Rock Am Ring - Nürburg

04.07.2006 | 11:25

02.06.2006, Nürburgring

FRANZ FERDINAND

Der Sonntag gestaltete sich Gott sei Dank nur halb so stressig wie die beiden Tage zuvor, an denen man von Band zu Band hetzen musste um ja nichts zu verpassen. So konnte man entspannt auf eine Band warten auf die man sich schon besonders freute: die Briten FRANZ FERDINAND hatten für das Festival zugesagt, und versprachen einen interessanten Gig. Vorher aber kam es noch zu zwei interessanten Ereignissen.
Erstens: während den Umbauphasen wurde die Menge leise mit dem Radioprogramm eines Sponsors des Festivals beschallt, was dazu führte dass plötzlich 'Wonderwall' von OASIS durch den Äther knarzte. Es dauerte keine zwei Sekunden bis die wartende Menge, allen vorran die holde Weiblichkeit, das Lied von alleine mitsang.
Zweitens: als Pressefritze durfte man sich dieses Jahr über fehlende Hasstiraden über die Tribüne wundern, die eigentlich jedes Jahr dem blanken Neid Ausdruck verliehen. Mit Hilfe eines der Ansager vereinigten sich tausende Stimmen dann doch zu einem "Scheiss Tribüne"-Sprechchor, und man fühlte sich oben wieder ein Stück sicherer auf dieser Welt.
Als die Band dann auch die Bühne betrat war schnell klar was zu erwarten war: gar nichts. Die Band, die mit Soundspielerei und ungezwungener aber ziemlich verrückter Art ein Millionenpublikum für sich begeisterte, präsentierte auch auf der Bühne nichts anderes.
Glasklarer Sound, enthusiastisch ihre Instrumente bearbeitende Briten und ein Publikum in bester Laune ob des sonnigen Wetters sorgten dafür dass die Stimmung nie unter konsequente Begeisterung rutschte, die vertrackten und doch immer eingängigen Stücke der Band begeisterten auf voller Länge, öde wurde es nie, und im Gegensatz zu den KAISER CHIEFS geriet dieser Auftritt auf sehr erfrischende Art und Weise unkompliziert.
Dass die Jungs eine Schwäche für die deutsche Sprache haben schimmerte immer wieder durch wenn Gitarrist McCarthy sich in Ansprachen an unserer Sprache versuchte, was mitunter unfreiwillig komisch geriet, aber durchaus Charme hatte.
Die Setlist ließ auch kaum Wünsche offen, zwar erhielten die Songs vom Album "You Could Have It So Muck Better With Franz Ferdinand" deutlich weniger Beifall als die vom genialen Erstwerk, aber die Stimmung im Publikum und auf der Bühne hielt sich auch so konstant am Siedepunkt.
Gegen Ende des Gigs feuerte Fronter Kapranos dann auch noch Drummer Thomson auf deutsch an.
"Schneller, lauter, härter."
"SCHNELLER, lauter, HÄRTER!"
"SCHNELLER, LAUTER, HÄRTER!" bis schließlich drei Leute auf das Schlagzeug eindroschen und per enorm gewaltiger Percussionshow das Publikum ins Delirium trieben.
Gut, eine großartige und umwerfende Bühnenshow konnte man freilig nicht erwarten, aber auch per solider Handarbeit spielte sich das Quartett mit lockerem Garagenrock, interessanten Interpretationen der deutschen Sprache und britischem Charme in die zigtausend Herzen des Publikums.
[Michael Kulueke]

Setlist:
This Boy
Come On Home
Auf Achse
Do You Want To?
I'm Your Villain
Walk Away
Take Me Out
The Fallen
Darts Of Pleasure
The Dark Of The Matinée
40'
Michael
Jacqueline
Outsiders
This Fire

PLACEBO

Die Trauerkünstler von PLACEBO versprachen dieses Jahr für die Security eine ruhige Kugel, und in der Tat: als die Band die Bühne betrat tat sich nix im Publikum. Okay, bis auf den Applaus natürlich.
Aber auch während die Band eine Setlist aus ganz alten Klassikern, Blockbustern und unbekannteren Songs zelebrierte, und das so lustlos wie nur irgend möglich, hielt sich die Menge im Zaum. Kaum Crowdsurfer ließen sich auf Händen tragen, und so konnte die Security selbst mal sowas wie ein wenig Ruhe genießen.
Die Band selbst gab sich wie bereits gesagt ziemlich lustig, Fronter Brian Molko nörgelte seinen Text ins Mikro, die Band gab eine musikalisch Lupenreine aber unspektakuläre Show und das einzige was einem bei soviel fehlender Spannung übrig blieb, war zu hoffen, dass irgendjemand über die Kabel auf der Bühne stolperte.
Dieser Wunsch blieb bei den Profis natürlich unerfüllt, und so hockte man sich hin, beobachtete eine ziemlich abgeklärte Show und wartete auf das Ende.
Klar, PLACEBO würden den Teufel tun und bei ihren vollmelancholischen Liedern ein unangebrachtes Feuerwerk auf der Bühne entzünden, aber Spielfreude würde ich jetzt auch etwas anders definieren.
So blieb einem genau eine Stunde um sich die Werke mal live anzuhören, aber auch wirklich nur anzuhören, ansonsten war auf der Bühne tote Hose. Da hatte der Sonnenuntergang, den man links der Bühne bewundern konnte, doch mehr Aufregung zu bieten.
[Michael Kulueke]

Setlist:
Infra-Red
Meds
Because I Want You
Drag
Space Monkey
Special Needs
Post Blue
Song To Say Goodbye
Follow The Cops Back Home
Every You Every Me
Black-Eyed
One Of A Kind
The Bitter End
Twenty Years
Running Up That Hill
Special K
Nancy Boy

DEPECHE MODE

Während man im letzten Jahr für die bockigen LIMP BIZKIT mal eben schnell die TOTEN HOSEN als Ersatz am Sonntag Abend auf die Bühne beorderte, konnte das Festival dieses Jahr mit einem echten Knaller aufwarten: DEPECHE MODE hatten sich für die beiden Festivals verpflichten lassen, und versprachen ein fulminantes Ende eines aufregenden Wochenendes.
Schon die ziemlich ziemlich abgespacten Bühnenaufbauten versetzten die riesige Menge an Menschen in Staunen, doch als Festivalboss Lieberberg seine etwas kurze und überstürzte Rede hielt und die elektronische Intromucke verstummte kannte der Jubel keine Grenzen mehr.
Als die Musiker quasi der Reihe nach ihre Plätze einnahmen machte sich eine andächtige Stille im Publikum breit, alles schien auf den ersten Ton zu warten, und natürlich auf den Frontmann.
Als Dave Gahan dann auch auf der Bühne erschien und das Publikum in unverständlichem Englisch begrüßte brandete wieder kurzer Applaus auf, und eine großartige Show nahm ihren Lauf. Die Band brauchte keine fünf Minuten um sich als Souverän auf der Bühne zu präsentieren, und die Erinnerung an die Bands die zuvor gespielt hatten, verblasste in dem Moment, in dem das Rock am Ring-Volk der Lightshow und dem Sound DEPECHE MODEs ausgesetzt war.
Dass die Show sich als großartige Mischung aus der Musik und der visuellen Kreativität der Band entpuppen würde war ja irgendwie klar, aber dass man die Menge gleich einem solchen Reizoverkill aussetzen würde war dann doch überraschend.
Die Menge, fasziniert vom Lichtstakkato und futuristischen Bühnendesign, machte trotzdem mit und jubelte begeistert nach jedem Song, auch wenn man davon ausgehen konnte, dass die wenigsten Gahans Ansagen verstanden und auch seine Rufe nach mehr Begeisterung unerhört blieben: die Menge war von drei Tagen Festival und der Bühnenshow seiner Band einfach nur platt, und zu nicht viel mehr in der Lage als mit offenem Mund die Band anzustarren.
Musikalisch wurde nur feinste Kost serviert, die bekannteren Stücke wie 'Personal Jesus', 'A Question Of Lust' und 'Stripped' wurden natürlich vorgetragen, aber auch ältere Stücke an denen sich die Band austoben konnte.
Apropos austoben: Dave Gahan gab den Womanizer, schlich zwischendurch lasziv über die Bühne und zog dadurch ebenso viele eifersüchtige wie schmachtende Blicke auf sich, zwischendurch wirbelte er über die Bühne und forderte das Publikum auf es ihm ein paar Meter tiefer gleichzutun, und überzeugte trotz dieser Eskapaden stets durch eine klangvolle Sangesleistung, während die anderen dafür sorgten dass die epischen Klangmomente auch nicht zu kurz kamen.
Es war ein absolutes Spektakel, durch die Screens wurde die Band immer wieder verzerrt und in anderen Perspektiven gezeigt, die Bühne abwechselnd in Düsternis und grellem Backlight getaucht und die Menge so mit Bildern beschossen die sich unter dem Druck der Musik tief einbrannten.
Nach knapp neunzig Minuten beendete die Band das Schauspiel, wurde aber nach Minuten von frenetisch nach mehr brüllenden Menschen zurück auf die Bühne geholt, wo Martin Gore ein Akustikstück zum besten gab, bevor der Rest sich auch wieder einfand und die zwei Stunden voll sichtbarer und hörbarer Energie komplettierten.
Der helle Wahnsinn.
[Michael Kulueke]

Setlist:
Intro
A Pain That I'm Used To
A Question Of Time
Suffer Well
Precious
Walking In My Shoes
Stripped
Home
In Your Room
Nothing's Impossible
John The Revelator
I Feel You
Behind The Wheel
World In My Eyes
Personal Jesus
Enjoy The Silence
Judas
Photographic
Never Let Me Down Again

Redakteur:
Michael Kulueke

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