Watchmen - Die Wächter
- Regie:
- Zack Snyder
- Jahr:
- 2009
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Watchmen
1 Review(s)
28.02.2009 | 16:58"Dog carcass in alley this morning, tire tread on burst stomach. This city is afraid of me. I have seen its true face. The streets are extended gutters and the gutters are full of blood and when the drains finally scab over, all the vermin will drown. The accumulated filth of all their sex and murder will foam up about their waists and all the whores and politicians will look up and shout "Save us!"... and I'll look down and whisper "No." They hade a choice, all of them. They could have followed in the footsteps of good men like my father or President Truman. Decent men who believed in a day's work for a day's pay. Instead they followed the droppings of lechers and communists and didn't realize that the trail led over a precipice until it was too late. Don't tell me they didn't have a choice. Now the whole world stands on the brink, staring down into bloodly Hell, all those liberals and intellectuals and smooth-talkers... and all of a sudden nobody can think of anything to say.“ (Rorschach)
Die Mutter aller Comics, wird zur Mutter aller Comic-Verfilmungen
„Unverfilmbar.“ „Ein Frevel, solch ein Meisterwerk der Literatur verfilmen zu wollen.“ „Unmöglich.“ - das ist nur ein Auszug aus tausenden Protest-Kommentaren zur "Watchmen“ Verfilmung. Viele namenhafte Regisseure haben sich an dem Projekt versucht: Terry Gilliam ("Twelve Monkeys“, "Fear and loathing in Las Vegas“), der eine fünfstündige Miniserie aus dem Stoff drehen wollte, scheiterte ebenso, wie Darren Aronofsky ("Requiem for a dream", "The Wrestler") und Paul Greengrass ("Bourne Ultimatum"). Letztendlich ist es nun Zack Snyder ("300"), der auf dem Regiestuhl Platz nimmt.
Doch was ist "Watchmen" überhaupt? Comic-Kenner und Literatur-Kritiker sind sich einig, dass Watchmen die beste und wohl auch bedeutendste Graphic Novel (grafische Novelle) überhaupt ist. Mit Preisen überschüttet und in den unterschiedlichsten Magazinen und Feuilletons gefeiert (u.a. Times Magazine, New York Times, Wall Street Journal), zeugt Alan Moores und Dave Gibbons Jahrhundertwerk von der narrativen und künstlerischen Qualität des oftmals belächelten Mediums Comic.
In einer alternativen Realität angesiedelt, dreht sich der Plot um eine Gruppe von Superhelden, die von ihrer Regierung in Rente geschickt wurden. Wir schreiben das Jahr 1985: der Kalte Krieg steuert seinem Höhepunkt – dem Nuklearkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA – entgegen; Ronald Reagan wird zum dritten Mal zum US-Präsidenten gewählt; der „Comedian“ stirbt.
Der Tod des Comedians, Vietnam-Veteran und sadistischer Superheld zugleich, löst eine Kettenreaktion aus, die unweigerlich bis zum Ende der Welt, wie wir sie kennen, führt. Nur ein einziger der früheren Helden, Rorschach, ist noch „im Dienst“ und bekämpft den Abschaum auf den Straßen. Über dem Gesetz stehend, von den Guten und den Bösen gleichermaßen gehasst und von der Polizei gejagt, macht sich der maskierte Vigilant auf, die Todesumstände seines Ex-Mitstreiters und Ex-Watchmen aufzuklären. Rorschach vermutet einen Komplott hinter dem Tod des Comedian, einen Plan, maskierte Helden der Reihe nach auszulöschen. Aus diesem Grund wendet er sich an seine restlichen, ehemaligen Mitstreiter Nite Owl, Silk Spectre, Dr. Manhattan und Ozymandias. Es liegt an ihnen herauszufinden, wer hinter dem Mord steckt und welche Rolle dieser in dem übergeordneten Bild, dem Ende dieser Zivilisation, spielt.
Kenner der Vorlage werden die großen Lücken in diesem kurzen Handlungsabriss füllen können. Allen anderen sollte der Spaß an dem großartigen Plot durch zu viele Infos nicht vorweggenommen werden. Eines sollte man sich aber vor Augen führen: "Watchmen" hat nichts mit "Spider-Man", "Iron Man" und Co. gemein. Man sollte kein Action-Feuerwerk erwarten! Ähnlich wie "The Dark Knight" ist "Watchmen" charakter-getrieben. Die Action ist ein Nebenprodukt und wird nur gelegentlich eingestreut.
Soviel der Vorworte. Die brennende Frage lautet nun: hat Zack Snyder es geschafft, die renommierte und komplexe Vorlage auf die Leinwand zu bringen? Die klare Antwort: Ja! Snyder hält sich größtenteils akribisch an die Vorlage, übernimmt Einstellungen und Dialoge aus der Graphic Novel und überträgt den Plot der Buchvorlage zu großen Teilen unverändert in bewegte Bilder. Wie schon bei seiner Regiearbeit zu "300", bei dem es sich ebenfalls um eine Adaption einer Graphic Novel handelt, nutze er die Originalzeichnungen als Storyboard für seinen Film. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Detailgetreu inszeniert und wunderschön bebildert, ist "Watchmen" eine optische Wucht. Von den Schauplätzen, über die Kulissen, bis hin zu den traumhaften Kostümen (der aufwändige Anzug von Nite Owl, Silk Spectres sexy Outfit) stimmt hier alles.
Schwieriger verhält es sich natürlich mit dem Plot. Wenn schon eine Größe wie Terry Gilliam sich nicht in der Lage sah, die Handlung der über dreihundert Seiten starken Vorlage auf weniger als fünf Stunden herunter zu brechen, kann man sich ausmalen, was in Snyders zweieinhalb Stunden Film von der Vorlage übrig geblieben ist (an dieser Stelle sei angemerkt, dass ein über dreistündiger Directors Cut des Films im Sommer auf DVD und Blu Ray erscheinen wird). Die Fans können aber aufatmen: alle wichtigen und geliebten Szenen der Vorlage sind im Film enthalten. Die Hintergrundgeschichte aller Hauptcharaktere wird erläutert, was ihnen eine enorme Tiefe verleiht. Die bewusst vorgenommenen Änderungen sind geschickt und sollten bis auf eine Ausnahme keinem Kenner der Vorlage sauer aufstoßen (die Gefängnis-Ausbruchszene wurde zum Ende ein wenig unvorteilhaft gekürzt). Auch das lang diskutierte, abgeänderte Ende ist schlüssig und fügt sich gut in die Handlung ein. Der ausgelassene Comic-im-Comic „Tales of the Black Freighter“ erscheint in Kürze als eigenständiger Animationsfilm auf DVD und soll im Final Cut von "Watchmen" re-integriert werden.
Wer die Vorlage nicht kennt, dürfte sich mit dem Tempo und der Handlung schwer tun. Es gibt unzählige Rückblenden, Zeitsprünge und Verweise, die dem Zuschauer einiges abverlangen. Da "Watchmen" charakter-orientiert ist, darf man kein rasantes Tempo erwarten. Den einzelnen Figuren wird Zeit und Raum gegeben und -lassen, sich zu entfalten und zu entwickeln. Diese Herangehensweise muss man in der heutigen Filmwirtschaft ausdrücklich loben. Das Risiko, einen intelligenten Blockbuster in die Kinos zu bringen, der dem Zuschauer etwas abverlangt und Mitdenken erfordert, ist überaus selten geworden. Wer also auf lockere Superhelden-Unterhaltung aus ist, wird von "Watchmen" schwer enttäuscht werden.
Viel mehr wird mit "Watchmen" der Hintergrund des Superheldentums beleuchtet. Was wäre, wenn Superhelden tatsächlich existierten? Wie würden sie sich verhalten? Wie würden sie wahrgenommen und was würden sie denken? Was macht ein Superheld zwischen seinen Einsätzen und was macht er, wenn er nicht mehr gebraucht wird? Sind alle Superhelden strahlende Gutmenschen, oder haben auch sie Abgründe? Das sind die Themen, die angesprochen werden. Man sollte sich auch vor Augen führen, dass die Geschichte nicht nur 1985 spielt, sondern auch in dieser Zeit entstand. Der Vietnam-Krieg und die Ost-West-Problematik waren noch sehr präsent, Gutmenschen versuchten der Öffentlichkeit ihre Sicht der Dinge zu verkaufen und versprachen ihnen die Erlösung. Es ist diese Parallele zwischen den damaligen Politikern und Entscheidungsträgern und den mächtigen Helden der fiktiven Geschichte, die "Watchmen" auszudrücken versucht. Helden werden rekonstruiert.
Es ist erstaunlich, wie gut die komplexe und tiefgründige Handlung der Vorlage in dem engen Korsett des Films funktioniert. Noch erstaunlicher ist aber, dass sich die Macher getraut haben, alle grafischen Spitzen der Vorlage in den Film zu integrieren. Abgetrennte Gliedmaßen, zerplatzende Körper und nackte Tatsachen (ja, Dr. Manhattan ist komplett nackt und komplett bestückt) sind zu sehen und tragen viel zur realistischen Note des Films bei. Keine Eingeständnisse an die Filmfreigaben-Behörde, keine Kompromisse. Aus dieser Gedankenhaltung heraus wurde auch die damals sehr kontrovers diskutierte Sexszene zwischen Nite Owl und Silk Spectre (die nebenbei essenziell für die Chrakterentwicklung der beiden ist!) im Film belassen. Ästhetisch, sinnlich und in allen Belangen perfekt inszeniert, ist diese Szene wahrscheinlich die beste ihrer Art in dieser Gattung Film! Und auch die überaus kontroverse Erschießung einer schwangeren Frau, welche die moralischen Abgründe der Superhelden ausdrückt, gibt es zu sehen.
Das Lob hört hier aber nicht auf. Neben dem originalgetreuen Plot und der grandiosen Optik, besticht auch der Ton des Streifens. In der Graphic Novel wurden am Ende jedes Kapitels Künstler wie Bob Dylan und Elvis Costello zitiert und selbige sind auch im Film zuhören. Absolut großartig eingesetzt ist Leonard Cohens 'Hallelujah' – ein audio-visueller Hochgenuss! Und auch der eigentliche Score von Tyler Bates gehört zum Besten, was es in Sci-Fi-Filmen bisher zu hören gab.
Bleibt noch eine kurze Einschätzung der Darsteller. Patrick Wilson ("Hard Candy", "Little Children") als Nite Owl, und Jackie Earle Haley ("Little Children") als Rorschach stechen hervor und liefern grandiose Leistungen. Besonders letzterer sorgt mit seiner rauen Stimme (unbedingt im Original genießen!) während seiner Journal-Einträge für Gänsehaut. Neben den beiden spielt Billy Crudup ("Big Fish") mit vollstem Körpereinsatz. Er porträtiert das Überwesen Dr. Manhattan mit der nötigen Kühle und Distanz und bringt den blauen „Gott“ ansprechend auf die Leinwand. Ansehnlich gestaltet sich auch das Spiel von Malin Akerman, der Darstellerin von Silk Spectre. Ohne große Glanzpunkte, aber mit vollem Einsatz gibt es nicht viel an ihrem Spiel auszusetzen.
Fazit
"Watchmen" ist für Fans ein wahrgewordener Traum. Von der Handlung, über die Optik, bis zur Akustik stimmt hier einfach alles. Nahezu kompromisslos, bringt Snyder alle Stärken der Graphic Novel Vorlage auf die große Leinwand und zeigt, dass Superheldenfilme mehr Anspruch und Substanz haben können, als das übliche Zack-lach-Boom-Bang der anderen Genrevertreter. Der Film schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Chris Nolans "The Dark Knight", geht in seinem Anspruch das Superheldentum soziologisch zu hinterfragen aber wesentlich weiter. Das macht "Watchmen" aber nicht sonderlich zugänglich, weshalb der große kommerzielle Erfolg bei uns ausbleiben dürfte. Deutschland dürfte nicht bereit sein, einen Superhelden-Arthouse-Film anzunehmen. Mitdenken und gefordert werden ist nicht das, was sich deutsche Filmfreunde von einem Superheldenfilm versprechen. Filmkunst-Freunde wiederum dürften Superhelden-Filme meiden. Ein Dilemma, das sich in dieser Dramatik hoffentlich nicht an den Kinokassen niederschlagen wird. Dafür ist "Watchmen" einfach zu gut. 158 Minuten intelligente, fordernde Unterhaltung, an der Superheldenfilme in Zukunft gemessen werden. Die Mutter aller Comics, wurde zur Mutter aller Comic-Verfilmungen.
Kinostart: 05. März 2009
http://www.watchmenmovie.co.uk/intl/de/
- Redakteur:
- Martin Przegendza