EINVIGI: Interview mit Petteri Granberg

01.04.2024 | 16:32

In den letzten Jahren hat sich EINVIGI zu einer echten Macht in der extremeren Sparte des finnischen Metals entwickelt. Die Entwicklung vom klassischen Black Metal bis hin zum vielschichtigen Material des letzten Longplayers "Monokrama" ist bemerkenswert und verdient nicht nur Respekt, sondern endgültig die Aufmerksamkeit des weltweiten Publikums. Wir hatten die Gelegenheit, mit Petteri Granberg, seines Zeichens, Sänger, Gitarrist und Songschreiber des nordischen Exports zu sprechen und ihm vor allem zur Fertigstellung der neuen Scheibe zu gratulieren.

Ich muss mich an dieser Stelle erst einmal für das fantastische Feedback bedanken. Wir sind bis hierhin einen langen Weg gegangen. Auf unserem ersten Album "Sielulintu" haben wir in erster Linie mit verschiedenen atmosphärischen Stilmitteln gearbeitet und alle erdenklichen Elemente in unsere Musik gepackt. Zu dieser Zeit hat mich vor allem ALCESTs "Les voyages de l'âme" beeindruckt, und ich hatte mir vorgenommen, etwas Vergleichbares zu erschaffen. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass in meinem Heimatland noch niemand versucht hat, derartige Sounds zu kreieren. In einem Review konnte ich damals lesen, dass "Sielulintu" das erste Blackgaze-Album mit finnischen Vocals ist, das hat mir gut gefallen. "Yö Kulje Kanssani" war vor allem durch einige technische Fortschritte geprägt. Unser zweites Album hat den Blackgaze-Sound noch einmal vertieft, und wir sind bis heute sehr glücklich mit diesem Release. Nun war es für unser aber Zeit, auch die klassische Metalszene zu berühren. Dieses Ziel haben wir mit "Monokrama" verfolgt, und den vielen positiven Beurteilungen zufolge haben wir das auch gut hinbekommen.


Dem kann man definitiv zustimmen. Überhaupt ist das neue Material über weite Strecken sehr eingängig geraten. Spielt Einprägsamkeit bei EINVIGI denn eine übergeordnete Rolle?
Melodien waren mir schon immer sehr wichtig. In der Vergangenheit habe ich mich nicht nur ausschließlich mit Metal beschäftigt, sondern auch gerne mal über den Tellerrand geschaut. Folk, Country und selbst Pop finde ich partiell sehr interessant, so dass diese Einflüsse auch bei EINVIGI zu spüren sind. Wenn es sich also anbietet, eingängige Passagen zu komponieren, lehne ich das auf keinen Fall ab, auch wenn wir nicht mit dem Vorsatz ans Songwriting gehen, möglichst catchy klingen zu müssen.

Bei alldem hört man aber dennoch immer wieder gut heraus, dass ihr eine finnische Band seid. Eure Heimatszene hat eine gewisse Signatur, von der ihr, wenn auch auf eine andere Art und Weise, ebenfalls Gebrauch macht. Ist es für die Band von Bedeutung, die Zugehörigkeit zu eurem Heimatland zu betonen?
Auf unseren ersten beiden Alben wollten wir eigentlich versuchen, alles anders zu machen, als es in Finnland üblich ist. Dieses Mal hat sich das Blatt aber gewendet. Wir können und wollen nicht verleugnen, dass wir mit heimischen Bands aufgewachsen sind, die uns gerade zu Beginn des Jahrtausends geprägt haben. Hier spielen CHILDREN OF BODOM, GHOST BRIGADE, SENTENCED und INSOMNIUM eine sehr große Rolle. Wir ziehen unsere Hüte vor Musikern wie Aleksi Laiho und Miika Tankula. Mögen sie in Frieden ruhen!

Eure neue Platte hört auf den Namen "Monokrama". Was genau steckt dahinter?
"Monokrama" ist eine Abwandlung des finnischen Wortes 'monokromaattinen', im englischen auch 'monochrome'. Es hat eigentlich die gleiche Bedeutung, nämlich 'einfarbig'. Das neue Album beschäftigt sich mit post-apokalyptischen Themen und wirft einen Blick auf unsere Welt, die wir in naher Zukunft völlig zerstört haben werden. Die Zukunft, wie wir sie hier malen, ist einfarbig und zerstört.

Im Gegensatz dazu habt ihr für dieses Album ein sehr farbenfrohes, extrem beeindruckendes Cover-Artwork verwendet. Wir bringt ihr das mit den neuen Songs in Einklang?
In meiner Vision standen lediglich Schattierungen von orangefarbenen und gelben Mustern und ein Junge, der verloren in der Wüste abgebildet sein sollte. Ich habe dann unseren Grafiker Pekka Wärri kontaktiert und ihn gefragt, ob er aus diesen Vorgaben etwas erschaffen könnte. Pekka stimmte sofort zu, allerdings benötigte er fast ein ganzes Jahr, bis er seine Arbeit abgeschlossen hatte.

Expressive Kunst hat im Heavy Metal eine zunehmend größere Bedeutung bekommen. Stand die Szene in den 80ern noch für Auflehnung und Rebellion, geht es heute vermehrt um Gesamtkunstwerke, in denen nicht mehr nur die Musik im Vordergrund steht. Wie bewertest du diese Entwicklung?
Für eine Band ist es die höchste Form der Kunst, ein neues Album zu komponieren. Das ist immer so gewesen und wird wahrscheinlich auch immer so sein. Ich persönlich bin sehr froh, dass ich im Jahr 2024 Teil dieser Szene bin. Wir sind zwar nur ein paar kleine Sandkörner in der Wüste, doch es macht uns stolz, mit unserer Kunst diese Szene zu bereichern.

Ob es nur Sandkörner sind, kann sicherlich diskutiert werden. Das Feedback zu euren Platten ist gewaltig, so dass man sich gut vorstellen könnte, dass ihr schon bald in einem Atemzug mit den von dir genannten finnischen Bands genannt werden könntet. Welche Bedeutung hat dies für dich persönlich, hier ein wenig Einfluss nehmen zu können?
Ich denke, dass wir nur einen geringen Einfluss darauf haben können, ob wir mit unserer Musik etwas bewegen oder gar verändern können. Noch bevor wir unser erstes Album veröffentlicht haben, war mir klar, dass EINVIGI die Ausdrucksform sein wird, nach der ich immer gesucht habe. Ich habe viele starke Visionen und möchte diese auch zu 100 Prozent umsetzen, und genau das gelingt mir mit EINVIGI bisher wirklich sehr gut. Welchen Einfluss das schließlich auf eine Szene haben kann, wird sich zeigen. Ich werde aber den Teufel tun und diese Sachen offensiv pushen. Entweder haben wir hier Erfolg, oder eben auch nicht. Das Universum wird das für sich entscheiden!

Es ist davon auszugehen, dass ihr auch Zuhörer aus anderen Bereichen der modernen Musik erreichen werdet. Ich kann ein gutes Beispiel beisteuern. Als ich eure Platte das erste und zweite Mal gehört habe, ist meine Freundin, die ansonsten eher nicht so konform mit Metal ist, auf mich zugekommen und hat mir gesagt, dass sie das Gehörte wirklich stark findet. Nachdem du sagtest, dass ihr ebenfalls Elemente aus der Popmusik verwendet, könnte da auch eine weitere Zielgruppe lauern?
Das hoffe ich auf jeden Fall, denn wir würden schon gerne innerhalb der Metalszene einige Grenzen sprengen. Wir haben beispielsweise sehr viele Komponenten aus dem melodischen Black Metal in unseren Songs, aber wir sind definitiv keine Black-Metal-Band. Und dennoch wäre es gewaltig, wenn wir Leute erreichen, die ansonsten lediglich rohen Black Metal hören. Umgekehrt wäre es genauso stark. Wenn jemand, der sich eher mit Pop beschäftigt, auf unser Album aufmerksam wird und den Weg zum Metal über "Monokroma" findet, wären wir sehr stolz. Dennoch ist es am Ende des Tages immer noch so, dass wir diejenige Musik produzieren, die uns selbst bewegt. Es ist niemals darauf ausgerichtet, anderen Menschen bewusst zu gefallen.

Um hier auch weiterhin am Ball zu bleiben, benötigt man heutzutage eine Menge Durchhaltevermögen, aber auch ein solides finanzielles Grundgerüst. Bei der großen Masse an neuen Veröffentlichungen ist es für die meisten Fans kaum mehr möglich, alle Alben zu kaufen, die ihnen potenziell gefallen könnten. Der Konsum von Musik wird immer mehr von den gängigen Streamingdiensten gesteuert, die es deutlich einfacher machen, neue Musik zu entdecken, diese aber nicht kaufen zu müssen. Inwieweit hat das einen Einfluss auf eine Band wie EINVIGI?
Das kann ich wirklich leicht zusammenfassen. Wir gehören doch selber zu jener Generation, die von der Musikindustrie keinen Heller gesehen hat, warum sollten wir uns also beschweren? Es ist sicherlich nicht einfach, aber momentan ist es in keiner Branche wirklich leicht.

Glaubst du denn, dass viele Bands aufgrund dieser momentan sehr dramatischen Entwicklung scheitern und sich zur Ruhe setzen werden?
Meiner Meinung nach gibt es zu viele sehr alte Bands, die sich schon vor Jahren hätten zur Ruhe setzen sollen. Stattdessen produzieren sie gigantische Shows und treiben die Ticketpreise künstlich in die Höhe. Dennoch sind ihre Shows ausverkauft, so dass wenig Geld übrigbleibt, um auch einmal kleinere Bands zu unterstützen und Clubshows zu besuchen. Insofern kann es durchaus passieren, dass viele Acts zugrunde gehen werden, weil sie nicht den Support bekommen können, den sie für den Fortbestand ihrer Band benötigen würden.

Der Live-Markt ist daher sicherlich ein wichtiger Bestandteil. Wann kann man EINVIGI in den nächsten Monaten live sehen?
Wir werden am 21.03 und am 22.03. in unserer Heimatstadt Turku zwei Release-Shows spielen. Im September werden wir außerdem unsere ersten Gigs in Deutschland haben, unter anderem beim "Ghosts Of Dinmin Festival". Ich hoffe, dass wir rundherum einige zusätzliche Shows buchen können, deswegen lohnt es sich definitiv, hier die Augen offen zu halten.

Und wie könnt ihr diejenigen Leute bewegen, euch zu unterstützen, die bisher noch nicht mit EINVIGI in Kontakt gekommen sind?
Wenn ihr wunderschöne Melodien, Blast Beats, Growls im Wechsel mit clean-Vocals und tolle Songs hören wollte, dann ist EINVIGI ganz sicher eure Band.

Dem gibt es wohl nichts hinzuzufügen. Vielen Dank für den sympathischen Austausch, Petteri!

Fotocredits: Juha Kurri

 

Infos zum "Ghosts Of Dinmin Festival"

Freitag, 6. September - Samstag 7. September 2024
Völschow Berg
Devener Holz 3
17109 Demmin (Mecklenburg-Vorpommern)

Redakteur:
Björn Backes

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