lange Weg ins Nichts, Der
- Regie:
- Douglas Wolfsperger
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
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08.12.2008 | 14:59Edeltraut Hertel arbeitete lange Jahre als Krankenschwester in der sächsischen Provinz. Eine halbe Ewigkeit hat sie davon geträumt, eines Tages nach Afrika auszuwandern, als sich Ende der 80er endlich die Gelegenheit bot, als Missionarin in Tansania zu arbeiten und den Traum in die Wirklichkeit umzusetzen – unter der Bedingung, die Ausbildung zur Hebamme nachzuholen. Ihr zweiter Traum, eine eigene Familie zu gründen, platzte jedoch. Eine Totaloperation in jungem Alter und die ständige Suche nach einem passenden Lebenspartner versperrten ihr den Weg zum Glück – einem Glück, das in Sachsen immer weniger Menschen für sich in Anspruch nehmen. Gerade in Hertels Geburtsort Meerane setzen sich immer mehr Bürger ab, da ihnen das ländliche Leben in der einstigen DDR missfällt. Aber auch die Geburtenrate in diesem Gebiet ist bedenklich und zwingt die Bürger, sich langfristig Gedanken über die Situation und die Fluktuation im Allgemeinen zu machen.
Douglas Wolfsperger hat sich dieses Thema einmal konkret vorgeknöpft und vor Ort eine kleine Studie durchgeführt. In seinem Dokumentarstreifen “Der lange Weg ans Licht“ lässt er einige Ortsverbundene über die demografischen Entwicklungen im Osten Deutschlands und die Probleme, die sich für die Region daraus ergeben reden – jedoch ohne jegliches Politikum oder bitterernste Diskussionen in die Geschichte einzufügen. Neben Edeltraut Hertel, die im Mittelpunkt des Streifens steht und vor allem über ihren persönlichen Lebenswandel spricht, kommen zwei Ärzte einer Klinik in Chemnitz zu Wort, dazu Vertreterinnen eines Geburtshauses sowie weitere Hebammen, die allerhand pikante Details über die Tücken der Geburt sowie all die Geschichten, die sich um die Empfängnis entwickeln, preisgeben. Wichtig ist hierbei, dass der Humor nie zu kurz kommt. Gerade Edeltraut Hertel ist für manch pointierten Kommentar zu haben, wenngleich ihr eigenes Leben trotz des beruflichen Glücks nicht immer Grund zur Heiterkeit offenbarte. Aber auch die beiden Doktoren plaudern lieber über persönliche Anekdoten und lassen ihren Frust über die gesellschaftlichen Bewegungen nur zwischen den Zeilen heraus, was nicht nur wegen des Dialekts, sondern auch wegen der lockeren Wortwahl immer wieder für einige Lacher sorgt.
Nichtsdestotrotz ist “Der lange Weg ans Licht“ in erster Linie immer noch Dokumentation und keinesfalls Satire. Das Wunder der Geburt aus nächster Nähe zu betrachten, gleichzeitig eine Menge über die Eigenheiten der Geburt in den Ländern der dritten Welt zu erfahren und letztendlich überhaupt einmal einen Blick in das Sachsen zu bekommen, wie es an anderer Stelle noch nie so authentisch dargestellt wurde, ist nicht nur interessant, sondern absolut sehenswert. Die wenigen Personen, die Wolfsperger in seinem Kamerawerk vor die Linse gebracht hat, haben schlicht und einfach eine Menge zu erzählen und ergötzen sich bei ihren Kommentaren definitiv nicht in der Rezitation klagender Klischees. Sie nutzen die Gunst der Stunde, um einfach nur das mitzuteilen, was sie bewegt, dies natürlich größtenteils mit dem Fokus auf Geburten und die Funktionen der Hebamme, aber eben auch im Rahmen von persönlichen Emotionen und kleinen Schicksalen – ganz abgesehen davon, dass diese Menschen durch ihre Vergangenheit in der Deutschen Demokratischen Republik sowieso einige ganz besondere Lebenserfahrungen sammeln durften.
Letztendlich ist “Der lange Weg ans Licht“ eine aufgelockerte Form von Gesellschaftskritik, gut verpackt, mit vielen Zügen aus dem direkten Alltag gefüllt und mit außergewöhnlichen, und doch sehr nahbaren Personen in der Erzählerrolle besetzt. Um es unverblümt auf den Punkt zu bringen: Ein 100-minütiger Dokumentarfilm, der die Lebensstationen einer Hebamme beleuchtet, hätte mich sicherlich nicht angesprochen. “Der lange Weg ans Licht“ hingegen hat wirklich Spaß gemacht und Interesse geweckt. Offenheit und Unvoreingenommenheit vorausgesetzt, bekommt man hier über mehr als anderthalb Stunden sehr gute Unterhaltung geboten, die direkt aus dem Leben gegriffen ist.
- Redakteur:
- Björn Backes