Zu scharf, um wahr zu sein
- Regie:
- Jim Field Smith
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Komödie
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- She's out of my league
1 Review(s)
21.04.2010 | 23:02Help! She’s a perfect ten!
Kirk ist ein ganz durchschnittlicher Typ, der auf dem Flughafen an der Sicherheitsschleuse arbeitet und auch sonst ein unterentwickeltes Selbstbewusstsein aufweist. Deshalb kann er sein Glück nicht fassen, als eine superscharfe und auch noch erfolgreiche Braut namens Molly auf ihn steht! Auch seine Freunde, seine Prolo-Familie und seine Ex Marnie können es nicht glauben. Das muss garantiert schiefgehen.
Um so mehr will er ihnen beweisen, dass er diese Wahnsinnsbraut halten kann… obwohl er andererseits der erste ist, der zugibt, dass die blonde, blauäugige Anwältin zu scharf ist, um wahr zu sein. Aber ist sie wirklich eine Nummer zu groß für ihn – oder wird die Liebe einen Weg finden, die beiden ungleichen Liebenden zusammen zu bringen?
Filminfos
O-Titel: She's out of my league (USA 2010)
Dt. Kinostart: 29.4.2010
Dt. Vertrieb: Paramount
FSK: ab 12
Länge: ca. 104 Min.
Regisseur: Jim Field Smith (Engländer, dies ist sein Debüt)
Drehbuch: Sean Anders & John Morris
Musik: Michael Andrews („Donnie Darko“, mit der Coverversion von „Mad World“)
Musikberatung: Deva Anderson
Darsteller: Jay Baruchel (aus „Tropic Thunder“ als Kirk), Alice Eve (in „Sex and the City 2“, als Molly), Mike Vogel (aus “Poseidon” und “Cloverfield”, als Jack), Krysten Ritter (aus “27 Dresses”, als Patty), Geoff Stults (aus “Die Hochzeitscrasher”, als Cam) und Lindsay Sloane (aus “Zufällig verheiratet”, als Marnie) u.a.
Mehr Infos unter: www.zuscharfumwahrzusein.de
Handlung
Der Mittzwanziger Kirk Kettner (Jay Baruchel aus „Tropic Thunder“) arbeitet als Sicherheitsbeamter am Flughafen von Pittsburgh, Pennsylvania - nicht gerade der Nabel der Welt. In seiner Freizeit hängt er mit seinen alten Schulfreunden bzw. Arbeitskollegen Jack (Mike Vogel), Stainer (T.J. Miller) und Devon (Nate Torrence) ab und hofft, wieder mit seiner alten Flamme Marnie (Lindsay Sloane) zusammenzukommen, die längst ausgezogen ist. Vergeblich träumt er davon, einmal ein Pilot zu werden oder irgend etwas Besonderes. Doch sein Leben nimmt eine unverhoffte Wendung, als die Anwältin Molly nicht bei seiner Sperre durch die Personenkontrolle gehen soll und er sie vor einem zudringlichen Kollegen rettet. Als sie ihr iPhone vergisst, soll er es ihr bringen. Kirk gerät in eine andere Welt.
|Was für eine Braut!|
Molly ist blond, blauäugig, klug, weltgewandt – alles, was Kirk nicht ist. Sie lächelt gewinnend und hat eine atemberaubende Figur, findet er. Als er ihr das iPhone zurückbringt – in einer Andy-Warhol-Galerie-Vernissage – dankt sie ihm, indem sie ihn und seinen Freund Stainer zum Eishockey-Match einlädt. Der Besuch dieses Spiels wird ein voller Erfolg und beide geben sich völlig natürlich. Während Stainer und Molly Freundin Patty herausfinden, das sie sich von Herzen hassen. Aber Patty steckt Kirk, dass Molly auf ihn steht. Warum bloß, wundert er sich, der Trottel.
|Kannix werden!|
Auch seine Familie fällt vom Hocker, als Molly erzählt, dass sie keine Unterwäsche trägt (adieu, Tabu!) und bei einem Prozess 50.000 Dollar kassiert. Auf einmal sieht auch Marnie ihre Felle davonschwimmen und versucht, Kirk zurückzugewinnen, der an Molly offensichtlich einen Narren gefressen hat. Sie hat keine Chance – vorerst. Sicherheitshalber trägt sie jetzt auch keine Unterwäsche mehr und weiß dies auch allen Anwesenden kundzutun…
|Sie hat ein Geheimnis!|
Beim ersten Abendessen, zu dem Molly Kirk einlädt, wird er für einen der Kellner gehalten und nimmt Bestellungen entgegen. Es stellt sich heraus, dass sie ebenfalls eine Vergangenheit hat: einen Kampfpiloten mit dem seltsamen Vornamen Cam („wie Camera?“, fragt Kirk) . Cam warnt Kirk sehr viel später davor, dass seine „perfect ten“ nicht so „perfect“ ist, wie sie scheint: „Sie hat einen kleinen Defekt.“ Kirk fragt sich verwundert, was das wohl sein könnte. Hat seine Traumfrau ein Ringelschwänzchen, oder was?
|Das Mega-Malheur|
Trotzdem steht Kirk zu seiner Molly. Jedenfalls bis zu jenem Abend, der so wunderschön mit Petting beginnt, zu einem vorzeitigen Samenerguss führt und durch den unerwarteten Besuch von Mollys Eltern in einem völligen Desaster endet. Kirk ergreift das Hasenpanier, was Molly wirklich an ihm zweifeln lässt. Nun ist guter Rat teuer, auch der Rat seiner guten Freunde, die sich allerlei einfallen lassen. Doch letzten Endes ist es an Kirk, seiner Traumfrau zu erklären, was eigentlich vorgefallen ist – und sie um Verzeihung zu bitten.
Aber das Leben hält noch mehrere Hindernisse für Kirk und Molly bereit, und nicht alle heißen Cam oder Marnie…
Mein Eindruck
„Boy meets girl“ – das alte Thema wird auch hier wieder variiert, allerdings auf eine doppelbödige Weise. An der Oberfläche präsentieren der Film und vor allem seine Darsteller jede Menge Unterhaltung, ziemlich viel Sprachwitz, schonungslose Offenheit und jede Menge Komik. Man lacht, weil es sonst wehtäte. Und so hat Komik schon immer funktioniert. Hinzukommen die unübersehbaren weiblichen Reize der Hauptdarstellerin und das wirklich talentierte Spiel von Hauptdarsteller Jay Baruchel, der in dieser Hinsicht die Nase vor hat.
|Inhärente Kritik|
Unter der gelackten Oberfläche verbirgt sich aber die Kritik an einigen sehr amerikanischen Denk- und Verhaltensmustern. (Ob die allerdings rein amerikanisch sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.) Da ist beispielsweise das Klassendenken: Die Highsociety-Schnecke Molly gerät in das Leben der braven Mittelschichtfamilie Kettner, deren höchstes Vergnügen offenbar im Keller-Training für Eishockey besteht. Wenn nicht gerade der Trip in einen Freizeitpark auf dem Programm steht. Schockiertes Schweigen breitet sich aus, als Molly strahlend verkündet, sie trage keine Unterwäsche – wie verrucht! – und könne daher nicht wie die anderen in den Familienpool hüpfen. Nuditäten wären natürlich völlig undenkbar!
|Gesellschaftsspiele|
Im Freundeskreis Kirks wird ein weiteres beliebtes US-Spiel betrieben: Benotungen (auf Denglisch „Ratings“ genannt). Man kommt sich vor wie auf einer Castingshow fürs Leben, als Kirk sich höchstens eine Fünf von zehn möglichen Punkten gibt – na ja, vielleicht eine Fünf plus. Molly hingegen bekommt selbstredend eine Zehn plus – dazwischen liegen also Welten. Können diese Welten jemals zusammenkommen? Kirks Freunde, Familie, die Ex und alle anderen bezweifeln das schwer.
|Romeo und Julia|
Andererseits sind Kirk und Molly auch nicht gerade Romeo und Julia. Dieser Romeo hat so viele Selbstzweifel, das es für eine Gruppentherapie reicht. Molly ist aber auch nicht Julie, denn sonst würde sie ihn nicht selbstbewußt einladen und ihre Eltern anlügen. Es kommt daher, wie es kommen muss. Kurz vor dem Finale, also im kritischen vierten Akt, werfen sich die beiden, statt miteinander ins Bett zu gehen, alle unschönen Wahrheiten an den Kopf. Poor little rich girl.
|Die Rettung?|
Deshalb muss der fünfte Akt die rettende Wende bringen. Doch wie nur, wie? Freund Stainer weiß plötzlich in einem Moment der Epiphanie, dass Molly und Kirk füreinander bestimmt sind. Reichlich spät, denke ich mal. Aber wenigstens unternimmt er als Sicherheitsbeamter des Flughafen alles in seiner Macht Stehende, um Kirk aus dem Familienflieger zu holen und von Marnie loszueisen. Doch Kirk zu früh und zeigt allen Lieben den Stinkefinger – nur um dann doch wieder auf seinen Platz gezwungen zu werden.
Bis endlich Stainer den rettenden Dreh findet, um Molly auf den Flughafen zu bringen und Kirk aus dem Flieger zu holen… Ein turbulente Actionsequenz, wie man sie auf einem gewöhnlichen US-Flughafen noch selten gesehen hat. Schließlich geht dort alles stets streng geordnet zu, wie ich aus eigener Erfahrung weiß!
|Explizite Sprache|
Im englischsprachigen Original, das ich vorab gezeigt bekam, werfen sich die vier Freunde nette Unfreundlichkeiten in ungewohnter Offenheit an den Kopf. Wörter wie „Vagina“ und sämtliche Umschreibungen für „Penis“ oder „Schlampe“ fallen in schöner Reihenfolge. Bin gespannt, wie die deutsche Synchronisation dies herüberbringt. Ich würde den Film deshalb erst ab 12 Jahren freigeben.
|Schwulitäten|
Cam Armstrong, Mollys Verflossener, ist ein knackiger Kampfpilot vom Kaliber „Top Gun“. Auf seiner Maschine steht „Foot Long“, was ausdrückt, dass sein Schwanz einen Fuß (ca. 33 cm) lang sei, also ein Mordsgerät. Daher trifft es den konservativen Zuschauer (wie natürlich beabsichtigt) wie ein Schlag ins Gesicht, als Cam Kirk wie einen warmen Bruder im Geiste umarmt und sich so als Schwuler outet. Das ist aber im neuen Amerika von Barack Obama völlig politisch korrekt.
Unter „Schwulitäten“ fällt vielleicht eine Intimrasur, die Kirk erst selbst an sich vornimmt – sehr schmerzhaft, mega-peinlich. Deshalb lässt er den treuen Devon mit dem Motorrasierer eines Barbiers an seine Familienjuwelen ran. Zum Glück ist Devon kreuzbrav und so was von verheiratet.
|Logik?|
Natürlich muss der Film, wie jede Komödie, einige Hürden in Sachen Logik überwinden bzw. nonchalant umgehen. Dazu gehört beispielsweise der unerwartete Besuch von Mollys Eltern, der ein Desaster nach sich zieht. Warum dürfen diese Herrschaften einfach so in Mollys Apartment spazieren? Hat Molly, die sie einlässt, einen Hintergedanken, um ihnen Kirk vorzustellen? Sie hat ihm ziemlich am Anfang gesagt, dass sie und ihr Vater, der ein Vietnamveteran ist, nicht mehr miteinander sprächen. Jetzt tut sie aber das genaue Gegenteil davon.
|Musik|
Die Musik ist immer ein wichtiger Unterhaltungsfaktor bei Liebeskomödien. Ein Komponist wie Michael Andrews, der zu „Donnie Darko“ die Coverversion von „Mad World“ beitrug, ist jedenfalls ein kompetenter Musiker. Dennoch fragte ich mich, ob sein Soundtrack „jung“ und „hip“ genug sein würde, um das Zielpublikum der Achtzehn- bis Neunzehnjährigen anzusprechen. Tatsächlich wechseln seine Beiträge zwischen flotter, TV-kompatibler Mainstream-Musik und harten E-Gitarrenakkorden à la Linkin’ Park oder Green Day. Aber das scheint heute in USA bereits ebenfalls Mainstream zu sein. Alles in allem liefert die Musik eine ziemlich amerikanische Mischung von Dynamik und romantischer Stimmung.
Unterm Strich
Diese Liebeskomödie verfügt nicht über einen so überzeugenden, prägenden Plot-Twist wie etwa „Hangover“, „Die Hochzeitscrasher“ oder „Jungfrau (40), männlich, sucht…“, kann aber dennoch das junge Publikum zwischen 16 und 20 Jahren ansprechen und vielleicht sogar unterhalten. Es gibt jedenfalls einige Pluspunkte, die dafür sprechen und die ich oben angeführt habe. Am Schluss wird der Film, dessen englischer Regisseur hier sein Debüt feiert, doch recht spannend, turbulent und actionreich. Es sieht fast so aus, als würden sich die beiden Liebenden doch noch kriegen.
Die Botschaft des Films ist aber durchaus ernstgement – und wird auch so mehrmals ausgesprochen: Wie können sich heutzutage zwei Erwachsene verlieben und zueinander finden, wenn alle ihnen sagen, dass dieses Unterfangen eh aussichtslos ist? Auf seiner Seite, weil er sich als Loser betrachtet, und auf ihrer Seite, weil sie etwas erwartet, das ihm eigentlich Unrecht tut. Es geht also darum, alle Erwartungen und Buh-Rufe beiseite zu schieben und ganz unbefangen die eigene Liebe zu leben. Daduch gelingt es dann, über seinen Schatten zu springen und über sich selbst hinauszuwachsen – so jedenfalls die romantische Seite der Botschaft. Ein bisschen Zuckerguss darf schon sein.
- Redakteur:
- Michael Matzer