Wege zum Ruhm
- Regie:
- Stanley Kubrick
- Jahr:
- 1957
- Genre:
- Kriegsfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Paths of Glory
1 Review(s)
14.09.2010 | 11:44Anti-Kriegsfilme haben vor allem in der heutigen Zeit das Problem, das man ihnen immer seltener die Kritik an dieser unmenschlichen, nur Opfer kennenden, Maschinerie abnimmt. Dies mag vor allem, aber natürlich nicht nur, an den Inszenierungsstil vieler Filme liegen, die ihr Hauptaugenmerk immer mehr auf brutale Gemetzel und heroisch wirkende Schlachten legen. Sicherlich – die grundlegende Grausamkeit des Krieges, an der niemand mit einem gesunden Menschenverstand zweifeln sollte, wird so grafisch und meist auch ungeschönt grausam dargestellt, doch wenn man nach dem Abspann mit einem Gefühl der Euphorie und bitteren Faszination zurückgelassen wird aufgrund der zuvor gesehenen "Action", dann ist der Anspruch, den ein Anti-Kriegsfilm haben sollte, doch vollkommen fehlgeleitet. Auch Stanley Kubrick hat sich mehrmals dem Thema der Anti-Kriegsfilme gewidmet, wobei "Full Metal Jacket" (1987) sowie "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" (1964) die beiden bekanntesten Werke des Regisseurs auf diesem Gebiet sein dürften. Sein früher Film "Wege zum Ruhm" (1957) hingegen ist irgendwie immer ein bisschen untergegangen, sobald man auf das Schaffen des Amerikaners zurückgeschaut hat. Vollkommen zu unrecht. Natürlich auch bedingt durch seine Entstehungszeit Ende der 50er Jahre, in der man noch nicht über das technische Know-how der heutigen Zeit verfügte, liefert Kubrick den Beweis dafür ab, dass Anti-Kriegsfilme auch dann, oder besser gesagt, vor allem dann kritisch sein können, wenn sie nur wenig auf dem eigentlichen Schlachtfeld spielen.
1916 tobt der Erste Weltkrieg Mitten in Europa und fordert täglich hunderte Menschenleben. An der französisch-schweizerischen Grenze ist der Kampf zwischen Franzosen und Deutschen schon seit Monaten zum Erliegen gekommen und hat sich in den so gefürchteten Stellungskrieg verwandelt. Um daheim ein gutes Bild von den Kämpfen der französischen Truppen liefern zu können, entschließt sich die militärische Führung unter dem Kommando von General Broulard (Adolphe Menjou), die Höhe 19 der Deutschen zu stürmen und einzunehmen. Ein aussichtsloser Kampf, wie der mit der Mission beauftragte General Mireau (George Macready) findet und daher zögert, seine Einwilligung zu erteilen. Als Broulard ihn jedoch mit einer Beförderung lockt, willigt Mireau schnell ein. An der Front übergibt er schließlich den Befehl an Colonel Dax (Kirk Douglas). Auch dieser hat, wie Mireau noch zuvor, Bedenken gegenüber dem Erfolg der Mission und stellt sie gar allgemein infrage. Doch Mireau besteht auf dem Marsch, wohl wissend, dass der Sturm auf die Höhe 19 aussichtslos ist.
Am darauf folgenden Tag kommt es schließlich zur Katastrophe. Hunderte französischer Soldaten erliegen dem deutschen MG-Feuer, der große Rest kommt nicht einmal aus seinen Schützengräben heraus. Die Operation ist gescheitert. Mireau, welcher sogar das Artillerie-Feuer auf die eigenen Truppen lenken wollte, um sie aus den Gräben zu bewegen, ist über diese Tatsache alles andere als erfreut und befiehlt die Exekution mehrerer Soldaten. Ursprünglich sollten es es mehrere hundert werden, am Ende entscheidet man sich für drei. Corporal Paris (Ralph Meeker) aus persönlichen Gründen eines Leutnanten sowie die Soldaten Ferol (Timothy Carey), weil er sich in der Armee nicht angemessen verhält, und Arnaud (Joe Turkel), der ein Los gezogen hat. Offiziell lautet die Anklage auf "Feigheit vor dem Feind", in Wirklichkeit steckt jedoch ein gewolltes Exempel und eine Warnung an die anderen Soldaten hinter der geplanten Erschießung der drei Männer. Colonel Dax, der sie zuvor noch in die Schlacht zerren musste, übernimmt in dem Schauprozess nun die Verteidigung. Doch außer ihm ist niemand daran interessiert, die Leben der drei Angeklagten zu verschonen ...
"There are times when I am ashamed to be a member of the human race and this is one such occasion ... I protest against being prevented from introducing evidence that I consider vital to the defense, the prosecution presented no witnesses, there has never been a written indictment of charges made against the defendants, and lastly, I protest against the fact that no stenographic record of this trial has been kept. The attack yesterday morning was no stain on the honor of France, but this court-martial is such a stain ... Gentlemen of the court, to find these men guilty will be a crime to haunt each of you to the day you die. I can't believe that the noblest impulse in man, his compassion for another, can be completely dead here. Therefore, I humbly beg you to show mercy to these men"
- Colonel Dax -
Es gibt nur wenige Filme, denen es so packend gelingt, die ungeschönte Wahrheit über den Krieg und das handelnde Militär auf den Tisch zu legen, wie es "Wege zum Ruhm" macht. Dieser Umstand hat Kubrick seit den Dreharbeiten zu seinem siebten Film begleitet. Erst zwang die US-amerikanische Zensur den Regisseur dazu, in Deutschland zu drehen, dann wurden Aufführungen in der Schweiz und im französischen Sektor von Westberlin verboten. In Frankreich selbst hat man den Film gar als offene Beleidigung angesehen und den Vertrieb bis in die Mitte der 70er Jahre unterbunden. Reaktionen, welche die Wirkungskraft von "Wege zum Ruhm" deutlich unterstreichen.
Denn mit einem Budget von gerade einmal 900.000 Dollar ist es Kubrick gelungen, 90 Minuten hochspannender Filmkunst zu schaffen, in welcher er die pure Absurdität des Verhaltens der Militärs und des Krieges allgemein anprangert. Dabei ist es nicht einmal das typisch amerikanische Feindbild von Deutschland oder der Sowjetunion, welches seine Soldaten in den sinnlosen Krieg schickt, damit Offiziere zu "Ruhm" bekommen. Nein, es ist ausgerechnet eine der westlichen Siegermächte, Frankreich, die im Zentrum von Kubricks Kritik steht und somit natürlich auch frei auf andere Kriegsmächte übertragen werden darf. Kubricks Kritik setzt vor allem an den hochrangigen Offizieren und Kriegsführern an, die jeglichen Bezug zur Realität auf dem Schlachtfeld verloren haben und mit Miniaturnachbauten der Kampfschauplätze Krieg spielen, indem sie ihre Soldaten wie Schachfiguren bewegen. Die Perversität dieses Verhaltens wird bereits in jener Szene überdeutlich, in der Mireau Colonel Dax den Befehl zum Sturm auf die Höhe 19 erteilt. Mireau denkt längst nicht mehr in Menschen, sondern in Prozentzahlen, und kalkuliert mit reinem Gewissen die sicheren Verluste auf der eigenen Seite. Als ihn Dax fragt, ob der Angriff wirklich nötig sei, umgeht Mireau die Frage. Ihm ist selbst bewusst, das der Sturm auf das Ziel reinem Selbstmord gleichkommt. Doch um sein Ziel zu erreichen, die militärische Beförderung, die ihm winkt, ist er bereit, hunderte Männer in den Tod zu schicken.
"Patriotism ... is the last refuge of a scoundrel"
- Colonel Dax -
Was folgt, ist eine schonungslose Abrechnung mit der gesamten Militärmaschinerie, welche lediglich bedacht darauf ist, wenigen Männern zum Ruhm zu verhelfen und den großen Rest umkommen zu lassen. Das ist die Realität des Krieges, vor allem die des Ersten. Es ging nicht darum, ein menschenverachtendes Regime zum Sturz zu bringen, sondern lediglich darum, den verletzten Stolz und die Machtgier einiger wenige zu befriedigen, die somit jedoch die Weichen für die wirkliche Katastrophe des 20. Jahrhunderts gestellt haben. Es ist dieses sinnlose Verhalten, welches Kubrick punktgenau analysiert und vollkommen zu Recht infrage stellt.
"Wege zum Ruhm" entwickelt mit der Zeit eine ungeheure Kraft und Emotionalität, ohne jemals kitschig zu wirken, die, bis auf wenige Ausnahmen, ihresgleichen in diesem Genre sucht. Inszenatorisch sicherlich noch nicht ganz lupenrein, wird der hohe Anspruch von Stanley Kubrick an seine Filme jedoch bereits überdeutlich. Vor allem die frühe Schlachtszene, die einzige im ganzen Film, legt von dieser Tatsache Zeugnis ab. Denn besagte Szene wirkt selbst für heutige Verhältnisse noch erschreckend real und schafft es, eine unangenehme, geradezu beklemmende Stimmung beim Betrachter zu verursachen. Etwas, das, wie ich eingangs bereits erwähnte, heutige Anti-Kriegsfilme nur noch selten hinbekommen.
Hinzu kommt die fabelhafte Federführung der Rahmenhandlung, die im Übrigen auf einem gleichnamigen Tatsachenroman von Humphrey Cobb basiert. Die Stärke, die Kubrick als Geschichtenerzähler besitzt, wird vor allem in der zweiten Hälfte deutlich, in der die drei wegen Feigheit vor dem Feind angeklagten Soldaten sterben sollen. Der Einzige, der wirkliche Menschlichkeit an den Tag legt und dem es nicht um seinen eigenen Status geht, ist der von Kirk Douglas ("Spartacus", "Dr. Jekyll und Mr. Hyde", "20.000 Meilen unter dem Meer") verkörperte Colonel Dax. Douglas, hier zweifelsohne in einer seiner herausragendsten Rollen, spielt seine Figur tadellos und mit sehr viel Verstand. Ihm quasi gegenüber gesellen sich ein fast schon diabolischer George Macready ("Der eiserne Handschuh", "Tora! Tora! Tora!") als General Mireau und Adolphe Menjou ("Der beste Mann", "Ein Mann auf dem Drahtseil") als skrupelloser General Broulard. Ralph Meeker ("Der Anderson-Clan", "Das dreckige Dutzend") fügt sich als einer jener drei Soldaten, die exemplarisch hingerichtet werden sollen, in die Riege der eindrucksvoll auftrumpfenden Akteure ein und hinterlässt neben Douglas den größten Eindruck.
Fazit
Mit gerade einmal 29 Jahren schuf Kubrick mit "Wege zum Ruhm" ein zeitloses Meisterwerk, welches seine Bedeutung bis zum heutigen Tage nicht verloren hat, sondern im Gegenteil noch sehr viel wichtiger geworden ist. Inszenatorisch merkt man bereits den strengen Anspruch der Perfektionierung Kubricks, darstellerisch ist das Werk zudem noch hervorragend besetzt und zeigt einen Kirk Douglas, wie er selten gespielt hat. Ganz klares Standardwerk für jeden Cineasten.
Daten
Original- Filmtitel: Paths of Glory (1957)
Länge des Filmes: ca. 87 Minuten
Darsteller:
Kirk Douglas: Col. Dax
Ralph Meeker: Cpl. Philippe Paris
Adolphe Menjou: Gen. George Broulard
George Macready: Gen. Paul Mireau
Wayne Morris: Lt. Roget / Singing man
Richard Anderson: Maj. Saint-Auban
Joe Turkel: Pvt. Pierre Arnaud
Regisseur: Stanley Kubrick
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
- Redakteur:
- Adrian Trachte