Verdammnis
- Regie:
- Daniel Alfredson
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Schweden / Dänemark / Deutschland
- Originaltitel:
- Flickan som lekte elden
1 Review(s)
22.02.2010 | 13:45Millennium Nr. 2: Mehr Action als Tiefgang
Lisbeth Salander is back! Nachdem die ungewöhnlichste Ermittlerin des europäischen Kinos in "Verblendung" faschistische Frauenmörder jagte, wird sie nun selbst zur Gejagten: Sie soll ihren Vormund sowie weitere Männer getötet haben. Während ein Kommissar sie jagen lässt, ist Mikael Blomqvist von Lisbeths Unschuld überzeugt - und sucht seinerseits die Schuldigen, die offenbar nicht nur die Zwangsprostitution in Schweden fördern. Dabei kommt ihm ein schmerzunempfindlicher Riese in die Quere ...
Ich habe am 2. Februar 2010 die öffentliche Preview in einem Stuttgarter Kino besucht.
Filminfos
O-Titel: Flickan som lekte elden (The Girl who Played with Fire; Dänemark/Deutschland/Schweden 2009)
Filmstart in D: 4.2.2010
Info: http://www.verdammnis-derfilm.de
FSK: ab 16
Länge: ca. 129 min
Regisseur: Daniel Alfredson
Drehbuch: Jonas Frykberg, Ulf Ryberg nach dem Roman von Stieg Larsson
Musik: Jacob Groth
Darsteller: Noomi Rapace (Lisbeth Salander), Michael Nyqvist (Mikael Blomqvist), Peter Andersson (Anwalt Nils Bjurman), Lena Endre u. a.
Handlung
Lisbeth Salander hat es sich im Steuerparadies der karibischen Cayman Islands ein Jahr lang gutgehen lassen, doch nun wird sie unruhig. Denn sie hat per Internet entdeckt, dass sich ihr Ex-Vormund, der fiese Anwalt Nils Bjurman, der sie vergewaltigte, seine Tätowierung entfernen lassen will. Und die hatte sie ihm ja nach seiner brutalen Tat höchstpersönlich auf den Wanst graviert.
Bevor sie ihn besucht, observiert sie Bjurman, denn vielleicht steckt er inzwischen mit anderen Leuten unter einer Decke. Tatsächlich taucht ein weißhaariger Riese bei ihm auf, um ihm etwas zu übergeben. Als sie Bjurmans Telefon abhört, belauscht sie, wie er einen Deal mit den Auftraggebern des Riesen macht: Bevor er ihnen helfen kann, sollen sie ihm die DVD mit dem Video besorgen, das Lisbeth seinerzeit von seiner Vergewaltigung gemacht macht. Diese DVD ist Lisbeths Lebensversicherung. Ohne sie ist sie Freiwild. Der Name "Zala" fällt, doch mit dem kann sie vorerst nichts anfangen.
Als sie Bjurman besucht, warnt sie ihn, das Tattoo entfernen zu lassen. Mit einem klassischen Revolver, den sie in seinem Schreibtisch findet, verlangt sie Auskünfte über ihren Vater, der verschwunden ist. Als sie zwölf Jahre alt war, so erinnert sie sich, übergoss sie ihn in seinem Auto mit Benzin und zündete es an. Starb er daran oder lebt er noch? Ihre Mutter ist inzwischen gestorben - sie kann sie nicht mehr fragen. Aber ein Vormund ist verpflichtet, alle relevanten Unterlagen über sein Mündel aufzuzeichnen. Allerdings ist die Akte unvollständig - wo hat Bjurman den Rest versteckt? Wenige Stunden, nachdem sie ihn verlassen hat, wird Bjurman ermordet. Auf dem Griff des Revolvers entdeckt die Kripo die Fingerabdrücke einer alten Bekannten: Lisbeth.
Unterdessen steht der Journalist Mikael Blomqvist von der Zeitschrift "Millennium", dessen Festplatte sie regelmäßig heimlich kopiert, kurz vor einer brisanten Veröffentlichung: Eine Doktorandin hat einen Ring von Freiern aufgedeckt, der Zwangsprostituierte frequentiert, die wiederum von Unbekannten aus Osteuropa ins Land geschleust werden. Indem er und Dag, der Freund der Doktorandin, die Freier interviewen, wollen sie mehr über die Rädelsführer herausbekommen und sie bloßstellen. Als Lisbeth durch Mikaels Kenntnisse Dag und seine Freundin besuchen will, stößt sie auf zwei Hinrichtungen: Die zwei wussten offenbar zu viel. Die Ermittler stoßen erneut auf die Spur von Lisbeth.
Mikael, der von Lisbeths Unschuld überzeugt ist, entdeckt unterdessen in seinen Freier-Interviews, dass hinter "Zala" ein verdienter Würdenträger steckt, der als ehemaliger Topspion für die schwedische Staatssicherheit arbeitete, ein Mann namens "Zala". Einen solchen Mann, der dem System nützte, zu enttarnen, dürfte schwierig sein. Doch indem er gehörig Druck ausübt, erfährt er, dass Zala, Gunnar Björk und Nils Bjurman alle für diese Sicherheitspolizei arbeiteten und nun durch den Zuhälterring der Zwangsprostitution wieder zusammenarbeiten.
Doch inzwischen haben die Gesuchten Wind von den Ermittlungen gegen sie bekommen. Der weißhaarige Riese ist wieder voll im Einsatz und entführt Lisbeths Freundin Miriam. Mikaels Freund Paolo, ein Boxer, soll sie nach Lisbeth fragen und wird Zeuge von Miriams Entführung. Als der Riese das gefesselte Mädchen foltern will, greift Paolo ein. Doch seine härtesten Kickboxerschläge und -tritte richten nichts aus! Es ist, als wäre der Riese aus Stahl. Während beide bewusstlos sind, steckt der Riese das Lagerhaus, in dem sie liegen, in Brand ...
In Bjurmans Sommerhäuschen findet Lisbeth in einem Geheimversteck die Akte mit den Informationen über ihren Vater: Er ist "Zala". Und als hätte dieser es geahnt, lässt er den Riesen zwei Schläger aussenden, um Bjurmans Hütte abzufackeln. Als sie auf Lisbeth stoßen, glauben sie noch, mit der jungen Frau leichtes Spiel zu haben. Lisbeth Salander belehrt sie schnell eines Besseren ...
Mein Eindruck
Lisbeth muss ihren Vater finden, denn erstens muss sie sich immer noch für seine Misshandlung ihrer Mutter rächen, die daraufhin in der Psychiatrie landete. Und zweitens steckt er hinter den Angriffen auf ihre Freunde und Informanten, deshalb ist sie selbst in höchster Gefahr. Auf der Suche nach ihrem - überhaupt nicht toten - Vater gerät Lisbeth in schwere Gefahr.
~ Finale ~
Dies erkennt auch Mikael und rast ihr hinterher. Wird er noch rechtzeitig kommen? Diese bange Frage bewegte mich, als sich das Finale anbahnte, das dann irgendwo auf dem Land bei Göteborg abläuft. Natürlich hält es auch diesmal, wie schon in "Verblendung", eine Reihe von Überraschungen bereit. Diese darf ich allerdings nicht ausplaudern. Auf jeden Fall kann sich der Zuschauer auf eine ziemlich blutige Auseinandersetzung gefasst machen. Aber das war in "Verblendung" auch nicht anders. Schließlich sind beide Streifen aus gutem Grund erst ab 16 Jahren freigegeben.
~ Voyeurismus, nein danke! ~
Dass das Thema der Zwangsprostitution nur in einer einzigen Szene abgehandelt wird - die junge Hure ist ans Bett gefesselt -, fand ich etwas erstaunlich. Andererseits sind Sexszenen eher etwas für Voyeure, und dies ist alles andere als ein voyeuristischer Film, selbst wenn es für Männer blanke Busen zu bestaunen gibt. Diese optischen Reize werden durch die Betrachtung von Lisbeths Vergewaltigung, die Mikael auf ihrer DVD anschaut, wieder völlig aufgehoben.
~ Frankensteins Monster ~
Die wichtigste Neuerung sorgt im Unterschied zum Vorgänger für eine Menge Action. Der weißhaarige Riese läuft herum wie Frankensteins Kreatur. Da er mindestens ebenso schmerzunempfindlich ist (durch erbliche Analgesie), ist der Riese in der Lage, jeden körperlichen Angriff abzuwehren. Die Boxhiebe Paolos können ihm nichts anhaben, was Paolo nicht gut bekommt. Sogar Lisbeths Taser hält der schweigsame Riese, der im ganzen Film nur einen einzigen Satz sagt, stand, was sie nicht wenig verblüfft - zu ihrem Leidwesen.
Der Riese ist die Verkörperung der Brutalität und Skrupellosigkeit, mit der Zala und sein Netzwerk vorgehen, sei es im Drogenhandel oder in der Zwangsprostitution. Wahrscheinlich hat Zala noch in anderen Branchen seine Finger drin, denn er wird von seinen früheren Vorgesetzten und Mitarbeitern wie Gunnar Björk noch heute gedeckt. Auch aus Angst, selbst sein Opfer zu werden. Die Rolle Gunnar Björks, der einer der von Mikael interviewten Freier ist, war mir zunächst nicht ganz einsichtig. Erst als er auspackte, entstand ein Bild von Zalas Netzwerk.
~ Schwächen ~
Was ich wirklich schade fand, war die fehlende Kooperation zwischen Lisbeth und Mikael, die doch im ersten Film so hervorragend geklappt hatte. Auch eine Ermittlung anhand von sorgfältig zusammengetragenen Details findet nicht statt. Vielmehr scheint sich der Film in körperlichen Konfrontationen zu ergehen, so dass für Seelenforschung weder Platz noch Zeit ist. Aus diesem Grund fand ich "Verblendung" emotional und menschlich wesentlich befriedigender.
Dass auch die Kripo wieder mal völlig borniert daherkommt und sich nur an Beweisen wie Fingerabdrücken aufgeilt, ja, sogar weitergehende Erkenntnisse ausblendet, passt erstens voll ins Klischee, wirkt aber auch ein wenig verdächtig. Steckt etwa Herr Zalachenko hinter dieser einseitig ausgerichteten Ermittlungsstrategie? Möglich wäre dies durchaus, denn Zala zieht immer noch viele Strippen.
Optik, Musik und Schauspieler sind alle sehr ordentlich eingesetzt, so dass man nicht meckern kann. Hier haben die Skandinavier und das Zweite Deutsche Fernsehen ordentlich reingebuttert. Inwiefern sich der Streifen allerdings an die literarische Vorlage hält, kann ich nicht beurteilen, da ich diese nicht gelesen habe. Auch das Hörbuch ist beim Verlag vergriffen. Fies, nicht wahr?
Unterm Strich
Dies ist kein lahmarschiger ZDF-Verschnitt wie neulich Ken Folletts "Eisfieber", der in Zeitlupe abläuft, sondern richtiges Actionkino, wenn auch nicht à la Hollywood, sondern etwas unterkühlt à la Stockholm. Dass Lisbeth Salander gejagt werde, wie die Werbung dräuend tönt, trifft nur zum Teil zu, denn die clevere Lisbeth ist ihren Jägern immer einen Schritt voraus. Und wenn es doch mal zur Konfrontation mit schweren Jungs kommt, hat sie immer noch ihren zuverlässigen Taser zur Hand.
Wie gesagt, erschien mir der Film diesmal zu oberflächlich. Auch solche Details wie jenes, dass Lisbeth ihre Schlüssel an einem Krankenbett verliert, damit Mikael damit in ihre Wohnung gelangen und ihre DVD ansehen kann, wirken wie an den Haaren herbeigezerrt. Wer einen Actionfilm sehen will, ist hier richtig, wird aber ohne Kenntnis von "Verblendung" nur die Hälfte kapieren. Und wer "Verblendung" gesehen hat, der wird die emotionale Tiefe und langsame Entwicklung vermissen. Insgesamt ist "Verdammnis" ein überlanger Cliffhanger vor dem Finale mit "Vergebung", der am 3. Juni bei uns starten soll.
Siehe ergänzend dazu unsere Buchrezensionen auf Buchwurm.info:
"Verblendung"
"Verdammnis"
"Vergebung"
- Redakteur:
- Michael Matzer