ROCKHARZ Festival - Ballenstedt

16.07.2023 | 14:52

05.07.2023, Flugplatz

30 Jahre "Rockharz"-Festival - wenn das kein Grund zum Feiern ist! Vier Tage lang durften wir bei Gluthitze auf dem Flughafen in Ballenstedt abrocken. Heiß war dabei nicht nur die Sommerluft, sondern vor allem die Bands.

Insgesamt drei Anläufe haben mein Lebensgefährte Herr K. aus M. und ich benötigt, um endlich einmal das "Rockharz"-Festival zu besuchen. 2020 und 2021 hat uns die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, und im vergangenen Jahr haben wir uns statt für das Festival für ein Corona-Nachholkonzert von IRON MAIDEN in Stuttgart entschieden, das zeitgleich stattfand. So kommt es, dass das 30jährige Jubiläum des "Rockharz"-Festivals unser erstes Mal auf dem Flugplatzgelände in Ballenstedt ist. Wir kommen täglich als Tagesgäste und haben unser Lager etwas komfortabler in einem Hotel in Quedlinburg aufgeschlagen.

Als wir uns Mittwochnachmittag erstmals auf den Weg zum Festivalgelände machen, herrscht dort noch Anreiseverkehr. Der Tagesparkplatz ist jedoch unkompliziert zu erreichen und liegt genau gegenüber dem Eingang für Tagesgäste. Zunächst heißt es aber, ab zur Bändchenausgabe. Und die ist leider für Festivalneulinge wie uns nicht besonders offensichtlich erkennbar. Da sich auch kein Security-Personal findet, das man fragen kann, hilft uns letztlich eine Besucherin weiter. Und dann sind wir – zack – drin. Was uns auf dem Festivalgelände sofort auffällt, ist die Sauberkeit. Nirgends liegt Müll herum und das wird auch in den folgenden Tagen trotz der wilden Party so bleiben. Offenbar sind die Fans hier alle diszipliniert und bereit, im Interesse der eigenen Community den Platz des Geschehens sauber zu halten. Eine weitere Herrlichkeit ist für mich so überwältigend schön, dass ich sie gleich zu Beginn erwähnen muss. Auf dem Festivalgelände bieten mindestens drei Barista-Stände wunderbar erfrischende Heiß- und Eiskaffeegetränke an, in die ich in den kommenden Tagen einen höheren zweistelligen Betrag investiere. Mein Bier heißt Eiskaffee!

Dann geht es für uns endlich musikalisch los. Das "Rockharz"-Festival bietet uns Gelegenheit einige Combos wiederzusehen, die wir vor bald 20 Jahren zuletzt gehört haben. Eine davon ist TANZWUT. Die Spielmannsleute mit Elektroeinschlag habe ich ziemlich aus den Augen verloren. Heute jedoch weckt TANZWUT erneut mein Interesse. Die Kombination aus tanzbaren Elektrobeats, Dudelsäcken und lustiger Performance des Sängers mit den Teufelshörnchen auf dem kahl geschorenen Kopf bietet einen guten Einstieg, um auf dem Festival in Schwung zu kommen. Herr K. aus M. hat allerdings ein Auge auf eine ganz andere Band geworfen, die sich für den frühen Abend angekündigt hat. ANGUS MCSIX. Ich bin skeptisch und überlasse meinem Lebensgefährten daher das Feld.

[Erika Becker]

Nun gilt es also, ANGUS MCSIX auf die Bühnentauglichkeit hin zu überprüfen. Man darf gespannt sein, wie sich das erst kürzlich aus der Taufe gehobene Projekt um den bei GLORYHAMMER geschassten Thomas Winkler präsentieren wird. Auf den ersten Blick ist es eine optische Fortsetzung der aus der Vorgängerband etablierten Stilelemente. Bei dem eng ansitzenden Goldanzug des Sängers samt flatterndem Umhang wartet man förmlich darauf, dass er jeden Moment in die Unendlichkeit des Universums entschwindet. Stattdessen verbleibt der Frontmann jedoch irdisch auf der Bühne und singt sich durch einen Gig, der insbesondere mit den eingebauten Gimmicks zum kurzweiligen Vergnügen ausartet. Mal gibt ein über die Bühne hoppelnder Drache sein Stelldichein, mal werden Gummischwäne zum Crowdsurfen spendiert. Musikalisch bin ich mit dem Material nicht sonderlich vertraut, so dass ich es bei den optischen Eindrücken belasse. In jedem Fall hat bei den Fans der Spaß- und Partyfaktor gezündet.

[Stefan Karst]

Ohne eine große Pause geht es im Anschluss direkt weiter mit BATTLE BEAST. An die fulminante Noora Louhimo musste ich mich erst gewöhnen, aber inzwischen kann ich den Finnen um die blonde Powerfrau durchaus auch etwas abgewinnen. Herrn K. aus M.s Interesse ist etwas weniger verhalten als meines.

[Erika Becker]

BATTLE BEAST mit dem eingängigen (Pop-) Metal ist mittlerweile eine etablierte Szenegröße und vor allem ein Garant für wildes Abfeiern vor der Bühne. So dauert es nur einen kurzen Augenblick und schon hat die gehörnte Frontfrau Noora die Feiermeute fest im Griff. Die Setlist besteht ausschließlich aus Songs der drei letzten Alben, wobei der Schwerpunkt eindeutig beim aktuellen Album "Circus Of Doom" liegt. Obwohl es offensichtlich ist, dass die Kompositionen mit wenig Raffinesse ausgestattet sind, machen Songs der Marke 'King For A Day', 'Straight To The Heart' oder 'Eden' einfach Spaß und sorgen für ausgelassene Stimmung und wild in die Höhe gestreckte Fäuste. Zur Feier des Tages wird ein Rolli-Fahrer samt Gefährt als Crowdsurfer unfallfrei nach vorne gereicht. Jaja, auf'm "Rockharz" scheint alles möglich zu sein.

[Stefan Karst]

Nach dieser Show ist für uns eine Pause fällig, bevor es ab 22 Uhr dann mit MONO INC. weitergeht. Auch diese Truppe um Sänger Martin Engler haben wir lange aus den Augen verloren und so bin ich positiv überrascht, was auf der Bühne geboten wird. Die Hamburger Formation präsentiert eingängige Songs mit poppiger Attitüde in Deutsch und auch in Englisch. Sehr beeindruckend ist Schlagzeugerin Katha Mia, die den Rhythmus der Band wild vorantreibt. Martin Engler macht eine lässige Figur und animiert die Fans zum Mitmachen. Das gelingt besonders mit dem Anspiel des alten Schlagers "Mein Gott, Walter", den jede und jeder sogleich mitsingen kann. Ähnlich verhält es sich, als die Band den altbekannten IGGY POP-Song 'The Passenger' anstimmt. "La, la, la, la, la, lala, la" - da können wirklich alle mitsingen und in mir keimen lang zurückliegende Erinnerungen an meine frühen Gothic-Kassetten auf. Die kurzweilige Stunde mit MONO INC. ist schnell vorüber, auch wenn ich von den aktuellen Songs keinen einzigen kenne. Ich beschließe, das zeitnah zu ändern und demnächst die Veröffentlichungen der Band anzuchecken.

[Erika Becker]

In der diesjährigen Open-Air-Saison ist BLIND GUARDIAN der unangefochtene Dauerbrenner. Es scheint ein großes Einvernehmen unter den Veranstaltern zu geben, dass der aus tausenden von Metaller-Kehlen angestimmte 'Bard's Song' wohl unbedingt zu einem gelungenen Metal-Festival dazugehören muss. Das "Rockharz" scheint sich zu meiner Freude dieser Koalition angeschlossen zu haben, so dass einem amtlichen Rudel-Singen eigentlich nichts im Weg stehen sollte. Doch Hansi Kürsch gibt der Meute gleich zu Beginn der Show zu verstehen, dass das 'Bard's Song'-Pulver bereits verschossen sei. Wer beim würdigen Auftakt nicht dabei gewesen sei, habe eben Pech gehabt. Dort habe er schließlich schon als Special-Guest von FISH das Lied zum Besten gegeben und Wiederholungen wolle er vermeiden. Zum Glück werden zum Ende des Sets dann doch noch die Akustik-Klampfen ausgepackt und es erklingt der 'Bard Song's - In The Forest' am großen Rockharzer Lagerfeuer. Ansonsten ist die "Somewhere Far Beyond"-Kulisse aus der gleichnamigen Tour des Vorjahres in der Festival-Saison einer Weiterverwendung zugeführt worden. Von den Songs haben es neben dem 'Bard's Song' nur noch 'The Quest For Tanelorn' und 'Ashes To Ashes' auf die Setlist geschafft. Aber kein Grund Klage zu führen! Die 80 Minuten sind mit einem wahren Hit-Feuerwerk gesegnet. Ein dickes "Yes!" entfährt mir, als Hansi 'The Script For My Requiem' ankündigt. Ein grandioser Song, der eigentlich nicht von der Setlist verschwinden sollte, es in der Vergangenheit dennoch getan hat. Von der aktuellen Scheibe "The God Machine" wird lediglich 'Violent Shadows' kredenzt, was vor dem Hintergrund der anstehenden Herbst-Tour sicherlich verschmerzbar ist. Der "Rockharz"-Auftritt wird dann standesgemäß mit 'Mirror Mirror' und 'Valhalla' sowie entsprechendem Abschlusschor beendet. Insgesamt ein toller BLIND GUARDIAN-Auftritt ohne die ganz großen magischen Momente, die man bei solchen Gelegenheiten auch schon erleben durfte.

[Stefan Karst]

Hier geht's zum Donnerstag.

Redakteur:
Erika Becker

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