhem Cortaz (Capitão Fábio), Fernanda Machado (Maria), Maria Ribeiro (Rosane), Paulo Vilela (Edu)...
8/10 Punkte
- Redakteur:
- Adrian Trachte