Gruppentherapie: IDLE HANDS - Mana

26.06.2019 | 11:35

In unserem schon etwas zurückliegenden Soundcheck aus dem Mai hat es das Debüt-Album der IDLE HANDS lediglich auf den 16. Platz geschafft - und das trotz einer sogar zweimal gezückten 9,0. Grund genug, hier mal ein bisschen nachzuforschen...

Ich erinnere mich genau daran, als mich Sebi (im POWERMETAL.de-Forum auch bekannt als Tragic_Idol) eines Tages auf die Bandcamp-Seite der Amis IDLE HANDS lockte. Mein geschätzter Zeitgenosse, selbst mit einem vorzüglichen Musikgeschmack ausgestattet, wusste, dass die vier Jungspunde mit ihrem extravaganten Mix aus traditionellem Stahl und einer großen Portion Melancholie recht gute Karten bei mir haben sollten. "Don't Waste Your Time", die Debüt-EP des Quartetts aus Portland, lief entsprechend in Dauerrotation. Und nun "Mana", die erste Langspielplatte. Und meine Worte zum Album knüpfen nahtlos an das Review von Jonathan an. Ich weiß, dass die Jungs bewusst mit dem Goth-Image spielen. Sehe ich hier aber ehrlich gesagt nicht. Einzig die etwas tiefer gelegte Stimme von Shouter Gabriel könnte man in Richtung Schwarzkutten verorten, allerdings singt er dann doch zu melodisch und gefühlvoll für einen typischen Goth-Sänger. Und ja, vom Klang der cleanen Gitarren könnte man auch eine Verbindung zu JOY DIVISION oder den FIELDS sehen, denn eben jene Helden des Düsterrocks der 1980er nutzten wie auch IDLE HANDS das beliebte Chorus-Pedal. Allerdings erinnern mich die Amis bei den cleanen Passagen eher an QUEENSRYCHEs "Empire" (zum Beispiel im Titeltrack). Und Geoff Tate und Co. hat ja auch niemand niemals wirklich in Verbindung mit Goth gebracht, oder? Aber egal - hier geht's schließlich nicht darum, was IDLE HANDS macht, sondern wie. Und das ist ganz, ganz große Kunst. Danke an Holger und Frank aus dem Soundcheck-Team, die die Klasse der Amis erkannt haben. Egal, ob der Opener 'Nightfall' mit seiner packenden Monotonie in der Strophe und dem genialen Kehrvers, 'Jackie' (hat nix mit "That 70s Show" zu tun), 'Don't Waste Your Time', bei dem Gabriel ein wenig nach dem Hetfield seinem James klingt, dem straighten Rocker 'Give Me To The Night' oder den beiden grandiosen Highlights der Scheibe 'Dragon, Why Do You Cry?' und 'A Single Solemn Rose'. Klar, die Jungs werden gehyped - und das zu recht, wenn ihr mich fragt!


Note: 9,5/10
[Haris Durakovic]


Gruppentherapien sind bekanntermaßen immer dann besonders lesenswert, wenn sie unterschiedliche Meinungen enthalten. So gern ich daher an dieser Stelle etwas besonders Negatives, Aneckendes oder zumindest wenigstens etwas Aufseheneregendes über dieses Debüt sagen wollen würde... ich kann es nicht. Dafür ist "Mana" einfach zu rund. Die vierzig Minuten bieten Unterhaltung auf sehr hohem Niveau, schon nach dem zweiten Durchlauf bleiben zuhauf eingängige Melodien und interessante Gesangsparts hängen. Die Höhepunkte hat Kollege Haris treffend benannt, doch auch der Rest des Albums bleibt kaum dahinter zurück. Anders als mein Vorredner entdecke ich aber eine ganze Menge Gothic bei IDLE HANDS. Und wie Jonathan schon in seiner Rezension geschreiben hat: Das ist auch gut so! Und damit meine ich nicht nur die allgemein düstere (aber nie wirklich dunkle) Stimmung. Auch der Aufbau der Lieder, die bisweilen knappe Coolness und Poppigkeit sowie die Gitarren erinnern immer wieder an gotische Gefilde. Ganz großes Schmunzelpotential hat das bereits als Schmankerl bezeichnete 'Dragon, Why Do You Cry?' - nicht nur ein Ohrwurm vor dem Herrn, sondern auch einen verdammt gelungener Text. Sollte man sich nicht entgehen lassen. Womit wir beim wesentlichen Qualitätsmerkmal sind: Der Gesang ist einfach toll. In eine Szene, die aus guten Gründen nach Frische und Innovation giert, aber grundsätzlich auch ein Problem mit Neuem hat, werden IDLE HANDS verdammt tief einschlagen. Und ihre Spuren hinterlassen. Live haben mich die US-Amerikaner indes nicht so überzeugt, auf Platte macht "Mana" aber eine wirklich gute Figur!

Note: 9,0/10
[Jakob Schnapp]


Nun, lieber Jakob, ich kann nach mehrmaligem Hören nun auch nichts Negatives bei IDLE HANDS finden. Das ist fast poppig eingängig, fein komponiert und hat seinen eigenen Charme. Ein bisschen wie GHOST. Auch wenn mich die sehr hohen Noten dann doch etwas verblüffen, kann man mich wohl kaum zur Opposition in dieser Gruppentherapie zählen. Und trotzdem gibt es so einiges an Geschriebenem über IDLE HANDS, was mich wundert. Das Erste ist die Überzeugung des Kollegen Walzer, dass IDLE HANDS "das nächste große Ding in der Metal-Szene" wird. Moment mal, ich mache etwas lauter. Metal? Ähm, wo? Aber mein Kollege wird schon recht haben, sein Bezug zu einem Teil der Szene ist weit größer als meiner. Diese Band hat ja sogar auf dem Keep It True gespielt. Echt jetzt, IDLE HANDS? Was ist denn da passiert? Mit guter Promotion würde ich die Band tatsächlich eher auf Mainstream-Rock-Festivals verorten, unter der Voraussetzung, dass sie live etwas taugt. Aber ich bin da ein wenig skeptisch, die Musik transportiert für mich kaum Live-Feeling, vor allem was den Gesang betrifft. Der wird hier ja sehr hoch gelobt, dafür fehlt mir dann aber doch ein wenig das Volumen und die Reichweite. Der Herr singt bisweilen ja sogar recht gleichförmig, wenn auch zugegebenermaßen immer mit dem gewissen Etwas. Ich würd's mir auf jeden Fall anschauen, und wenn es nicht so doll ist, kann man sich zur Not ja noch als Ghouls verkleiden. Oder so. Ach ja, und mein Lieblingssong hier ist eindeutig 'Mana'!

Note: 7,5/10
[Thomas Becker]


Ich kann es gar nicht genau belegen, aber aus irgendeinem Grund erinnert mich IDLE HANDS in Teilen an den Hamburger JOACHIM WITT. Passt aber ja irgendwie zu den Gothic-Assoziationen der Kollegen Walzer und Schnapp. Dir, Thomas, muss ich dann wiederum zustimmen, wenn es um die genretechnische Einordnung im Bezug auf Metal geht: Auch ich würde hier eher das Etikett "Rock" draufkleben. Aber genug des Geredes über Gothic oder Metal oder nichts von beiden; was zählt, ist ja vielmehr, ob die Musik gefällt. Und das tut sie! "Mana" kann ich mir immer wieder anhören und ertappe mich hier und da beim Mitwippen. Dennoch ist es für mich mitnichten "das nächste große Ding", sondern eher ein solides Album, welches mich persönlich weniger als aktiven Zuhörer fordert und ganz gut mal "nebenher" gehört werden kann. Und auch hier treffe ich mich wieder mit der Meinung vom Kollegen Becker, was das Live-Feeling angeht, denn auf der Bühne ist Musik, welche mich nicht als aktiven Hörer braucht, ja oftmals etwas verloren. Aber bitte nicht falsch verstehen: Das Album ist ein ganz feines Stück Musik und hat für mich mit 'Give Me To The Night' und 'Mana' zwei echte Hits an Bord. Schlussendlich kann man also auch mich nicht zu den Oppositionellen zählen; warum so mancher aber nicht mit IDLE HANDS warm werden will, kann man meines Erachtens dennoch aus den Zeilen dieser Gruppentherapie herauslesen.

Note: 8,0/10
[Daniel Lindhorst]

Redakteur:
Daniel Lindhorst

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