Ziemlich beste Freunde
- Regie:
- Olivier Nakache, Eric Toledano
- Jahr:
- 2011
- Genre:
- Drama
- Land:
- Frankreich
- Originaltitel:
- Intouchables
1 Review(s)
19.09.2012 | 17:21Inhalt:
Der dunkelhäutige Driss führt ein Leben auf Abwegen; kein Job, eine kriminelle Vergangenheit, eine bedauernswerte Familiengeschichte und zuletzt auch noch der Verweis aus dem Haus der Adoptivmutter. Pflichtbewusst ist er dennoch bemüht, seine Dokumente für das Arbeitsamt unterschreiben zu lassen und meldet sich unter einem Vorwand für einen Pflegejob beim querschnittsgelähmten, jedoch unglaublichen reiche Philipe. Dieser ist bereit, Driss die nötige Unterschrift zu leisten, bietet ihm jedoch trotz weitaus erfahrener Konkurrenz auch den Job in seinem Haus an - im Glauben, der Farbige wird die zweiwöchige Probezeit auf keinen Fall überstehen.
Doch Driss wächst von Tag zu Tag besser in seine neue Rolle hinein, nimmt die kulturellen Eigenheiten seines Bosses mit wachsender Toleranz in Kauf und kann sich auch gegen den internen Widerstand in Philipes Beschäftigtenvereinigung durchsetzen. Bevor er sich versieht, hat Philipe in seinem neuen Lebensbegleiter einen treuen Freund gefunden, an dem er besonders schätzt, dass dieser seine raue Art beibehält und nicht in die üblichen Mitleidsschemen verfällt. Doch der wohlhabende Pariser muss bald erkennen, dass Driss' Vergangenheit ihn immer noch verfolgt, und sieht sich gezwungen, ihn zurück in sein Privatleben zu entlassen. Doch für Philipe beginnt danach die wohl schlimmste Zeit seines Lebens, da ihm jetzt nicht nur der Körper, sondern auch noch die gute Seele an seiner Seite genommen wurde...
Persönlicher Eindruck:
"Ziemlich beste Freunde" war die Überraschung des laufenden Kinojahres und gleichzeitig einer der erfolgreichsten Streifen, die das französische Kino überhaupt veröffentlicht hat. Die Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht und sicherlich auch gerade deshalb so rührselig erscheint, vereint ganz viele dramaturgische Elemente in einer knapp zweistündigen Produktion, die von traurigen Szenen bis hin zu unwiderstehlichen Lachern alles auffahren kann, was ein bizarres Drama anbieten sollte - und darüber hinaus hat der Film noch so viele andere bezaubernde Seiten, dass man wohl kaum beruhigt einschlafen könnte, wenn man weiß, was man hier verpassen kann.
Dabei lösen sich die beiden Regisseure Olivier Nakache und Eric Toledano stellenweise recht stark von der Originalvorlage, der Biografie des einstigen Champagnerherstellers Philipe de Pozzo di Borgo, der nach einem Absturz beim Paragliding von der Halswirbelsäule abwärts gelähmt ist. Insbesondere der konkrete Lebensweg sowie die Reisefreude der beiden Protagonisten wird hier nicht so stark betont, sondern vielmehr der Wert der Freundschaft dieser beiden außergewöhnlichen, völlig verschiedenen Menschen in den Vordergrund gestellt. Allerdings verschwenden die beiden Regieleute keinen einzigen Gedanken daran, lediglich auf die Tränendrüse zu drücken oder den Streifen gleich direkt im Pathos zu ersticken. Viel lieber bewahren sich Nakache und Toledano die Authentizität, gegeben durch einige sehr natürlich anmutende Darsteller, aber auch durch Schauplätze, die jederzeit sehr nahbar sind und sich nicht des Zweckes Willen zu sehr abheben.
Wenn Driss und Philipe in einem stillen Café über die Brieffreundin des Erkrankten reden, bei einem nächtlichen Spaziergang über das Leben philosophieren oder aber in teils intimen Gesprächen immer noch den notwendigen Sinn für den ihnen eigenen Humor aufbringen, bekommt man immer wieder den Eindruck, mitten im Geschehen zu stehen und die Gedanken der beiden Hauptdarsteller regelrecht greifen zu können. Und dies alles wird mit so viel Menschlichkeit, so glaubwürdig und dennoch mit einem geschickten Verständnis für so manchen cineastischen Kniff inszeniert, dass sich die eigene Gefühlswelt nicht mehr sicher sein soll, welche Emotionen sie nun verspüren soll. Von Traurigkeit über Betroffenheit bis hin zum schlichten Wunsch, einfach vor Freude drauflos zu prusten ist schließlich alles mit an Bord - und auch das ist ein Merkmal, welches "Ziemlich beste Freunde" so einzigartig erscheinen lässt bzw. welches so stark ausgeprägt selten zuvor in ein Drehbuch gepackt wurde.
Dies alles hätte jedoch nicht die fantastische Wirkung hinterlassen, wenn man nicht mit den richtigen Leuten zusammengearbeitet hätte, und damit sind nicht bloß die hervorragenden Philipe- und Driss-Mimen Francois Cluzet und Omar Sy, sondern auch Nebendarsteller wie Anne Le Ny in der Rolle der durchtriebenen Haushälterin Yvonne bzw. Audrey Fleurot als widerspenstige Schönheit Magalie. Es ist die Hingabe, mit der selbst die vermeintlich unscheinbaren Charaktere ihre Parts übernehmen, die nicht nur überzeugt, sondern immer wieder aufs Neue erstaunt. Am Ende sind genau dies die Faktoren, die ein geschmackvoll gemaltes Puzzle ineinander greifen lassen und in jeder einzelnen Sekunden des Filmes die Berechtigung für den gewaltigen, durchschlagenden Erfolg einholen, den "Ziemlich beste Freunde" nun auch bei der Herausgabe der DVD bzw. der Blu-ray feiert. Letztere sind nun in verschiedenen Editionen endlich auf den Markt gekommen und verwöhnen das Publikum besonders in den Limitied Editions mit einigen richtig sehenswerten Extras.
Die zur Rezension vorliegende Blu-ray im Doppel-Disc-Set gefällt vor allem durch die große Masse an Bonusmaterial auf dem zweiten Silberling. Ein ziemlich intensives Making Of, welches die Hintergründe und die cineastische Nachbildung verschmelzen lässt, macht hier den Hauptpart aus. Dazu gibt es ausführliche Audiokommentare von beiden Regisseuren sowie den Hauptdarstellern, noch diverse Szenen, die dem Schnitt zum Opfer gefallen sind, und noch einmal separat abrufbare Interviews mit den entscheidenden Beteiligten.Als Letztes wird der Background ein weiteres Mal aufgegriffen und in einer kaum minder Herz erwärmenden Dokumentation ein weiteres Mal beleuchtet - eine Seltenheit, dass auch die Extra-Menüs so viele bewegende Momente beherbergen, weshalb die Empfehlung, dringend eine der Luxusfassungen des Films abzugreifen, schnell ausgesprochen ist.
Zur allgemeinen Aufbereitung der Scheiben sei gesagt, dass hier vor allem die klangliche Präsentation den allergrößten Ansprüchen genügt. Die musikalische Untermalung ist ohnehin schon ein bedeutsames Element in der Inszenierung, wird hier aber noch einmal so facettenreich und differenziert in den Fokus gerückt, dass man den Mund vor Staunen nicht mehr schließen mag. Rein optisch ist "Ziemlich beste Freunde" in der Blu-ray-Variante ebenfalls eine Augenweide, wobei es speziell die gestochen scharfen Nachtaufnahmen der Schauspieler sind, die eine individuelle Teilhabe an der Produktion nicht nur suggerieren, sondern sie wirklich spürbar gestalten. Sehr, sehr intensiv, was hier geschieht.
Fazit:
Es macht in diesem Fall wirklich Sinn, mit Superlativen um sich zu schmeißen, weil "Ziemlich beste Freunde" mit vergleichsweise profanen Mitteln all das erreicht, was mindestens 99% der aufgeblasenen Hollywood-Blockbuster auch mit finanzstarkem Backing nie erreichen werden: Nämlich Glaubwürdigkeit, Emotionalität und Unterhaltung zu einem packenden Dreigestirn zu bündeln, dessen Einfluss auch Wochen später immer noch nicht verschwunden ist. Ergo: "Ziemlich beste Freunde" ist DER Film 2012!
Filmdaten:
Darsteller: Francois Cluzet, Omar Sy, Audrey Fleurot, Anne Le Ny
Regisseure: Olivier Nakache, Eric Toledano
Format: Blu-ray / Special Edition
Sprache: Deutsch (DTS-HD 5.1), Französisch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Deutsch, Französisch
Region: Region B/2
Bildseitenformat: 16:9 - 1.85:1
Anzahl Disks: 2
FSK: Freigegeben ab 6 Jahren
Studio: Senator Home Entertainment (Vertrieb: Universum Film)
Erscheinungstermin: 7. September 2012
Produktionsjahr: 2011
Spieldauer: 215 Minuten
Bonusmaterial
- Audiokommentar mit den Regisseuren und den Hauptdarstellern (Optional mit Picture-in-Picture-Funktion)
- Making of
- Deleted Scenes
- Interviews
- Ausführliche Dokumentation über die reale Hintergrundgeschichte und die Entstehung des Films
- 24-seitiges Booklet
- Redakteur:
- Björn Backes