GRASPOP METAL MEETING 2022: Schweiß und alte Männer - Dessel, Belgien
25.07.2022 | 20:5616.06.2022, Festivalgelände
Endlich. Seit fast drei Jahren wieder einmal ein Festival. Und wenn man schon zurückkehrt, dann mit einem echten Kracher!
Am zweiten Tag geht es gleich weiter, denn ein bisschen MOTÖRHEAD zum Wachwerden kann nicht schaden. Der Gitarrist Phil Campbell hat seine Familienbande wieder zusammengetrommelt, um uns ein paar Klassiker der Rock-Legende zu servieren. PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS sind vier Musiker mit dem Nachnamen Campbell, Phil und seine drei Söhne, und der neue Sänger Joel Peters, der letztes Jahr das Mikrophon übernommen hat. Als Opener auf so einem Festival ist es natürlich angebracht, möglichst viel MOTÖRHEAD-Material zu spielen, obwohl Phil und seine Posse ja auch schon zwei Alben und eine EP veröffentlicht haben. Aber diesbezüglich ist man völlig uneitel und spielt tatsächlich einen kompletten Set nur aus MOTÖRHEAD-Material, angefangen bei dem schnellen Opener 'Iron Fist' bis hin zu 'Killed By Death' und dazwischen auch mal obskurere Lieder wie 'Born To Raise Hell' und 'Going To Brazil'. Ja, Lemmy fehlt. Aber gut ist das trotzdem und 'Silver Machine' ist eine passende Hommage an den alten Rock-Recken. PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS ist auch nicht mehr Cover-Act als so manche anderen altgedienten Kapellen, die auf dem Festivalzirkus aktiv sind. Daher: Daumen hoch für einen unterhaltsamen Auftritt, der auf den Tag einstimmt.
Setliste: Iron Fist; Damage Case; Born To Raise Hell; Rock Out; (We Are) The Road Crew; Ace Of Spades; Silver Machine; Bomber; Going To Brazil; Killed By Death
[Frank Jäger]
Bei meiner Lieblingsband BEYOND THE BLACK stehe ich natürlich, gepanzert mit Bandmerch, ganz vorne. Das heißt, nicht ganz vorne, sondern so, dass ich die Musiker auf der doch ziemlich hohen Bühne noch sehen kann. Vor einem klassischen Raben-Backdrop in Rot und Schwarz beginnt Sängerin und Bandleaderin Jenny mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums, 'Horizon'. Und dann gleich zwei weitere Alben-Titellieder! Super, denn die jeweiligen Namensgeber stehen auch bei mir hoch im Kurs und alle können mitsingen. Zum nächsten Stück, 'Human', wechselt sie in ein rotes Kleid mit dem Kopfschmuck, den die Fans bereits aus dem Musikvideo kennen. Heute kündigt Jenny auch noch eine Besonderheit an: Um 14 Uhr veröffentlicht die Band das Video zu ihrer neuen Single 'Reincarnation', doch hier und jetzt bekommen die Fans bereits die Uraufführung des Stücks, für das das Backdrop gewechselt wird, von dem uns für den Rest des Konzertes ein riesiger Rabe still ankrächzt. Mit 'Shine And Shade' vom Zweitwerk und zwei Klassikern von ihrem Debüt "Songs Of Love And Death" beendet die deutsche Band ihren Auftritt, wobei ich 'Pearl In A World Of Dirt' vermisse, das leider nach dem Wechsel der Bandmitglieder nicht mehr aufgeführt wird. Trotzdem: Ich habe mich auf den Gig gefreut und bin nicht enttäuscht worden.
Setliste: Horizons; Lost In Forever; Heart Of The Hurricane; Human; Reincarnation; In The Shadows; Shine And Shade; Hallelujah
[Katharina Jäger]
Tja, erst BEYOND THE BLACK und dann die Autogrammstunde der Band, dadurch fallen DISILLUSION und DOOL für mich aus, aber alles kann ich sowieso nicht ansehen. Während wir also in der Schlange stehen, um Autogramme von BTB zu bekommen, spielt GLORYHAMMER. Bei strahlendem Sonnenschein machen sich die Briten daran, ihre Geschichte von Angus McFife zu erzählen, der gegen die Horde untoter Einhörner antritt. Dabei bringen sie die bekannten Zutaten mit: Dudel-Metal, haarsträubende Texte, klebrige Refrains und den Gloryhammer. Das spaltet natürlich die Metal-Gemeinde, aber auf so einem Festival kann man sich schon einmal darauf einlassen und so grölt eine größere Gemeinde die Chöre mit und läuft bei 'Hootsforce' zur Höchstleistung auf. Sänger Sozos Michael, der letztes Jahr zur Band gestoßen ist, macht seinen Job überzeugend und der Sound ist gut, obendrein gibt es die Fremdschäm-Ansage des Tages: "Wisst ihr, warum es heute so heiß ist? Weil ihr "on fire" seid! Und wisst ihr, was noch "on fire" ist? Das Universum!" und es folgt 'Universe on Fire'. Jau, kann man machen. Verursacht aber durchaus Grimassen. Aber egal, danach wird das powermetallische Volk mit 'Unicorn Invasion of Dundee' wieder in die Realität und zum Bierstand entlassen. Ein guter Auftritt gegenüber dem letzten Mal, dass ich die Band gesehen habe, viel überzeugender und der neue Sänger Michael ist ziemlich gut. Aber 45 Minuten sind dann auch ausreichend.
Die Jupiler-Stage haben wir bisher stiefmütterlich behandelt. Da wir langsam mal etwas essen wollen, bietet es sich an, einen Abstecher zu GHOSTKID zu machen, denn STEEL PANTHER auf der Hauptbühne bietet sich für eine Pause an. Die Jupiler-Stage ist auch massiv und das Programm ist mit allen Arten von Core auf ein jugendlicheres Publikum zugeschnitten. Wir schauen mal ein, zwei Lieder an, aber für mich ist das nichts Besonderes, was die Burschen rund um den ehemaligen ESKIMO CALLBOY-Sänger Sebastian Biesler abliefern. Ja, er kann sehr gut aggressiv schreien, aber auch singen, die Gitarrenriffs sind ordentlich, aber ich habe Hunger. Pech für die Jungs. Und für die anschließend folgenden Herren von BLACK LABEL SOCIETY, die ich nur von der Ferne sehe, weil wir uns ein wenig ausruhen, immerhin werden danach noch einige Bands kommen, die wir sehen wollen.
Los geht es wieder mit OUR HOLLOW OUR HOME, ebenfalls auf der Jupiler Stage. Katharina möchte dorthin und das, was ich bisher von der Kapelle gehört habe, fand ich auch gut. Die Buben sind aus Southhampton - hey, da ist doch der Hasenhüttl Fußball-Trainer, oder? Die werden immer sympathischer! - und haben ihre Mischung aus Shouts und Klargesang gut trainiert, wobei ich ja die Stimme des Gitarristen Tobias Young lieber mag als die des Sängers Connor Hallisey, aber was weiß ich schon.
[Frank Jäger]
Die Band kenne ich auch eigentlich nur durch einen Song, nämlich 'Parting Gift', der sich schon seit einem knappen Jahr in meiner Playlist hält, den ich wegen des Textes und der herausstechenden Stimme schätze. Auch die anderen Stücke scheinen tiefsinnige Texte zu besitzen, vielleicht sollte ich mal mehr von den Jungs hören. Aber hier und jetzt feiere ich die Atmospähre, die die Fans und natürlich 'Parting Gift' erzeugen.
[Katharina Jäger]
Auf der South Stage lärmt dann BULLET FOR MY VALENTINE. Ja, auch Metalcore, aber eben mainstreaming und groß genug für die Hauptbühne. Ich bin ja Fan seit der ersten EP, aber ich muss auch sagen, dass ich kein Album der Band für unverzichtbar halte. Auf jedem sind tolle Lieder, die Anzahl variiert durchaus, aber keines ist durchgehend ein Kracher. Das bedeutet aber, dass BFMV live aus dem Vollen der besagten Volltreffer schöpfen kann, was dann auch geschieht. Ja, das ist schon eine metalcorige Hitparade. 'Your Betrayal' eröffnet das Set, 'Waking The Demon' folgt, die Meute nimmt es auf und hüpft, singt, genießt. Dazu der großartige Sound der Hauptbühnen, und ich muss attestieren, dass ich nach 50 Minuten tatsächlich noch nicht genug habe. Ich könnte noch. Andererseits soll man aufhören, wenn es am Schönsten ist und nach der Überhymne 'Tears Don't Fall' und dem Speed-Rausschmeißer 'Scream Aim Fire' kann man eh nichts mehr draufsetzen.
Setliste: Your Betrayal; Waking The Demon; Piece Of Me; Knives; 4 Words (To Choke Upon); Over It; All These Things I Hate (Revolve Around Me); Shatter; Tears Don't Fall; Scream Aim Fire
So, auf der Hauptbühne startet jetzt HSB, HEAVEN SHALL BURN. Tolle Musiker, großartige Gitarrenarbeit, völlig kaputtgebrüllt von Marcus Bischoff. Was auf Platte noch geht, ist live nix für mich. Aber muss ja nicht, denn nebenan gibt es etwas, das viel mehr meine Kragenweite ist: ALCEST! Die Franzosen mischen nämlich das Marquee auf. Es ist wirklich mal Zeit für etwas progressivere Klänge, deswegen schleppe ich meine Tochter rüber, wir gehen direkt hinter das Mischpult und genießen die Atmosphäre, die Klangteppiche, die hypnotische Repitition, Ausbrüche, die ruhigen Parts folgen und sich dennoch organisch einpassen und emotional Abwechslung schaffen, ohne Brüche zu erzeugen. In diesem Fall ist sogar der Sound erträglich. Wohlgemerkt, nicht gut, und immer noch ein krasser Bruch zu den tadellosen Leistungen der Soundleute der anderen Bühnen. Ich kann leider keines der Lieder benennen, ich genieße vielmehr die Gesamtperformance, die Bandleader Stephane Paul und seine Live- und Studiomusiker bieten. Das ist schön mit Widerhaken, eingängig mit Wendungen, harsch mit Hamonie, ein Wechselbad der Gefühle. Allerdings muss ich zugeben, dass es nach einer Weile auch erschöpfend ist. 50 Minuten, ja, das ist angemessen. Kurz vor Ende verlassen wir den Auftritt, denn draußen folgt wieder Metalcore.
Okay, ich kann das ja ab. Immerhin habe ich bereits diverse Summer Breeze hinter mir, wo das Publikum jünger und die Core-Quote höher ist. Heute ist es aber ziemlich ähnlich hier, vor allem, weil Katharina core-affin ist und A DAY TO REMEMBER sehen möchte. Na gut, dann wird eben die Cap imaginär umgedreht, aber in den Pit kriegen mich keine zehn Pferde. Der Unterschied zu den vorherigen Bands ähnlichen Stils könnte kaum frappierender sein. A DAY TO REMEMBER ist aus den USA. Hier ist dicke Hose, Ansprache an das Publikum, Aufforderung zum Hüpfen, Circlepitten, Shouten und was noch alles, während vorher immer eine gewisse Art britischen Understatements unter der corigen Aggression vorgeherrscht hat. Natürlich erzählt uns die Band auch deutlich, dass sie aus den "United States of America" stammt. Ich bin möglicherweise momentan empfindlich, aber die Jungs von der Insel sind mir heute im Ganzen sympathischer. Allerdings schafft es A DAY TO REMEMBER, einen beachtlichen Pit zu erzeugen und musikalisch ist das auch durchaus famos. Vielleicht hätte ich ein paar Songs weniger gebraucht, denn es sind erheblich nördlich des Dutzend Liedchen. Aber kurzweilig ist es auf jeden Fall. Würde ich mir wieder ansehen, trotz meiner momentan wohl etwas dünnen Haut gegenüber der US-Attitüde. Dafür können die Jungs aber nichts. Glaube ich. Obwohl, sie sind aus Florida. Aber wer mit RISE AGAINST auf Tour war... egal, einfach Musik genießen und nicht drüber nachdenken.
Jetzt kommt Metal-Historie. PARADISE LOST fällt für uns aus, was mir tatsächlich keine Träne entlockt. Nein, ich mag die Band, aber zur Hälfte während A DAY TO REMEMBER und zur Hälfte während Megadave wäre einfach blöd, und PARADISE LOST wird auch auf dem Summer Breeze spielen. Da werde ich sie mir dann ansehen. So erspart man mir die Wahl und ich kann MEGADETH komplett genießen. Hintergrundprojektionen des Rattlehead mit einem nicht zu komplizierten, aber effektiven Bühnenaufbau bieten die Grundlage für den alten Thrashmeister, der zu seinen roten Haaren jetzt Silberbart trägt. 'Hangar 18' eröffnet den Auftritt und alle Fans sind schon mal glücklich. Nun ja, wer ihn nicht kennt, schaut dagegen sicher etwas gestreift. Katharina zum Beispiel. Immerhin kann Dave immer noch keinen Zentimeter singen, obwohl er mittlerweile alles in einer tieferen Lage von sich gibt, gelegentlich sogar brummt und beinahe growlt, und der lobenswerterweise klare Gitarrensound hilft nur wenig, wenn man mit dem progressiven Riffing von MEGADETH nicht vertraut ist, denn gerade bei den frühen Liedern geht da so Einiges ab. Besonders hervorheben möchte ich aber, dass Dave nicht nur auf die Power der alten Klassiker vertraut, sondern schön quer durch die Diskographie reitet. Während Mustaine und Kiko Loureiro sich den Ball von Saite zu Saite zuspielen, vermengen sich neue Stücke wie 'Dystopia', das sich super einfügt und zeigt, dass das aktuelle Album sich wahrlich nicht verstecken muss, mit 'A Tout Le Monde', das natürlich alle zum Mitsingen bringt, genauso wie das eher unerwartete 'Trust' mit dem Smasher 'Symphony Of Destruction'. Ich brauche eine Weile, bis ich 'Trust' wieder im Ohr habe, und auch 'Dread and the Fugitive Mind' macht es mir zuerst nicht einfach. Ich muss mal wieder die Diskographie durchhören. Von MEGADETH hätte ich noch mehr hören können, wie 'Tornado Of Souls', 'Killing Is My Business' und 'Washington Is Next'. Wäre auch ein guter Headliner. Ich sag ja nur. Dann wäre übrigens auch gerechtfertigt gewesen, einen Zugabenblock zu basteln. Im Mittelfeld des Billings ist das dagegen ziemlich überflüssig, genau wie das lange Verbeugen beim Zurückkommen. Da hätte man lieber noch 'Mechanix' spielen können. Oder 'Hook In Mouth'. Nur mal als Idee.
Setliste: Hangar 18; Dread And The Fugitive Mind; Sweating Bullets; Angry Again; The Conjuring; Dystopia; A tout le monde; Trust; Symphony of Destruction; Peace Sells; Holy Wars... The Punishment Due
WHITESNAKE. Endlich, denn die Band und David überhaupt habe ich noch nie live gesehen in 40 Jahren Konzertgenuss! Aber jetzt wird es endlich wahr! Wobei ich jetzt schon mal sagen kann, dass ich WHITESNAKE gerne mal vor 1990 gesehen hätte. Warum? Nun ja, wenn man sich mal mit den Texten auseinandersetzt... und dann einen über 70-Jährigen auf der Bühne... das fand ich ja früher schon ziemlich peinlich, aber jetzt ist es doch die Parodie-Ecke. Na ja, egal, denn wer seinen Auftritt mit dem DEEP PURPLE-Smasher 'Burn' beginnt, weiß, wie der Hase läuft. WHITESNAKE kann aus dem Vollen schöpfen und tut das auch, es folgt Hit auf Hit. Wobei, 'Walking In The Shadow Of The Blues' fehlt. Altersvergesslichkeit? Zumal zehn Lieder in 75 Minuten nicht gerade die große Ausbeute sind, da ginge noch etwas. Aber David Coverdale ist 70 Jahre alt. Er braucht seine Pausen, die er sich in verschiedenster Form genehmigt. Da sind zum einen ein Keyboardsolo mit Gitarrenunterstützung, später ein Drumsolo, übrigens von Drum-Meister Tommy Aldrige. Hilft aber nicht, ich finde Drumsoli überflüssig. Es sei denn, sie kommen von Neil Peart und das geht ja nun leider nicht mehr. Zum anderen lässt David oft das Publikum singen und auch gerne mal seine Mitmusiker, die ihm mindestens einen Vokal-Soundteppich legen, manchmal auch vollständig übernehmen. Ich bin müde. Ich setze mich hin und lausche. Ja, das ist David. Man hört es deutlich. Man hört auch, wenn er es nicht ist. Für einen Mann fortgeschrittenen Alters beachtlich, aber eben doch nicht das Powerhouse, das er und seine Band vor 30, 40 Jahren wohl mal waren. Jetzt habe ich es gesehen, es war unterhaltsam. Hut ab vor dem Künstler Coverdale, aber eines ist offensichtlich: Der Lack ist ab.
Setliste: Burn; Slide It In; Love Ain't No Stranger; Slow An' Easy; Fool For Your Loving; Crying In The Rain; Is This Love; Give Me All Your Love; Here I Go Again; Still Of The Night
Wir sind im flämischen Teil Belgiens und das bedeutet für WITHIN TEMPTATION: Heimspiel! Die Niederländer sind hoch auf dem Billing und kriegen 80 Minuten Spielzeit! Wow. Ich muss nun Farbe bekennen und zugeben, dass ich nur die 'Mother Earth'-Scheibe habe und kenne. Ja, ich weiß, das ist das Symphonic-Metal-Äquivalent zu einer Kuschelrock-CD. Ich mag die Band ja, aber irgendwie kam immer etwas dazwischen, sodass ich nicht auf der Höhe bin, was das Schaffen der Käserocker angeht. Dafür hat WITHIN TEMPTATION jetzt Zeit, mich zu überzeugen. Was ich dabei als erstes aufnehme, ist, dass die Band tatsächlich einen würdigen Headliner-Gig zu spielen vermag. Lichtshow, Pyros, gesamtes Auftreten ist gut und nimmt das Publikum, das ihr aber sowieso aus der Hand frisst, mit. Klar, es könnte noch mehr Show sein, aber außer IRON MAIDEN gibt es an diesem Wochenende keine Band, die das wirklich kann. Nein, überdimensionale Quietscheentchen zählen nicht, die sind einfach albern, und albern ist nicht Show und nichts für Headliner. Aber zurück zu WITHIN TEMPTATION. Sharon den Adel ist gelegentlich etwas schrill, etwas abrupt in den Übergängen, aber daran gewöhne ich mich. Sie ist immer aktiv und bildet selbst optisch die Brücke zwischen den gotischen Einflüssen in Form des schwarzen Rocks und dem moderneren, gefälligen Showelement in Form des goldenen Oberteils. Nein, ich drifte nicht ab in eine Modekritik, wovon ich sowieso keine Ahnung habe, aber die Kombination fällt mir auf. Die Herren der Schöpfung sind mal wieder gekleidet wie "Rockerboy, Standard". Ihr könntet euch auch mal etwas Mühe geben, Jungs. Beschwert euch nicht, dass Sharon immer im Mittelpunkt steht. Selbst schuld. Ich bin auf jeden Fall positiv überrascht, wie sehr die Menge mitmacht. Mal sehen, ob der Auftritt auf dem Summer Breeze in Dinkelsbühl in diesem Jahr auch so ein Triumphzug wird. Ich werde es mir wieder anschauen, das ist schon klasse.
Here I am... hey, die Scorps! Alte Helden, die zweite. Nur, dass ich Hannover's Finest natürlich bereits häufig gesehen habe, erstmals 1985. In Hannover. Fette Sache. Zuletzt vor der Pandemie im Jahr 2016. Was sind schon sechs Jahre? Für Klaus Meine, Sänger der SCORPIONS, der Unterschied zwischen den Lebensaltern 68 und 74. Ich würde daher sagen, erheblich. Kommen wir zuerst zum Positiven, und das überwiegt sowieso: Die Setliste ist brillant. Dabei meine ich nicht, dass ich sie genauso ausgesucht hätte, aber vier Lieder vom aktuellen Album 'Rock Believer'? Dazu 'New Vision', einen Song, den ich nicht in meiner Sammlung habe, ja, ich weiß nicht einmal, wo der drauf ist! So etwas spielt keine Kapelle, die die Musik an den Nagel hängen will. Das ist aktuell, das ist eine hungrige Setliste und alles andere als Nummer sicher. Klar, die Klassiker kommen auch noch, aber trotzdem. Siehe WHITESNAKE, da war kein Song neuer als 1989! Die SCORPIONS sind eine aktuelle Band, keine Rentnerkapelle. Okay, auffällig ist der geringe Bewegungsradius von Sänger Klaus Meine. Er wirkt ein wenig, als habe man ihn auf die Bühne geführt, ihm geheißen, sich am Mikroständer festzuhalten und sonst nicht zu bewegen. Aber gesanglich ist er gut. Natürlich nicht "ich bin 40"-gut, aber für 74? Wow. Der Rest der Bande rockt, das Bühnenbild ist opulent und macht viel her, der Show-Aspekt ist zweiter Platz hinter MAIDEN. Das ist die erfolgreichste und damit beste deutsche Rockband und sie lässt nicht locker. Wenn ich mir eines wünschen dürfte für die nächste Tour, dann wären es ein paar Lieder aus der Zeit zwischen 2004 und 2015, denn das kommt zu kurz. Dafür kein 'Send Me An Angel'. Lieber 'We Built This House'. Denn natürlich gibt es auch eine ausgedehnte Balladen-Zeit, auch 'Wind Of Change', seit dem Ukraine-Krieg mit leicht verändertem Text, wird gespielt und als Zugabe natürlich 'Still Loving You'. Das ist aber einfach eine tolle Ballade. Eingebettet in 'Blackout', 'Big City Nights' und 'Rock You Like A Hurricane'. Super.
Setliste: Gas In The Tank; Make It Real; The Zoo; Coast To Coast; Seventh Sun; Peacemaker; Bad Boys Running Wild; Send Me An Angel; Wind Of Change; Tease Me Please Me; Rock Believer; New Vision; Blackout; Big City Nights; Still Loving You; Rock You Like a Hurricane
Zugegeben, die letzten Songs hören wir auf dem Weg zum Auto, es ist wirklich spät geworden. Hannover's Finest hat erst um Mitternacht angefangen, das ist nicht mehr meine Zeit. Das Bett ruft!
[Frank Jäger]
- Redakteur:
- Frank Jaeger