Obscene Extreme - Trutnov

21.07.2004 | 05:30

08.07.2004, Na Bojisti



Szenenwechsel, Schnitt. Sauferlebnisse interessieren nur temporär: Wie verläuft eigentlich das Obscene für einen elitär denkenden Black-Metal-Head? Wie fühlt er sich, was macht er da? Thomas gibt völlig subjektive Antworten...

(Henri Kramer)

Am letzten Donnerstag bin ich nach Trutnov gefahren um das diesjährige Grindcore-Festival "Obscene" zu besuchen. Am Freitagmittag ging's endlich los. Die ersten Bands von 19 Stück - ich dacht', ich les' nicht richtig - spielten ab 14 Uhr. Nach den ersten zwei Stunden hatte ich auch begriffen, warum es 19 sind: Weil sonst das Festival an einem Tag erledigt wäre... Ich habe ja Grindcore-Mugge schon öfter mal mitbekommen und auch selber schon die ein oder andere CD gehabt. Aber was sich hier bot, kann ich nicht in Worte fassen. Es war einfach krass. Die erste Band, die ich an diesem Tag noch ganz in Ordnung fand, waren FLESHLESS - oder hießen die FLESHGORE? Bei diesen einfallsreichen Namen verliert man leicht den Überblick. Dann kamen BIRDFLESH, die auch nicht so schlecht waren - obwohl sie meinen Musikgeschmack um Weiten unterboten haben. Aber man gewöhnt sich schnell an viele Situationen. Das Bier namens Gambrinus war die ganze Zeit über schön kühl und sehr lecker zum Trinken, so dass ich öfter mal den Bierausschank aufsuchen musste oder aufsuchen ließ. Die Umgebung, in der dieses sonderbare Musikgeschehen stattfand, ist ebenfalls sehr angenehm. Es sind reichlich Sitzplätze vorhanden, niemand muss stehen. Später erfuhr ich, dass dies der Stadtpark ist...?!
Am Freitag sollten gegen 22.15 Uhr EXTREME NOISE TERROR spielen, von denen ich sogar schon etwas gehört habe. Gut! Endlich mal was, dass ich wenigstens vom Namen her kenne. Doch weit gefehlt! Es wurde getauscht und nun waren GRONIBARD an der Reihe. Es war ein erschreckender, nein obscener Anblick, der sich mir bot. Vier nackte Homoboys kamen auf die Bühne, ein Fünfter leicht bekleidet. Meine Gedanken: "Was geht da jetzt ab?! Haben die einen an der Waffel?!" Ich wusste erst nicht, ob ich lachen oder entsetzt sein sollte. Doch Lachen konnte ich da nicht, ich fand's einfach geschmacklos. Der Sänger zappelte unwillkürlich herum, als würde man ihn gerade mit einem Deviprilator anschubbsen. Dann musste er sich ständig an seinem "Glied" herumzupfen und sagen, dass es ganz schön kalt ist. Naja, den Schock habe ich aber überstanden. Ich ging ins Bett, weil sehr müde und leicht betrunken...

Samstag ging's schon gegen zehn Uhr los. Als ich früh gegen sieben das Zelt verließ, sah ich das ganze Ausmaß der letzten Schlächter-Nacht. Es stank, Müll ohne Ende und lebende Tote. Heute standen 27 Bands auf dem Splatter-blutiger-Durchfall-Plan. Ich weiß nicht, welche ich zuerst gesehen habe. Kann mich nur erinnern, dass mir an diesem Tag ROMPEPROP, BUTCHER ABC und LE SCRAWL recht gut gefallen haben. Wobei letztere Gruppe eher an Ska erinnerte. Diese Band hat mir noch den Glauben an ein wenig Stil im Grindcore gelassen. Mit Saxophon und Keyboard machten sie gute, ausgefallene Musik. Danach ging ich zu Bett oder wohl eher ins Zelt, wo ich eine weitere Nacht des Schlecht-Schlafens verbringen musste, weil erstens unser Zelt ein wenig am Hang stand und dann noch mein Schlafsack auf der Iso-Matte runterrutschte. Ein Gedanke: "Naja, die Nacht überleb' ich auch noch". Aber als dann die Band SKODA 120 spielte, dachte ich, diese Fans oder auch die Band sind nicht von dieser Welt. Der Drummer von dieser Tschechen-Combo musste wohl schon öfter am Maschinen-Gewehr stehen. Denn so hörte sich das Schlagzeug an. Die oder der Sänger waren auf jeden Fall nicht ganz normal im Kopf. Es war Krach der übelsten Sorte, wobei ich nicht sagen will, dass sie schlecht waren. Später auf CD klangen sie einfach nur brutal, gerade auf die Fresse.
Und der Rest? Die Toiletten wurden jeden Tag gereinigt und entleert. Es standen eine ganze Menge dieser grünen Analgeschäftsstellen vor Ort. Waschgelegenheiten waren auch vorhanden. Ihr seht: Alles war da! Im Großen und Ganzen ein günstiges und splatterreiches Festival. Wer die Musik mag oder mal richtig einen drauf machen will, ist hier genau richtig. Ich für meinen Teil bin im nächsten Jahr wieder am Start, wenn es heißt: Saufen für wenig Geld und seltsame Musik, die ich wohl nie verstehen werde.

(Thomas Patzig)

Gut gesprochen, hört ihn wohl an. Aber noch schlimmer muss das Obscene Extreme für einen gestandenen Fan von traditionellem Thrash Metal sein... Markus, deine Leidensgeschichte?

(Henri Kramer)

Gemütliches Zelten zwischen Bäumen und Sträuchern, leckeres böhmisches Essen, günstiges Trinken und Betrinken, sowie ein rot schimmerndes Bändchen gesponsert von "Powermetal.de" sollten die Gründe sein, nach drei Jahren Abstinenz das etwas andere Festival erneut heimzusuchen - alles getreu dem Motto: "Noten verboten"! Glücklicherweise blieben mir noch einige Impressionen des 2001er-Festivals im Großhirn gespeichert. Sprich: Ich war vorbelastet und bestens auf alles eingestellt!
Andererseits wäre mein bisher erworbenes Weltbild wohl auch aufs Schärfste angegriffen worden, etwa beim Anblick dickbäuchiger alter Säcke bekleidet mit Büstenhaltern und String-Tangas oder Typen, die vom Scheitel bis zur Sohle mit einer braunen Masse übersudelt waren. Kurz gesagt, die breite Palette wurde hier geboten, egal ob vor oder auf der Bühne!
Dies war auch zwingend notwendig um die 19 bis 27 Bands pro Tag in irgendeiner Art und Weise auseinander halten zu können. Und wahrlich, "das Auge hört mit" dachten sich auch die fünf "Schwestern" von GRONIBARD und wurden ihrem Bandlogo zu hundert Prozent gerecht, indem sie allesamt im Adamskostüm plus Socken und Schuhen ihr Unwesen auf der Bühne trieben! Man mag es kaum für möglich halten, sogar wohlerzogen sind diese Mannen, entschuldigte sich doch der am "schlechtesten bestückte" Gitarrenquäler beim Publikum mit den Worten: "Sorry, aber es ist sooooo kalt..." Auch andere Bands hatten eine Menge optischer Leckerbissen im Gepäck. Die Vielfalt reichte von Metzgerschürzen, Gasmasken, mit Ketchup verschmierten Arztkitteln bis hin zu rosafarbenen Nachtgewändern.
Rein musikalisch sollte es dieses Wochenende wesentlich schwieriger sein, meiner Wenigkeit ein zufriedenes Grinsen in der Mundwinkelgegend zu bescheren! Schuld daran mag wohl meine Unfähigkeit sein, aus einer Wand schriller Gitarren, einem hämmernden Schlagzeug gepaart mit hysterischem Kreisch- und Grunzgesang auch nur ansatzweise den roten Faden zu finden! Im Gegensatz zu mir schienen die 3000 Besucher diese Fähigkeit zu besitzen und huldigten Bands wie GENRAL SURGERY im Bühnengraben mit heftigstem Bangen, Diven und Mitgröhlen. Fast hätte man glauben können, SLAYER stehen auf der Bühne - unglaublich, aber wahr...
So boten sich musikalisch für mein Heavy-, Thrash-, Death- und Black Metal geschultes Ohr wenig Möglichkeiten - außerhalb der eigenen vier Türen des fahrbaren Untersatzes, im Auto ist zum Glück mein CD-Player! Und was blieb mir und ein paar anderen Leidensgenossen also anderes übrig als Glückshormone jenseits der Bühnentätigkeit zu erhaschen. Das klappte beispielsweise durch den Kauf von kleinen grauen Marken, welche zu sehr humanen Kursen gegen kühle, alkoholreiche Getränke getauscht werden konnten! Fast möchte ich behaupten, für mich den Schlüssel zu einem gelungenen Festival mit Hilfe jener Marken gefunden zu haben - aber nein, nebenher gab es ja noch eine ganze Menge gepflegter Gastlichkeiten, welche für "eine Handvoll Dollar" zum Verweilen einluden und schon nach dem Weckruf der ersten Samstags-Band ab 10:00 Uhr mit einem warmen Hammelsteak in Sahnesoße lockten...
Fazit: Auch wenn man musikalisch dem Großteil aufspielender Bands dieses außergewöhnlichen Festivals nicht unbedingt etwas abgewinnen kann oder will, so sollte man dennoch einmal in seinem Leben nach Trutnov pilgern und sein Weltbild noch einmal neu sortieren! Cheerz!!!

(Markus Berger)

Ein paar letzte Worte auch aus meiner Ecke. Keiner sollte jemals die Kraft tschechischen Bieres unterschätzen. Selbst in tiefster Nacht hilft es, Sprachbarrieren zu überwinden, sei es nun Englisch, Japanisch, Tschechisch oder Bayrisch. Sicherlich ist der musikalische Wert einiger Bands zweifelhaft; ich hätte mich auch mit einem Sixpack in die Einflugschneise des Flughafens legen können und anschließend den Müll nicht wegräumen. Andererseits kann man es auch so betrachten: Rumsauen, Kotzen und Pissen als Reste eines dionysischen Lebens, wie es in der geordneten Welt der bis zum Erbrechen Erwachsenen nicht mehr möglich ist. Schönes Motto. Ich finde, jeder sollte eins haben. Denkt mal drüber nach!

(Falk Schweigert)

Was für ein versöhnliches Schlusswort... Deshalb gilt: Nächstes Jahr gibt es für niemanden mehr eine Ausrede, nicht zum Obscene Extreme zu fahren. Erweitert eure Weltsicht! Und ich gehe jetzt noch 'ne Runde darüber feiern, dass ein solches Festival doch tatsächlich von einem Magazin namens Powermetal.de präsentiert wurde - das ist musikalisches Breitband-Kopfcabrio-Fahren auf höchstem Absurdistan-Niveau. Nächstes Jahr im Juli wird an gleicher Stelle wieder zurückgegrindet, dann hoffentlich mit den EXCREMENTORY GRINDFUCKERS!!!

(Henri Kramer)

Das komplette Billing im Überblick, direkt geklaut von der Obscene-Homepage

Donnerstag, 08.07.2004

20.00 - ?? - INTRO SHOW - piercing show of studio HELL.cz and metal DJ's Dejvy a Tomás with extreme music for your ears!!!

Freitag, 09.07.2004

14.00 - 14.20 DEFORMED
14.30 - 14.50 MINCING FURY AND GUTTURAL CLAMOUR OF QUEER DECAY
15.00 - 15.20 FLESHGORE
15.30 - 15.55 SUFFERAGE
16.05 - 16.30 DETRIMENTUM
16.40 - 17.05 GUTTED
17.50 - 18.15 PSYCHOFAGIST
18.25 - 18.50 MINDFLAIR
19.00 - 19.25 PATHOLOGY STENCH
19.35 - 20.00 WASTEFORM
20.10 - 20.35 FLESHLESS
20.45 - 21.15 BIRDFLESH
21.25 - 22.05 BRODEQUIN
22.15 - 23.10 EXTREME NOISE TERROR
23.25 - 00.05 BLOOD
00.15 - 00.50 GRONIBARD
01.00 - 01.30 SCREAMING AFTERBIRTH
01.40 - 02.00 INSANE ASSHOLES
02.10 - 02.30 BLOODY DIARRHOEA

Samstag, 10.07.2004

10.00 - 10.20 LAHAR
10.30 - 10.50 GROBAR
11.00 - 11.20 WARSCARS
11.30 - 11.50 DESPISE
12.00 - 12.20 ANTIGAMA
12.30 - 12.50 POPPY SEED GRINDER
13.00 - 13.25 AMPUTATED
13.35 - 14.00 ABORTION
14.10 - 14.35 CLITEATER
14.45 - 15.10 GODLESS TRUTH
15.20 - 15.45 REQUIEM
15.55 - 16.20 EMBALMING THEATRE
16.30 - 16.55 EMETH
17.05 - 17.30 PROSTITUTE DISFIGUREMENT
17.40 - 18.05 RESURRECTED
18.15 - 18.40 GRIDE
18.50 - 19.20 ROMPEPROP
19.30 - 20.05 BUTCHER ABC
20.15 - 20.50 NATRON
21.00 - 21.40 UNCURBED
21.50 - 22.30 SQUASH BOWELS
22.45 - 23.45 GENERAL SURGERY
00.00 - 00.45 LE SCRAWL
00.55 - 01.20 DESPONDENCY
01.30 - 01.55 COMA
02.05 - 02.30 PIGSTY
02.40 - 03.00 SKODA 120

Redakteur:
Henri Kramer

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